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Theater für den Kurfürsten

Einen feierlichen Ausklang des Krönungsfestes am 18. Januar 1901 fand die höfische Gesellschaft in der „Fest-Vorstellung zur Zweihundertjahr-Feier des Königreichs Preußen" im königlichen Opernhaus. [59] Die dreieinhalbstündige Vorstellung bestand aus zwei Teilen: Zunächst gab man den „Adlerflug", ein Spiel von Josef Lauff mit der Musik von Josef Schlar. Ihm folgte das Schauspiel „Das Testament des Großen Kurfürsten" von Gustav zu Putlitz, wie der „Adlerflug" von „Oberregisseur" Max Grube in Szene gesetzt. [60]

Begeistert berichtete die „Vossische Zeitung" von beiden Stücken. Die naheliegende Vermutung, den künstlerischen Gestaltern der Festlichkeiten habe es an Phantasie gemangelt, wenn immer wieder der flügelschwingende Adler über Königsberg und Berlin bemüht wurde, wird spätestens mit diesem Spiel vom „Adlerflug" widerlegt. In der gewollten Wiederholung liegt Absicht. Sie betont die historische Kontinuität der Geschichte, als deren Garant die Hohenzollern-Dynastie sich bewährte.

 

Kraft, Treue und Gottvertrauen

Der „Adlerflug" begann „mit einer Ouvertüre in düstern ahnungs- und geheimnisvollen Weisen und Akkorden". „In wilder halbnächtiger Waldlandschaft" agierten Klio, die Geschichtsschreiberin, der „Zeitgeist", der „Werdegang", die „Kraft", die „Treue" und das „Gottvertrauen". „Sie alle sprachen pompös tönende und auch sinnvoll bedeutsame Worte in gebundener Rede", „die sich auf das Werden und Wachsen der Größe Deutschlands mit den und durch die Hohenzollern" bezogen.

Vor der im Hintergrund aufsteigenden Burg Hohenzollern erschien der „Genius der Hohenzollern" und sprach „in flammenden Worten von dieses Genius Kräften und Thaten, von des Vaterlandes Vergangenheit und Zukunft." Als mächtiger Pfeiler Brandenburg-Preußens durfte die Reformation in diesem feierlichen Spiel nicht fehlen: War es nicht der Übertritt der Hohenzollernfürsten Joachim, Albrecht und Johann in das protestantische Lager, dem der Protestantismus es verdankte, daá er sich im Deutschen Reich gegen die habsburgisch geführte katholische Partei durchsetzen konnte? - Es ertönte der „Gesang des Lutherischen Trutzliedes". Am Ende des Stückes erschien Friedrich I., „hebt die Krone empor, um sie auf sein Haupt zu setzen".Unter „rauschenden pompösen Schluß-Akkorden" und „schmetternden Fanfarenklängen" fiel der Vorhang.

 

Das „Testament des Großen Kurfürsten" beschrieb der Journalist der "Vossischen Zeitung" nur knapp in Hinsicht auf die Musik, da er dessen Inhalt bei den Zeitgenossen als bekannt voraussetzen konnte. Die vier Akte des Stückes wurden mit Orchestersätzen von Händel und Johann Sebastian Bach eingeleitet, „was eine eigenthümlich feierlich prächtige Wirkung machte. Als der Vorhang über dem Bilde der versöhnten Familie gefallen, verließ der Hof und die ganze Versammlung ohne jede Schlußdemonstration das Haus." [61]

Der „Vorwärts" widmete sich gleich zweifach dem „Adlerflug". Einmal um eine rhethorische Verirrung Ballestrems in seinen Glückwünschen an den Kaiser zu verspotten, ein anderes Mal zitierte er die „Münchener Allgemeine Zeitung", die berichtet haben soll, daß der „Adlerflug" „seine Entstehung einer Anregung des Kaisers" verdanke. Die Mutmaßung empörte die Sozialdemokraten gehörig, da man „den Flug des preußischen Mars ja nicht schildern" könne, „ohne zugleich derer zu gedenken, deren Bahnen er gekreuzt und mit denen er vielfach, auf Tod und Leben, gekämpft hat." Da viele Vertreter aus in- und ausländischen Staaten als Gäste der Aufführung beiwohnten, die einst Feinde Preußens waren, wolle man „aufrichtig wünschen, daß es gelungen sein möge, das Festspiel so zu gestalten, daß es den Ruhm der preußischen Monarchie und ihrer Beherrscher verkündigt, ohne bei einem der hohen und höchsten Herren vom Ausland Anstoß zu erregen oder peinliche Erinnerungen zu wecken."

 

„Ganz Berlin feiert"

Die Polemik des „Vorwärts" hatte Berechtigung.
Sie wirkt hinsichtlich der historischen Urteilsfindung vielfach als Korrektiv der emphatischen Begeisterung der bürgerlichen und der offiziellen Presse.

