Das Edikt von Potsdam, 1685

Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst, die Toleranz in Brandenburg-Preußen und die Hugenotten

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fw1Kurfürst Friedrich Wilhelm nickt zufrieden. Die Geheimen Räte Paul von Fuchs und Joachim Ernst von Grumbkow haben gute Arbeit geleistet. Der Kurfürst hält sein "Chur-Brandenburgisches Edict" in den Händen, das den in Frankreich verfolgten Calvinisten, Hugenotten genannt, Hilfe in höchster Not verkündet.

 

Vieler Tage und Abende Gespräche sind in das Konzept des Geheimen Kammersekretärs Rüdiger von Ilgen eingeflossen. 14 Artikel enthält das Edikt, wohl durchdacht, die den französischen Flüchtlingen Zuflucht und Zukunft in Brandenburg-Preußen anbieten.

Samuel von Pufendorf hat seinem Kurfürsten immer wieder vorgetragen, daß die Menschen von Natur aus Rechte haben, daß dieses Naturrecht die gleiche Gültigkeit habe für Juden, Türken und Christen aller Konfessionen.

 

Relief CalvinSchließlich hat der Rechtswissenschaftler den Fürsten von diesem Menschenrecht überzeugt. Er darf nicht zurückstehen. Das müssen auch die lutherischen Untertanen akzeptieren.

Der reformierte Kurfürst Karl II. von der Pfalz reagiert mit einem Solidaritätsedikt auf die Fluchtwelle aus Frankreich. Herzog Georg Wilhelm in Celle bietet ihnen sein lutherisches Herzogtum als neue Heimat an.

 

Der Kurfürst will seinen Glaubensgenossen beistehen, die Mark Brandenburg hat viele Menschen verloren im Dreißigjährigen Krieg, auch in Pommern und im herzoglichen Preußen fehlen seitdem tüchtige Leute. Das Edikt von Potsdam wird dem Großen Kurfürsten nach siegreichen Schlachten nun friedlichen Ruhm einbringen. Der Brandenburger garantiert den Bedrängten "eine sichere und freye retraite in alle Unsere Lande und Provincien."

 

Gleiche Rechte für die Flüchtlinge

Das Edikt von Potsdam gewährt den französischen Glaubensgenossen Asyl und geht weit darüber hinaus. In Amsterdam, Köln am Rhein und Frankfurt am Main erwarten kurfürstliche Beamte die Emigranten, versorgen sie mit Geld, Reisepässen, Schiffspassagen nach Kleve und Hamburg und Dingen des täglichen Bedarfs.
Artikel 3 zählt die kurfürstlichen Länder auf und ermuntert die Flüchtlinge, ihre Wahl zu treffen.
In Stendal, Werben, Rathenow wie auch in Magdeburg und Königsberg sei gut zu leben, gebe es alle Bequemlichkeiten, um den Lebensunterhalt zu verdienen und Gewerbe zu betreiben. Brandenburg-Preußen braucht Handwerker und Manufakturisten, und so verkündet der Kurfürst, daß die Glaubensgenossen nicht nur all ihr Hab und Gut, sondern auch Kaufmannswaren mitbringen dürfen, ohne Zoll und andere Auflagen fürchten zu müssen.

 

Frz Dom Relief Kurfuerst

In den Städten wird man ihnen verlassene und ruinierte Hausstellen übergeben, Holz, Mauerstein und Kalk heranschaffen, daß sie ihre Wohnstätten herrichten. Der Kurfürst wird ihnen diese Häuser überlassen und obendrein Gärten, Wiesen und Äcker. Und - als sei das nicht genug der landesherrlchen Güte - garantiert das Edikt sechsjährige Freiheit von Abgaben und Einquartierung. Wer mag, soll auch ein neues Haus errichten. Manufakturen des Textilgewerbes sind erwünscht, Gärtner und Bauern sollen Land und Gerätschaften zur Kultivierung erhalten.

Sollen sie "auch durchgehends auf gleiche Art und Weise wie Unsere eigene angehörige Unthertanen gehalten und tractiret wissen wollen."

Allen Flüchtlingen bietet Kurfürst Friedrich Wilhelm die rechtliche Gleichstellung mit seinen Untertanen an. Die reformierten Franzosen sollen in Brandenburg-Preußen ihren Gottesdienst abhalten können wie in ihrer Heimat: in ihrer Muttersprache Französisch wird der französische reformierte Prediger an einem eigenen Gottesdienstort zu der Gemeinde sprechen. Sie werden die einfache Gerichtsbarkeit durch einen Schiedsrichter aus den eigenen Reihen ausüben. Dem Adel öffnet der Kurfürst alle Militär-, Hof- und Staatsämter.


