Seien Sie des Königs Gast!

Weißer Saal und Goldene Galerie Friedrichs des Großen im Schloss Charlottenburg

 

Weiß, Gold, Wassergrün, Rosa: In den Festsälen des Königs im Schloss Charlottenburg tanzen nur noch die Rocaillen – und die Kinder, Putti genannt, spielerisch, in gelassener Heiterkeit.

 

CH1Im Weißen Saal tanzen und spielen sie durch die vier Jahreszeiten, bringen die Ernte ein, mähen die Ähren reifen Getreides, binden die Gaben und rücken zwischendurch den kecken Strohhut zurecht. Hier werden Trauben und Feigen gepflückt, dort wird dem starken Wind getrotzt und ein Zelt befestigt.

 

Keine Szene gleicht der anderen, ihre fröhliche Asymmetrie bändigt allein der Rahmen, aber sachte, ganz zart umschließt sie ein Rahmen aus Rocaillen, Treillagen, Muscheln und Ziergittern.

 

Herkules auf dem Kaminsims

In dunkler Bronze ringt Herkules mit der Schlange, ein Knabe noch und deshalb passt er so gut zur Rokokophantasie, die die kindliche Gestalt liebt und verehrt.

Herkules, der sein Abenteuer auf dem Kaminsims des Weißen Saales Friedrichs des Großen besteht, ist aber sehr viel älter als die Putti des Königs, nicht Herkules selbst, sondern diese Bronzeskulptur, die aus der Schule des Algardi und damit aus dem 17. Jahrhundert stammt.

 

CH2Die großen, formbildenden Rocaillen 

Der Blick auf den ringenden Knaben lenkt das Auge auch auf den ornamentierten Spiegelrahmen, der die östliche Schmalseite des Raumes zwischen den Türen bedeckt.

Auf den großen, formbildenden Rocaillen liegen ganz und gar naturalistische Muscheln, Schneckengehäuse, Korallenbruch, Blüten und Trauben am Stiel – charakteristisch für das friederizianische Rokoko.

Die feuervergoldeten Wandleuchter, mal Blaker, mal Branchen genannt, deren Oberfläche etwas weniger rot schimmert als die des Spiegelrahmens, reichen mit vier gewundenen Armen in den Raum hinein. Kerzen flackern und blaken hier lange nicht mehr.

 

Spiel und Verwandlung

CH3Spiel und Verwandlung, das liebte das Rokoko. Die Türen des Weißen Saales haben (wie jede Tür) zwei Seiten. Im Rokokosaal wird auch die Tür zur Bühne, beidseitig.

Ihre östlichen Rückseiten gehören zur Goldenen Galerie, die zur Zeit Friedrichs des Großen Große Galerie hieß. Dieser Raum hatte eine andere Funktion und erhielt eine deutlich unterschiedene Dekoration. Und überhaupt:

Das Rokoko kennt keine banalen Wiederholungen, Reihungen, aber Spiegelungen. Die Sitzmöbel werden in Serie gefertigt, gelegentlich, doch sie sind sekundäre Ausstattungsstücke.

 

Liebespaare in zärtlichster Intimität

Also, ein neues Thema für die Bildinseln der Türen ...
Paare, heterogene Liebespaare in zärtlichster Intimität, begleitet von üppigen Fruchtkörben, Frauenpaare, die dem musizierenden Schäfer lauschen. Die Galerie ist ein einzigartiger Raum.

Auf grünem Grund bis in den Deckenspiegel (dort mischt sich Rosa in die Gitterdekore) ranken Rocaillen, schaffen Bildszenen, auf den ersten Blick nicht fassbar, ungeordnet, doch liegt dem Ganzen eine Ordnung zugrunde.

 

CH4Elf Fensterachsen zu beiden Langseiten, als Türen zu öffnen, weshalb man auch von Fenstertüren spricht, Spiegel und Stuckornament alternieren auf den Wandflächen, bestehend aus Rocaillen und Muscheln, Früchten und Blüten, ganze Pflanzen und Reiher, Musikinstrumenten, Masken und musizierenden Putti, daraus bestehen die Wände.

 

Der Bildhauer

Die Profile des Gesimses überfangen üppige Ranken, die die Knaben im Spiel verteilten. Niemand ruft sie zur Ordnung.

Fast scheint es, als hätte Johann August Nahl, der all die Schönheit schuf, Kinder, Muscheln und Girlanden wahrhaftig vor sich gehabt, als sei es ihm gelungen, das übermütige Treiben im Stuck einzufrieren.

 

CH5Flora, die die überbordende Fülle ermöglicht, und Zephir, der sanfte Westwind, jedenfalls, die im Süden und Westen über den Kaminen thronen, stört das alles nicht.

 

Sie wachen über den Hainbuchenpavillon im königlichen Schloss, der im Park keinen Halt fände, denn immer wieder lösen sich die stützenden Architekturen auf.

 

Zu Lebzeiten Friedrichs des Großen waren alle die großen Fenster mit Spiegelglas versehen, so dass sich der Saal fortwährend in sich selbst spiegelte, da war an Realität nicht zu denken.

 

Gerhild H. M. Komander

 

Der Text erschien zuerst im "Berliner Lindenblatt" 2008.

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