Daß alle Berlinerinnen und Berliner das Krönungs- und Ordensfest feierten, kann mit Sicherheit nicht behauptet werden. An der Oberfläche betrachtet sah es so aus. Wilhelm II. hatte alle ihm erreichbaren Institutionen entsprechend instruiert. Nebst Hof, Armee und Marine, Kirchen- und Schulräten erhielten die Universitäten, Akademien, technischen Hochschulen Anweisungen, angemessene Feiern zum preußischen Kronjubiläum zu veranstalten. Die Kommunalverwaltungen des Königreichs wurden auf „die staatliche Feier des 18. Januar" aufmerksam gemacht und mit Empfehlungen für „geeignet erscheinende festliche Veranstaltungen" bedacht.

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" verkündete Tage vorher die Fest-Initiativen in Berlin und ganz Preußen: Der „Berliner Deutsch-konservative Wahlverein" wolle am 18. Januar im großen Saal der Philharmonie „ein Fest-Kommers" abhalten, zu dem eine Festrede des Archivrats Paul Bailleu zu erwarten sei. Die Berliner Jüdische Gemeinde habe in allen Gemeinde-Synagogen einen feierlichen Gottesdienst und für die Schüler der jüdischen Religionsschulen eine eigene Feierlichkeit angeordnet.

 

Fest-Kommers im Zoologischen Garten

Die Turnerschaften planten einen Begrüßungsabend im Städtesaal des Kaiserkellers und am 19. Januar einen „großen Jubiläumskommers" in den Sälen des Zoologischen Gartens, zu dem auch auswärtige Turnerschaften Vertreter schicken wollten, „so daß sämmtliche Farben des Verbandes vertreten sein werden."
Die „Ältesten der Berliner Kaufmannschaft" beschlossen anläßlich des Kronjubiläums aus Mitteln der Korporation eine „Hohenzollern-Jubiläums-Stiftung im Betrage von 50 000 Mark".

Der Hauptverband der Berliner Kriegervereine fand sich am 18. Januar zu einer Erinnerungsfeier in der Brauerei am Friedrichshain zusammen, an dem sich der Lehrergesangsverein beteiligte, und die preußischen Landsmannschaften feierten im Saal Landsberger Straße 31.
Im „Schloß Schönholz" versammelte sich die Berliner Schützengilde zu „einem großen Jubiläumsschießen", das mit einer abendlichen „großen patriotischen Feier" in den „Concordia-Sälen" fortgesetzt wurde, wo unter anderem „in lebenden Bildern die Hohenzollern vorgeführt" wurden. „Von der konservativen Fraktion und der Reichspartei" wurde ein „gemeinschaftliches Festessen" gemeldet, zu dem „Seehandlungspräsident a. D. Freiherr v. Zedlitz" die Festrede hielt. [62]

 

120 000 Mark für die Krieger-Stiftung

Der „Preußische Landes-Kriegerverband" überreichte Wilhelm II. eine Stiftung, „welche von den Mitgliedern der preußischen Kriegervereine aus Anlaß der Zweihundertjahr-Feier des Königreichs Preußen gesammelt worden ist." Die Abordnung erhielt am 16. Januar eine Audienz beim Kaiser im Fahnensaal des Berliner Schlosses. Man legte dem obersten Kriegsherrn die stolze Summe von 120 000 Mark „zu Füßen" und bat, „die Preußische Kriegerstiftung Wilhelm II." „auf Befehl" des Kaisers gegründet wissen zu dürfen.

Zweck der Stiftung sollte die finanzielle Unterstützung von Hinterbliebenen von Kriegsteilnehmern sein. Man beabsichtigte, das Grundkapital durch einen jährlichen Betrag aufzustocken, „so daß an dem Tag jeden Jahres, welcher der Erinnerung an ein Ereigniß geweiht ist, das sowohl für Preußen wie für ganz Deutschland von größter und segenvollster Bedeutung wurde, immer mehr sorgenvollen Herzen aus der Stiftung ein freundlicher Trost gespendet werden kann."

Auf ideale Weise verbanden sich in dieser Stiftung monarchische Loyalität und soziales bürgerliches Engagement, dessen Umfang auch den Kaiser überraschte: „Sehr sympathisch berührt", sei er. „Denn eine Stiftung, welche bestimmt ist, Noth zu lindern und Thränen zu trocknen, ist viel besser geeignet, die Erinnerung an diesen Tag wach zu halten, als jede andere Widmung, welche Mir dargebracht worden wäre." [63]

Der Menschenfreund fragt sich, warum der Kaiser die Not „seiner Soldaten" nicht linderte, überstieg doch der Betrag noch die Summe, die Wilhelm II. der Marine als „Gnadengeschenk" zum 18. Januar hatte überweisen lassen. - Auf diese und andere Stiftungen anläßlich des Krönungsfestes hätte Bürgermeister Kirschner guten Gewissens in der Diskussion um die König-Friedrich-Stiftung in der Stadtverordnetenversammlung hinweisen können, wohl aber kaum die sozialdemokratischen Gemüter beruhigt.