1661 besteigt Ludwig XIV. in Paris den Thron. Der "allerkatholischste König" gibt die Parole aus "un roi, une loi, une foi" . Ein König, ein Gesetz, ein Glauben. Die Calvinisten im Königreich stören seine Ordnung. Als die staatlichen Schikanen erfolglos bleiben, greift Ludwig XIV. zu offener Gewalt und legitimiert sie mit dem Edikt von Fontainebleau, das die Religionsfreiheit aufhebt. Der König läßt zwei Millionen Menschen mißhandeln. Ihre Kirchen werden zerstört, ihre Ehen aufgelöst, die Prediger aus dem Land gejagt. Den Gläubigen ist es verboten, Frankreich zu verlassen. Wer nicht konvertiert, ist zum Tode verurteilt. Mindestens eine halbe Million Menschen fliehen, nicht alle Flüchtlinge erreichen die Landesgrenze und ein sicheres Ziel.

 

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17 000 neue BrandenburgerInnen

Fast 17 000 Menschen folgen dem Aufruf des Kurfürsten von Brandenburg. 45 französische Kolonien entstehen.
Im Jahr 1700 sind ein Fünftel der Berliner Bevölkerung Reformierte französischer Nation. Friedrich III. läßt die Kolonisten jährlich zählen (Dok. 2). Sein Vater und er benötigen viel Geld, um die Versprechen einzuhalten. Sie rufen die Einheimischen zu Solidarität auf. Aber die Menschen sind verarmt und nicht sehr spendenwillig. Die folgende Zwangskollekte stärkt nur ihre Ablehnung. So manche Kleinstadt verliert ihre Neusiedler dadurch.


Die Kurfürsten ringen um Verständnis, Recht brechen wollen sie nicht. Ihre Untertanen fürchten die Hugenotten zu Recht. Die Privilegien stellen sie besser, ihre Handwerkskunst ist differenzierter, ihre Erzeugnisse sind moderner. Dennoch gelingt nur Wenigen eine große Karriere. Wie mühsam sie sein kann, erfährt noch der berühmteste Hugenotten-Nachfahre, Theodor Fontane.
Letztlich setzt sich die staatlich verordnete Toleranz durch. Ab 1705 sinkt die Mitgliederzahl der
französisch-reformierten Kirche. Mitte des 18. Jahrhunderts setzt die asymmetrische Zweisprachigkeit ein: Man liest Französisch und spricht Deutsch, in der Mark durchsetzt mit plattdeutschen Ausdrücken.
Mit dem Siebenjährigen Krieg 1756 erwacht in den "Franzosen" der preußische Patriotismus. Dankbar erinnern sie sich 1785 ihrer Aufnahme. Eduard Muret beschreibt die Geschichte der Réfugiés und Daniel Chodowiecki illustriert sie - mit zweisprachigen Untertiteln.

 

"on dit gegangen, gegangen, nicht jelofen -"

Die Freude am Sprachspiel bringen die Geschichten um Madame Du Titre (1748 - 1827), Marie Anne Du Titre, geborene George, zum Ausdruck.
Etwa in der Anekdote von der Abfuhr, die Madame ihrer Gesellschaftsdame an einem schönen Wintertage Unter den Linden erteilte, ist sie überliefert: Mit lauter Stimme erzählte Madame, wo sie am Vormittage schon überall Besuche gemacht habe:

"Denken Se sich, Liebeken, von de B. bin ick zu de D. jelofen, und von de D. bin ick zu de M. jelofen, und denn bin ick wieder zu de F. jelofen und von de F. bin ick zu de K. jelofen, und wie ick so jelofen bin - "
- "Aber Madame Du Titre", flüsterte die Begleiterin, "on dit gegangen, gegangen, nicht jelofen -".

Aber da legte die alte Dame los:

"Wat, gegangen, gegangen? Mamsellken, ick bin jelofen, jelofen und ick habe den reichen Du Titre gekriegt - und Sie sind gegangen und gegangen und haben noch keinen nich gekriegt. Also is jelofen besser wie gegangen, merken Sie sich das!" -

 

Gerhild H. M. Komander

 
Weblinks

Informationen zum Hugenottenmuseum in Berlin gibt es bei der Französischen Friedrichstadtkirche.

Das Hugenottenmuseum Karlshafen bietet die Gesetzestexte als Pdf-Dateien.

 

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