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„Der Jubeltag der Krone Preußens"

Ein Bericht zum zweihundertjährigen Jubiläum des Krönung- und Ordensfestes des Königreichs Preußen, dargestellt anhand der zeitgenössischen Quellen

 

Am 18. Januar 1701 war ein Traum für den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. in Erfüllung gegangen: In der Schloßkirche zu Königsberg setzte er sich eigenhändig die Krone des Königs in Preußen auf das Haupt, wozu er die nicht notwendige und doch wichtige Zustimmung des Kaisers errungen hatte. Dreihundert Jahre später wird diesem Ereignis mit historischen Ausstellungen in Berlin und andernorts gedacht werden. Die umfassendsten Feierlichkeiten aus Anlaß der Krönung Friedrichs III. zum ersten König in Preußen fanden unter Wilhelm II. zur 200. Wiederkehr des Krönungs- und Ordensfestes statt. [1]

 

„Bürgerstolz vor Königsthronen"
Die Feierlichkeiten des Berliner Magistrats

Von „Byzantinismus" als Gegensatz zur „Wahrheitsliebe", von leeren Formfragen statt Traditionen, von „menschliche(n), sittliche(n) Verfehlungen" an Stelle von ehrbaren Leistungen einer Dynastie war die Rede. Kein Wunder, daß die Wortmeldungen der sozialdemokratischen Stadtverordneten Adolf Hoffmann und Arthur Stadthagen am 3. Januar 1901 vor dem Berliner Stadtparlament besondere Unruhe und besonderen Widerspruch auslösten.

Worum ging es?
Am 20. Dezember 1900 hatte der Magistrat hiesiger Königlicher Haupt- und Residenzstadt eine Vorlage eingebracht, „zur Beschlußfassung betreffend die Bewilligung von 5600 M. behufs der Vertheilung einer Schrift zur Feier des 18. Januar 1901 an Gemeindeschulkinder." Ohne daß die Schrift den Stadtverordneten vorgelegen hatte, sollten die Kosten für deren Druck gebilligt werden.

„Wir stehen (...) auf dem Standpunkt: nicht einen Pfennig für dynastische Zwecke," erklärte Hoffmann. „Wir haben keine Lust, am allerwenigsten zu Verherrlichungen etwas zu geben, die nach unserer Meinung sehr wenig herrlich sind." [2]

Stadthagen erachtete den Anlaß selbst, die Feier der Krönung Kurfürst Friedrichs III. zum ersten König in Preußen und ersten König aus dem Haus Hohenzollern, für historisch irrelevant, die Dynastie an sich für unwürdig jeglicher Ehrenbezeugung und bezichtigte den Initiator, Oberbürgermeister Kirschner, und die ihm zustimmenden Stadtverordneten der Schmeichelei:

„Jemand aber, der ein Buch nur aus dem Anlaß, weil irgend eine Krone vor 200 Jahren das erste Mal auf ein Haupt gesetzt ist, einem Kinde ein Buch, daß dieses Ereignis feiern soll, in die Hand drückt und dadurch verschweigt, welch ungeheuer große menschliche, sittliche Verfehlungen auch diejenigen, die in den 200 Jahren auf dem Thron der Hohenzollern gesessen haben, begangen haben, der führt zur Unaufrichtigkeit, zum Byzantinismus." [3]

 

Außer der heftig verteidigten Ablehnung der sozialdemokratischen Vertreter gab es geringfügige Einwände in der Stadtverordneten-Versammlung gegen die Vorlage des Magistrats. Sie betrafen den Vorwurf, daß die Schrift den Parlamentsmitgliedern nicht vorgelegt worden war, doch vertraute man sich dem Urteil Kirschners an, der das Buch des Schulrates Fritz Jonas aufgrund seiner ausgewogenen Darstellung ausgewählt hatte, „welche die hervorragenden Thaten der Könige und der Kulturbewegung des Volkes gleichmäßig erkennen läßt und zu weiterem Nachdenken anregt."

Kirschner erklärte, die Idee zur Verteilung dieses Buches sei aus einem „schlichten, einfachen Gedanken" entstanden, der Tradition „zivilisierter und gebildeter Völker" „die Gedenktage großer historischer Ereignisse zu feiern" und verwarf Stadthagens Ablehnung mit den Worten: „Diese Art, Bürgerstolz vor Königsthronen zu zeigen, ist Geschmachssache." [4]

 

„der Herzschlag der preußischen Geschichte"

Der Verfasser der unbekannt-umstrittenen Schrift, Dr. Fritz Jonas, gehörte nach der Meinung des Stadtverordneten Mommsen zu den hervorragendsten Schulinspektoren in Berlin. „200 Jahre Preußische Geschichte. Eine kurzgefaßte Darstellung der Entwickelung Preußens von Friedrich I. bis Kaiser Wilhelm II." hatte er seine Darstellung betitelt, die im Jubiläumsjahr 1901 bei Hofmann & Campe in Berlin erschien.

Jonas verfolgt die zeitübliche historiographische Linie einer konsequenten Entwicklung Preußens „aus kleinen Anfängen zur Großmacht und zum führenden Staate in Deutschland", dessen „eigentliche(r) Begründer" Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, und dessen Vollender Wilhelm I. gewesen sei - unter der diplomatischen Regie und den patriotischen Zielen des preußischen Ministerpräsidenten und deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck.

