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... aus tiefstem Elend aufgerichtet

Die zwischen huldvoller Devotion und historisch begründetem Selbstbewußtsein verfaßte Adresse der Vertreter der Provinz Ostpreußen an Wilhelm II. ist im Wortlaut erhalten. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" übernahm den Text der „Königsberger Hartung'schen Zeitung":

„Wenn am heutigen Jubel- und Festtage die Geschichte der letzten 200 Jahre Hohenzollernschen Schaffens und Kämpfens an Eurer Majestät inneren Auge vorüberzieht, so muß die stolzeste Genugthuung Eurer Majestät Herz erfüllen, das Scepter eines Reiches in fester Hand zu halten, welches durch der Ahnen zähe Beharrlichkeit begründet, durch weise Sparsamkeit wehrhaft gemacht, durch hohen Wagemuth gegen Feinde ringsum siegreich behauptet und erweitert, aus tiefstem Elend durch des Fürsten und des Volkes Gottvertrauen nach siegreichem Kampfe wieder aufgerichtet und endlich in ungeahntem Glanze zum geeinten Deutschen Reich geworden ist.
Wir Ostpreußen aber stehen hier aus einem geschichtlichen Rechte. Denn Gottes gnädige Führung hat unser Land gewürdigt, dem neuen Königreich den Namen geben zu dürfen! (...)".

Des Kaisers Antwort an die Deputierten veröffentlichte der „Deutsche Reichs- und Königlich Preußische Staats-Anzeiger". Nach einer allgemeinen Danksagung und einer Huldigung auf Friedrich II. richtete Wilhelm II. das Wort direkt an die Vertreter der Provinz Ostpreußen:

„Sie aber, des Stammlandes des Königthums und der alten Krönungsstadt Vertreter, am heutigen Tage hier zu sehen, gereicht Mir zur besonderen Freude."

Auch Wilhelm II. sprach von der Zeit der napoleonischen Kriege, „jenen Jahren der herbsten Prüfung", in denen es die Ostpreußen waren, „in deren Haus und Herzen die königliche Familie sicher ruhte", und nicht genug: "die Ostpreußen wiederum waren es, die, als die Morgenröthe einer besseren Zeit anbrach, vorangingen in einer vaterländischen Erhebung, wie sie reiner, edler, opferbereiter die Welt nicht gesehen!"
Ergriffen dankte Wilhelm II. für dieses geschichtliche „Denkmal fester wie Erz" und beschwor:

„Treue um Treue! Dankbar werd Ich allzeit im Herzen halten, was die Provinz für König und Vaterland gethan hat, und gern ihr Meine Landesväterliche Huld und Fürsorge gewähren. So entbiete Ich Ihr auch heute Meinen Dank und Königlichen Gruß und ersuche Sie, geehrte Herren, dies allen denen kund zu thun, die Sie entsandt haben!"

Der Name der Königin Luise, der populärsten Gestalt des Hauses Hohenzollern nach Friedrich II. bis in unsere Zeit, fiel nicht.

„Nach stolzen und ergreifenden Reden, bedeutungsschweren und symbolischen Handlungen klang das 200. Fest des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler beschaulich aus. Nachmittags um 4 Uhr unternahm der Kaiser eine Ausfahrt durch den Thiergarten, über den Kurfürstendamm bis nach Halensee und kehrte durch die bereits in Illumination begriffene Straße Unter den Linden zurück. Bei der Abendtafel speiste das Kaiserpaar allein." [40]

Die „Illumination" Berlins leitete über zu den Festlichkeiten des Jubiläums der preußischen Krone am 18. Januar.

 

Das Krönungsfest am 18. Januar 1901

Die Illumination der Stadt, die Weine wahrhaft glänzende" war und die „innige Antheilnahme der Bevölkerung an dem Feste" bekundete [41], hatte Wilhelm II. befohlen. Er richtete einen Erlaß an das Staatsministerium, der auch den weiteren Festschmuck Berlins betraf, und ordnete an, daß

„die Staatsgebäude beflaggt werden und daß an allen Orten, in denen am 18. Januar 1901 aus Anlaß dieser Gedenkfeier eine allgemeine Illumination stattfindet, die fiskalischen Gebäude, soweit sie nicht als Dienstwohnungen benutzt werden oder nach ihrer Zweckbestimmung zur Beleuchtung ungeeignet sind, für Rechnung des Staates erleuchtet und die bezüglichen Kosten aus dem betreffenden Büreaubedürfnißfonds angewiesen werden, wogegen die Kosten der Erleuchtung der Dienstwohnungen von den Inhabern derselben zu tragen sind." [42]

Die alljährliche Illumination anläßlich des kaiserlichen Geburtstages am 27. Januar sollte dafür „in Wegfall kommen." [43]

 

Im Eifer des monarchischen Enthusiasmus

Die kaiserlichen Instruktionen wurden über Gebühr befolgt. Klagen über die Verpflichtung zum Festschmuck waren nicht zu hören. Besonders herausgeputzt hatte man das Berliner Schloß und dessen Umgebung. Begeistert schrieb der „Deutsche Reichs- und Königlich Preußische Staatsanzeiger", daß am Schloß „die Portalbauten der Lustgartenseite vom magischen Licht elektrischer Reflektoren übergossen" wurden. „Auch der Adler an der Ecke der Schloßterrasse erstrahlte in goldigem Glanze." Im Eifer des monarchischen Enthusiasmus erhielt das Schloß gar „Zinnen", von denen Scheinwerfer „blendendes Licht auf das Denkmal Kaiser Wilhelms I." warfen.

