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Die Initiativen Wilhelms II.

Während die Stadtverordneten Berlins über eine Million und 5 600 Mark stritten, die wohltätig wirken und die Dynastie ehren sollten, verliefen die Vorbereitungen am Hof Wilhelms II. und in den königlichen Institutionen ruhig und geordnet. Wilhelm II. selbst war der Initiator für alle Details einer angemessenen Feier zum zweihundertjährigen Jubiläum der preußischen Krone in der Haupt- und Residenzstadt Berlin, im Königreich Preußen und im Deutschen Kaiserreich.

Gefeiert wurde der Erwerb der Krone Preußens vor 200 Jahren, nicht etwa Friedrich I. , dessen zwiespältige historische Beurteilung keinen hinreichenden Anlaß zu solchem Aufwand geben konnte, wie ihn Wilhelm II. plante. Es war das erste Mal, daß man dem Erwerb der Krone derart gedachte: 1751 und 1851 hatten keine Jubelfeiern stattgefunden. 1801 ließ Friedrich Wilhelm III. feierliche Gottesdienste mit Glockengeläut abhalten und eine Gedenkmünze prägen. Von weiteren Festlichkeiten sah man aufgrund der bedrängten politischen Situation des Jubilars ab. [19]

Zwei Tage dauerte das Krönung- und Ordensfest an, erfaßte alle Königlichen Institutionen, die Kirchen beider Konfessionen und bürgerliche Vereinigungen - über zwei Denkmünzen, die Wilhelm II. eigens gestalten ließ, das gesamte Deutsche Reich. Die Tagespresse berichtete rund um die Uhr, in seitenlangen Beilagen und Extra-Ausgaben. In einem Wettstreit um die Gunst der Leser berichteten allen voran der „Deutsche Reichs- und Kniglich Preußische Staatsanzeiger", die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung", die „Vossische Zeitung", das „Berliner Tageblatt", die „Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats und gelehrten Sachen" und der „Vorwärts".

 

Es regnet Orden und Auszeichnungen

Am 23. November 1900 schrieb der Kaiser aus Kiel an das Königliche Staatsministerium:

„Ich fordere das Staatsministerium auf, Mir die Vorschläge für die bei der Feier des im Januar künftigen Jahres zu begehenden Krönungs- und Ordensfestes zu verleihenden Orden und Ehrenzeichen bis zum 25. Dezember d. Js. einzureichen. Im Hinblick auf die zweihundertjährige Wiederkehr des Tages der Annahme der Königswürde will Ich diese Auszeichnungen in umfangreicherem Maße wie sonst verleihen und wünsche Ich, daß bei den Vorschlägen namentlich die Provinzen Ost- und Westpreußen reicher bedacht und insbesondere angesehene Mitglieder solcher Familien dieser beiden Provinzen berücksichtigt werden, welche schon bei der ersten Krönung dort angesessen waren und eine einflußreichere Stellung eingenommen haben.

Bei den in diesem Jahre vor Mir gehaltenen Manövern waren in den Provinzen Brandenburg und Pommern die ländlichen Quartiergeber in außerordentlichem Maße stark in Anspruch genommen. Ungeachtet der ungewöhnlich gesteigerten Einquartierungslast und der ungünstigen Verhältnisse, unter denen die ländlichen Grundbesitzer zu leiden haben, ist den Truppen überall, oft unter den erheblichsten Opfern, eine vortreffliche Aufnahme zu Theil geworden.

Ich wünsche daher, daß die Vorschläge besonders auch auf diejenigen Landwirthe der beiden Provinzen sich erstrecken, welche bei jener Gelegenheit ihren Patriotismus bethätigt haben. Wie früher, will Ich bei dem vorbezeichneten Anlasse Meine Gnadenbezeigungen auch auf Beamte des Deutschen Reiches und andere Personen in den Reichslanden ausdehnen, wovon dem Reichskanzler und Meinem Statthalter in Elsaß-Lothringen mit dem Ersuchen Kenntnis zu geben ist, dem Staatsminister zu diesem Behufe Vorschläge mitzutheilen. Das Staatsministerium hat hiernach das Weitere zu veranlassen. Kiel, den 23. November 1900. Wilhelm R." [20]

Die Instruktionen zeigen, daß sich Wilhelm II. sehr wohl der Möglichkeiten einer integrativen Wirkung der Staatsfeier zur preußischen Königskrönung bewußt war. Gezielt nannte er die Personenkreise, die bei der bevorstehenden Ehrung besonders bedacht werden sollten. Die betonte Aufforderung, Beamte auáerhalb Preußens und ganz besonders auch Elsaß-Lothringens einzubeziehen, konnte in monarchisch gesinnten Kreisen seine Wirkung nicht verfehlen.

Die „Königliche Privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen" widmete ihre Abendausgabe vom 18. Januar 1901 der „Jubelfeier des Königreichs" und verfaßte eine kleine statistische Analyse des „Ordenssegens", der erwartet hoch ausgefallen war: 3772 Personen waren mit Orden und Ehrenzeichen bedacht worden (gegenüber 2514 im Jahr 1900, der bis dahin höchsten Anzahl).

 

Die Armee, die Armee und wieder die Armee ...

Die Zahl der dekorierten Offiziere war sehr hoch: Vierzig Prozent aller Orden und dreißig Prozent der Ehrenzeichen waren an die Armee gegangen. Während die Verleihung des Schwarzen Adlerordens naturgemäß gering gehalten werden mußte, wurde der Rote Adlerorden allein 1821 mal vergeben und, wie betont wird, auf eine Vermehrung in allen Klassen geachtet. Die Standeserhöhungen und die Auszeichnungen mit höheren Orden wurden namentlich aufgeführt. Aus der Berliner Kommnunalverwaltung erhielten Oberbürgermeister Kirschner den Roten Adlerorden III. Klasse und Stadtrat Namroth den Roten Adlerorden IV. Klasse.

