Deutsch-französische Begegnung

Max Bills letztes Werk in Berlin

 

Manchmal werden Denkmäler tatsächlich zu Erinnerungsmalen. Die strenge Granitskulptur „Berlin dankt Frankreich“ von Max Bill am Kurt-Schumacher-Damm vor der Julius-Leber-Kaserne im Wedding ist solch ein Beispiel. Fast vier Jahrzehnte waren französische Truppen als Teil der alliierten Besatzungsmächte im Wedding und in Reinickendorf stationiert. Aus der Besatzungsmacht wurde eine Schutzmacht. Dann wurden Franzosen und Deutsche Freunde.

Dieser Weg war keineswegs vorgezeichnet. Auf eine kurze Zeit restriktiver Besatzungspolitik, hinter der die von Charles de Gaulle vertretene Position der deutsch-französischen „Erbfeindschaft“ stand, folgte eine kontinuierliche Lockerung der Beschränkungen. Der neue Ministerpräsident Frankreichs, der Sozialist Léon Blum, vertrat den Standpunkt deutsch-französischer Aussöhnung.

Unter dem Eindruck der Berlin-Blockade 1948/49, der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 und der sich daran anschließenden Annäherung der Bundesrepublik an Frankreich änderte sich die Politik der französischen Militärverwaltung nachhaltig. 1951 beendeten die westlichen Alliierten offiziell den Kriegszustand mit Deutschland. Frankreich unterzeichnete den Vertrag am 13. Juli des Jahres.

Die Pariser Verträge von 1954 bestätigten die Souveränität Deutschlands und hoben die Besatzung der Westalliierten auf. Seit dem 5. Mai 1955 waren die Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs als Schutzmächte in der Bundesrepublik und in West-Berlin stationiert. Einen Höhepunkt in den deutsch-französischen Beziehungen bedeutete 1963 der Abschluss des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrages. Er war von großer Wirkung auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen im französischen Sektor Berlins.

Der französische Stadtkommandant General Jean Ganeval bemühte sich ausdrücklich um Verständigung und setzte vielfältige Initiativen in Gang, um kulturelle Kontakte zwischen der deutschen Bevölkerung ihres Sektors und den Angehörigen der französischen Garnison herzustellen. Mittelpunkt der deutsch-französischen Begegnung war in den folgenden Jahrzehnten das auf Betreiben von Charles Corcelle gegründete Centre Culturel Français in der Müllerstraße 74.

Der Ausbau des Kulturzentrums gab der Bevölkerung die Möglichkeit, sich über Frankreich und die französische Kultur zu informieren.
Hier fanden Schüler und Studenten des deutsch-französischen Austauschprogramms und Angehörige anderer Institutionen Unterkunft. Viele Bürgerinnen und Bürger erlernten im Centre, das auch zahlreiche Ausstellungen zeigte, die französische Sprache. 1971 öffnete erstmals das Quartier Napoléon seine Pforten zum „Tag der offenen Tür“, eine bei der Bevölkerung West-Berlins beliebte Veranstaltung, die 23 Jahre lang ein fester Bestandteil der deutsch-französischen Begegnungen war.

Schon 1962 hatte Willy Brandt die Meinung geäußert, die Franzosen und Berlin, das wäre ein glückliches Kapitel der Geschichte der Stadt. Es ist ihm - abgesehen von der napoleonischen Episode - beizupflichten. Mit einem Denkmal bedankte sich Berlin bei den Franzosen. Der Schweizer Maler, Bildhauer und Graphiker Max Bill (1908-1994) schuf es. Mit dem schlichten Titel „Berlin dankt Frankreich“ wurde das Ehrenmal am 7. September 1994 in Anwesenheit des Künstlers enthüllt.

Auf der bronzenen Tafel des Denkmals ist zu lesen: „Errichtet zu Ehren der von 1945 bis 1994 in Berlin stationierten französischen Streitkräfte. Standfest gegenüber jeder Bedrohung, schützten sie den Aufbau unserer Demokratie und sicherten sie unsere Freiheit. Berlin dankt Frankreich.“

Polierte Granitblöcke in fünf Farben, den deutschen und französischen Nationalfarben, liegend und stehend miteinander verbunden und im Quadrat aufgestellt, symbolisieren in der Form von „Toren und Bänken“ nach der Aussage Max Bills die französischen Errungenschaften der Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit, der Freiheit und der Gleichheit. Aus Afrika stammt der schwarze Stein, aus Brasilien der blaue. Weißer Granit wurde aus Italien und Spanien herbeigeschafft, roter aus Skandinavien, der gelbe aus Deutschland.

 

Gerhild H. M. Komander

Der Text erschien zuerst im "Berliner Lindenblatt" Mai 2008.

 

Ausstellung zum 100. Geburtstag von Max Bill

Max Bill: Aspekte seines Werkes. Architektur, Design, Typografie
28. Mai bis 25. August 2008
Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung, Klingelhöferstraße 14, Tiergarten
Telefon: 25 40 02 0

Öffnungszeiten
Das Museum ist von Mittwoch bis Montag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Dienstags ist geschlossen.

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