Die Freude über besondere Lichteffekte, auch durch technische Neuheiten, scheint kaum gebändigt worden sein zu können:

„In der Säulenhalle des Alten Museums verbreiteten elektrische Bogenlampen wahre Tageshelle, auf der Rampe der Nationalgalerie loderten bengalische Flammen, über das Wasser herüber erglänzte das Licht der zahlreichen Kerzen, die in die Fenster des Zeughauses und der Kommandantur gestellt waren."

Die Illumination des Opern- und des Schauspielhauses tat sich „ganz neu und eigenartig" durch „Rohrleitungen mit Schlitzen" in den Säulenhallen hervor, „aus denen Wasserdämpfe emporstiegen, die magisch roth beleuchtet wurden durch die Lichtfülle, die die hinter den Säulen verborgenen Bogenlampen ausstrahlten". „Dreifach flammende" Leuchtlinien im Portale, Lichtpyramiden und „farbige Flammen" auf den öffentlichen Gebäuden begeisterten Journalisten und Bevölkerung. Die Botschaften und Gesandtschaften hatten die Flaggen ihrer Länder aufziehen lassen.

 

In freudigem Staunen kam das Volk auf seine Rechnung

Auch privater Initiative war ein festlicher Schmuck der Stadt über das engere Zentrum hinaus zu verdanken: „allen voran die großen Bankinstitute, Geschäfts- und Waarenhäuser Unter den Linden, Friedrichstraße, Leipziger Straße und deren Umgebung, in welcher sich hauptsächlich eine festesfrohe und schaulustige Menge bewegte." Die Lichtdekorationen dehnten sich bis in abgelegenere Straßen und Stadtteile, sogar in die Vorstädte Berlins aus, „wo man allenthalben erhellte Wohnungen und erleuchtete Schaufenster bemerken konnte." [44]
Einzig der „Vorwärts" äußerte Kritik und spottete:

„Im freudigen Staunen kam das Volk vollends auf seine Rechnung. Die öffentlichen Gebäude nämlich strahlten genau nach amtlicher Vorschrift in begeistertem Lichtschmuck und ebenso hatten die großen Geschäftsinhaber ihr Spesenkonto durch Ausgaben für Flaggen und elektrische Lichteffekte erheblich belastet." [45]

Solche Diskrepanz in Erleben und Berichterstattung öffentlicher Feiern ist an sich nichts Besonderes und setzt sich bis in die Gegenwart fort.
Am Ehrentag der preußischen Krone schien die ganze Stadt auf den Beinen zu sein. „Von der Wilhelmstraße die Linden hinab bis zum Königlichen Schloße hatte das Publikum Spalier gebildet, denn es gab viel zu sehen." Spielten sich auch die eigentlichen feierlichen Akte des Krönungsfestes hinter den dem Volk verschlossenen Türen ab, mußten „Schutzleute zu Fuß" die Linien und „Berittene" die Straßen für die an- und abfahrenden Festgäste freihalten. [46]" Brot und Spiele" für das Volk verfehlten auch bei diesem Anlaß ihre Wirkung nicht.

Der Tag hatte für den Kaiser mit Kranzniederlegungen begonnen. Um viertel vor neun in der Früh begab sich Wilhelm II. zur Siegesallee, legte am Denkmal Friedrichs I. einen Kranz nieder und fuhr nach Charlottenburg zum Mausoleum, um hier seinen Großvater Wilhelm I. zu ehren. Es folgten dann die Empfänge für die geladenen Gäste im Berliner Schloß.
Die Stadt Königsberg hatte ihren Oberbürgermeister Hoffmann in Begleitung der beiden Vorsteher der Stadtverordneten-Versammlung nach Berlin entsandt, um dem Kaiser eine „Votivtafel" zu überreichen. Gleichzeitig gab man bekannt, daß die städtischen Körperschaften anläßlich des Kronjubiläums 10 000 Mark zu Festgeschenken von zwei und drei Mark an die Empfänger von Armengeldern ausgeben wolle. [47]

Die Votivtafel zeigte über dem Wappen der Stadt Königsberg den preußischen Adler, der sich mit ausgebreiteten Schwingen über dem Albrechtsbau des Königsberger Schlosses links und dem Berliner Schloß mit dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal rechts erhob. Aus dem Adler „gleichsam herauswachsend baut sich das Königthum auf, zunächst verkörpert in der Gestalt Friedrichs I. nach dem Denkmal von Schlüter ." Rechts und links rahmten Medaillons die Porträts Wilhelms I. und Wilhelms II. Die obere Inschrift lautete: „1701. 18. Januar. 1901. Krönungsjubiläum."

Schwarzer Adlerorden, Königs- und Kaiserkrone sowie in sechs Medaillons die übrigen preußischen Könige zierten die rechteckige, farbig gefaßte Tafel. Eine zweite Inschrift enthielt die Widmung an Wilhelm II.: „Seiner Majestät dem deutschen Kaiser und König von Preußen Wilhelm II. huldigt in Ehrfurcht am 200. Gedenktage der ersten Königskrönung die Stadt Königsberg." [48]

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