Unter den ausgezeichneten Persönlichkeiten der Berliner Künstler und Wissenschaftler befanden sich der Direktor der Königlichen Museen, Kekule von Stradowitz, der Präsident der Akademie der Künste und Architekt Hermann Ende, der Philosoph Wilhelm Dilthey, die Maler Anton von Werner [21], Franz Skarbina und Hermann Knackfuß, der Buch- und Kunsthändler Schulte und andere.

Aus Handel und Industrie Berlins wählte man die Bankiers Mendelssohn [22] und Bleichröder, die Kaufleute Pinkus und Krausnick und den Goldschmied Alfred Louis Sy. Das „Verzeichnis der am Krönungs- und Ordensfeste verliehenen Auszeichnungen, Orden und Ehrenzeichen" erschien am 18. Januar in der „Vossischen Zeitung". [23] Acht Seiten füllten die Namensnennungen, von der Erhebung in den Fürstenstand über die Verleihung des Schwarzen Adlerordens bis zum Allgemeinen Ehrenzeichen.

Die Vorschläge für die zu dekorierenden Personen waren durch sämtliche Ministerien über die nachgeordneten Behörden gemacht und von den Ministern persönlich begutachtet worden. Mehrere Akten des Preußischen Staatsministeriums, das sich spätestens seit März 190061, gewissermaßen inoffiziell, da noch ohne kaiserliche Order, mit den bevorstehenden Ordensverleihungen zum 17.1.1901 befaßte, füllen diese Vorschlagslisten, die nach ergangener Aufforderung Wilhelm II. zur Bestätigung vorgelegt wurden.

 

Reges amtliches Pflichtgefühl und durchaus loyale Gesinnung

Die Begründung für den Vorschlag, einen Unterstaatssekretär mit dem Roten Adlerorden I. Klasse auszuzeichnen, lautete beispielsweise: „Außerordentlich anzuerkennende Leistungen in der Finanz-Verwaltung des Reiches und reges amtliches Pflichtgefühl. Hervorragende Mitarbeit an den beiden Flottengesetzen und dem Gesetz zur Erhöhung der Friedensgewährungsstärke des Heeres." „Hingebende und erfolgreiche Thätigkeit in verantwortlicher Stellung sowie durchaus loyale Gesinnung" reichten aus für den Stern zum Roten Adlerorden II. Klasse mit Eichenlaub.

Die Vorschläge für die Verleihung des Allgemeinen Ehrenzeichens konnte diejenigen erheben, die sich durch „gute Führung, Fleiß und besondere Pflichttreue", „fortgesetzte treue Pflichterfüllung und stetes Wohlverhalten", „langjährige pflichttreue Dienstzeit" hervorzutun bemüht gewesen waren.

 

„Jugendliches Alter" dagegen war in vielen Fällen der einzige Grund für eine Ablehnung der Ordensverleihung. Älter als 39 Jahre mußten die Anwärter schon sein. Die oft ausführlichen, negativen Begründungen lassen die gelegentlich lapidar erscheinenden befürwortenden Formulierungen in einem anderen Licht erscheinen. Einige der vom Präsidenten des Deutschen Flottenvereins zur Auszeichnung vorgeschlagenen Personen, die sich um die Ausbreitung des Flottenvereins besonders verdient gemacht hatten, wurden mit entsprechenden Argumenten abgelehnt:

Weil er „an einer überaus peinlichen Demonstration gegen seinen damaligen Direktor theil genommen hatte", „wegen der ungünstigen finanziellen Verhältnisse", aufgrund eines „Mangels an anständiger Denkungsart" und - im Falle eines „Telegraphisten" bei der Eisenbahn in Essen - weil die Direktion Einwände erhob, da alle anderen Beamten, höheren Dienst- und Lebensalters mit verantwortungsvollerer Stellung, noch keine Auszeichnungen erhalten hätten. Nur der Dienst für den Deutschen Flottenverein reichte eben nicht.

Auszeichnungen an 3 772 Diener des Staates! Doch damit war erst der Auftakt zur „Jubelfeier der Preußischen Krone" gegeben. Obwohl man im Staatsministerium bemüht gewesen war, durch eine vergleichsweise hohe Zahl an Auszeichnungen einer neuerlichen Ordensgründung durch Wilhelm II. vorzubeugen, erhielt das Staatsministerium am 24.12.1900 ein geheimes Schreiben des Civil-Cabinets mit der Ankündigung,

„Seine Majestät haben beschlossen, aus Anlaß des 200jährigen Jubiläums des Königreichs Preußen einen Orden zu stiften. Derselbe soll den Namen „Verdienstorden der Preußischen Krone" führen." [24]

Die Urkunde wurde in der auf kaiserlichen Befehl herausgegeben Sonderausgabe des „Preußischen Reichs- und deutschen Staatsanzeigers" vom 18. Januar 1901 veröffentlicht. [25] Erste Verleihungen des Ordens sollten am Tage der Stiftung, dem 17. Januar 1901, erfolgen. Statt dessen gab der „Preußische Reichs- und deutsche Staatsanzeiger" erst am 15. April 1901 die erstmalige Verleihung des Verdienstordens bekannt. Der Ausgezeichnete war der Freiherr von Loë.

Man belächelte oder verachtete gar Friedrich I. und seinen vermeintlich bloß effekthaschenden Griff nach einer Königskrone für den Kurfürsten in Brandenburg und sonnte sich im Glanz von Orden und Ehrenzeichen, die in der Regierungszeit allein Wilhelms II. wohl an die 70 000 Mal vergeben wurden.

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