 

Der rote Faden der brandenburgisch-preußischen Geschichte oder, wie Jonas formuliert, „der Herzschlag der preußischen Geschichte" [5] sei die Gewissensfreiheit, mit sittlicher Zucht und Gerechtigkeit das Fundament des preußischen Staates bildend. Zwischen der Regierung Kurfürst Friedrich Wilhelms und der „drei ersten Kaiserkönige" handelt Jonas die Epochen der preußischen Könige ihrer Reihenfolge nach ab, selbstverständlich nicht in objektiver Betrachtung, sondern aus dem Blickwinkel des kaisertreuen Patrioten, dennoch mit einem erstaunlichen Maß an offenherziger Kritik, von der einige Beispiele aufgeführt werden sollen.

 

Friedrich I. muß die üblichen Vorwürfe einstecken, da er „mit dem üppigen französischen Hofe zu wetteifern suchte, doch lobt ihn der Historiker, da er über die Pracht die Würde nicht vergaß und dieser Ausdruck verlieh: da er von Gottes Gnaden König wurde, indem er sich selbst krönte. Doch weder Friedrich I. noch seine Räte, so urteilt Jonas, erkannten „die große politische Bedeutung dieser Errungenschaft."

 

Friedrich Wilhelm I., der Nachfolger, den sich der Große Kurfürst gewünscht habe, stellte das Volkswohl über das Wohl des einzelnen. Aber Jonas fragt, „wer denn das wahre Volkswohl richtig erkennen kann und über dasselbe entscheiden soll." In Hinblick auf den unglücklichen Kronprinzen stellt der Autor fest:

„Die geniale Beanlagung Friedrichs II. war eine Mitgift der Vorsehung, zum Charakter ist er unter der Zucht des Vaters erwachsen." [6]

Der patriarchalische Glaube Friedrich Wilhelms I. an das Gottesgnadentum belege sowohl seine Einseitigkeit als auch seine Stärke und rechtfertige damit sein „hartes selbstherrliches Regiment."

 

Friedrich II. wird als Persönlichkeit charakterisiert, deren hervorragende Eigenschaften als Summe der Ahnen erscheinen:

„Tatkraft und staatsmännischer Weitblick" vererbte ihm der Urgroßvater, „Wissenstrieb und Kunstliebe" die Großmutter, „nüchternen Verstand und zähe Willenskraft" der Vater. Zur Pressefreiheit unter Friedrich II. heißt es, daß aber „die Gazetten zunächst trotzdem nicht interessant" wurden, „weil sich auch in der aufgeklärten Despotie kein reges politisches Leben entwickeln kann."

Die Verachtung Friedrichs II. für die deutsche Literatur kommentiert Jonas mit den Worten:

„Die deutsche Muse ging von seinem Throne schutzlos und ungeehrt und hat sich ihren Wert selbst erschaffen." Mit „rücksichtsloser Strenge" habe der König regiert, „und wie warm sein Volk ihn bewunderte, es fürchtete den harten Mann mit seinem durchbohrenden Blick und seinen wortkargen, lakonisch kurzen Befehlen und Entscheidungen." [7]

 

Scharfe Kritik, der härteste Vorwurf von allen, trifft Friedrich Wilhelm II.:

„Auf den thatenreichsten König aus dem Hause Hohenzollern folgte der unbedeutendste." So erstaunt der Schlußsatz nicht: „Zum Heile des Staates dauerte die Regierung Friedrich Wilhelms nicht lange." [8]

 

Mit Wärme wird der Charakter Friedrich Wilhelms III. geschildert, der politisch versagt habe, so aber dem Volk Gelegenheit gegeben habe, sich zu bewähren,27 denn:

„Man war eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen und furchtbar durch ein Gottesgericht geweckt worden." [9]

In der Schilderung der Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. würdigt Jonas erstmals Staatsmänner und militärische Befehlshaber außerhalb der Hohenzollern-Dynastie, den Freiherrn vom und zum Stein, „der eigentliche Neubegründer des Staates", Scharnhorst und Blücher und Humboldt. Hardenberg fehlt.

 

Ein dezidiertes Bild gibt Jonas von Wilhelm I., dem der ungleich größere Teil des letzten Kapitels, „Preußen unter den drei ersten Kaiserkönigen" gewidmet ist. „Durch und durch soldatischer Natur" interessierten den ersten deutschen Kaiser die inneren Angelegenheiten des Staates wenig. Die Charakterisierung des Ministerpräsidenten und Kanzlers an seiner Seite gipfelt in den Worten: „So wuchs er (Wilhelm I.) aus dem Genius seines großen Ministers hervor."

In der Summe aber glichen Stärken und Mängel des Kaisers einander aus:

„Wilhelm I. war nicht groß an schöpferischer Kraft, aber er war groß an Gesinnung und Königlicher Würde." [10] Friedrich III. weiß Jonas bloß zu loben. Wilhelm II. wird pietätvoll nach zwei Seiten Text als „ein nimmermüder Protektor der Künste" und „ein echter Hohenzoller" in die Zukunft entlassen - wie auch die nun vollends verunsicherten Leser -, für die Jonas wünscht, daß nach der Einigung des Reiches auch das Volk „innigst einig" werde.

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