 

Eintracht der Berliner Studenten

Waren den Lehrstätten, den Studenten und Professoren, die Feiern zum Krönungsfest auch verordnet worden, scheint man überall mit Ernst und Eifer an eine angemessene Ausrichtung der Festlichkeiten herangegangen zu sein. Mit Begeisterung beteiligten sich die Studenten der fünf Berliner Hochschulen an der „Auffahrt", die am 17. Januar in einem Zug von 46 Wagen, wovon dreißig die Technische Hochschule stellte, stattfand. Die Korporationen versammelten sich in Charlottenburg und am Großen Stern, von wo die Wagen in die Siegesallee eilten, wo die Studentenschaft am Denkmal Friedrichs I. einen Kranz niederlegte.

Über das Brandenburger Tor und die Linden fuhren sie zum Denkmal Kaiser Wilhelms I., über den Werderschen Markt, durch die Markgrafen- und die Mohrenstraße zum Wilhelmplatz, durch die Voß- und die Tiergartenstraße zum Zoologischen Garten, wo mit einem „Chargierten-Frühstück die patriotische Huldigung ihren Abschluß fand." [64]

 

Zu einem „Fest-Commercium" lud die Berliner Studentenschaft in die Brauerei Friedrichshain ein. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" wies auf die integrative Wirkung der Jubiläumsfeier hin, denn „der imposante Festkommers (...) hatte zum ersten Male wieder seit Jahren alle Korporationen der alma mater vereinigt." [65] Der Prolog, verfaßt von dem Dichter Julius Wolff, wies „in jene Zeit, in der der Kurfürst von Alt-Brandenburg in seines Herzens Schrein den Willen trug, Preußen zu einem Königreich zu machen, der dann zeigte, wie er diesen Willen verwirklicht, und wie aus Preußens Königthum sich das Kaiserreich entwickelt."

Als Festredner trat Professor Lenz auf, „die Brust geschmückt mit den Zeichen der auf den Schlachtfeldern des Vaterlandes errungenen Ehren". Auch Lenz schlug den historischen Bogen der politischen Kontinuität des kurfürstlichen Brandenburg zum königlichen Preußen und kaiserlichen deutschen Reich. Aber er betrachtete es als ein Glück, daß „vor 50 Jahren" der „Umguß" der preußischen Königskrone zur Kaiserkrone mißlang, denn die Krone Friedrichs I. sei so „ein neuer Keil geworden, um auseinander zu treiben das morsche Gefüge der alten Reichsverfassung und uns das neue Reich entstehen zu lassen, dessen Krone nicht mehr allein das Symbol ist hohenzollernscher Machtvollkommenheit, sondern das Siegel der Einheit der deutschen Fürsten und ihres Bundes mit der ganzen Nation."

 

Professor Harnack lobt die treue Pflichterfüllung

Professor Adolf Harnack, Rektor der Friedrich-Wilhelms-Universität, schloß die feierlichen Reden, betonte seine „freudige Anerkennung der bei dem Feste zu Tage getretenen Einigung der Berliner Studentenschaft" und versäumte nicht, „auf die treue Pflichterfüllung hinzuweisen, auf der die Größe des preußischen Staates sich" gründe. [66]

Feierliche Reden und Musik bildeten den Kern der Festakte der Berliner Hochschulen und Akademien. Im Namen der Königlichen Akademie der Künste lud Hermann Ende für den 17. Januar zur mittäglichen Vorfeier in den großen Saal der Sing-Akademie ein. Der Einladung war das Programm angefügt: Der Fest-Ouverture C-Dur op. 35 von Professor Albert Dietrich folgte die Festrede Paul Seidels, Direktor des Königlichen Hohenzollernmuseums, „Andreas Schlüter als Bildhauer" und eine Cantate für Chor, Soli und Orchester nach Worten der Heiligen Schrift, verfaßt von Professor Xaver Scharwenka. [67]

Alle an der Gestaltung der Feier Beteiligten waren Mitglieder der Akademie, auch der Kapellmeister, Joseph Joachim, der Chor und Orchester der akademischen Hochschule für Musik an diesem Tag dirigierte. Die Cantate hatte Scharwenka eigens für das Kronjubiläumsfest komponiert. [68]

Das Akademiegebäude erhielt nicht nur einen würdigen Festschmuck durch Baurat Karl von Großheim [69], die an der Fassade in einer das Portal durch vergoldete Dekoration und einem Panneau mit Adler bestand, im Inneren durch Stoffe, Gewächse, Tanne und Lorbeer sowie ornamentale Malereien Vestibule und Ausstellungsräume in eine „festliche Stimmung" brachte, sondern barg auch eine eigens zum Kronjubiläum zusammengestellte kunsthistorische Ausstellung. „Teppiche und Möbel aus den Königlichen Schlössern schmücken die so entstandenen ruhig getönten Räume und vervollständigten den Rahmen für die ausgestellten Kunstwerke."

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