Telefon1881Das erste Berliner Telefonbuch schreibt Berliner Geschichte

125 Jahre  Telefonbuchgeschichte

 

Vom „Buch der Narren“

 

zum schlichten, prägnanten Markenzeichen „DasTelefonbuch“, von 187 Einträgen in einem unscheinbaren Heft mit Pappeinband zu tausenden bis hunderttausenden Namen in kiloschweren Büchern, 125 an der Zahl...

Das deutsche Telefonbuch begleitet seit fünf Generationen eine der wichtigsten technischen Erfindungen, eines der weltweit erfolgreichsten Kommunikationsmedien und Millionen Menschen tagtäglich, das Telefon.

Dieses Buch, das in Berlin mit großer Begeisterung – in kleinem Kreise – zum ersten Mal aufgelegt wurde, erwies sich als wandelbar und unentbehrlich wie kein zweites.

Zum 125. Geburtstag des deutschen Telefonbuchs zählt "DasTelefonbuch" deutschlandweit etwa 32 Millionen Exemplare in 125 Ausgaben, die jährlich von 38 Verlagen gedruckt und kostenlos verteilt werden. Kostenlos war auch das erste Telefonbuch, als es nach der Freigabe des Berliner Telefonnetzes am 12. Januar 1881 an die Fernsprechteilnehmer ausgegeben wurde.


DAS ERSTE DEUTSCHE TELEFONBUCH

Telefon2Und wann genau erschien das erste deutsche Telefonbuch? Telefonbücher bewahrt niemand auf. Sie sind keine Sammelobjekte, sondern vergängliche Gebrauchsgegenstände, die in regelmäßiger Abfolge mit vielen notwendigen Veränderungen in immer neuen Auflagen erscheinen.

Der lückenhafte Bestand der ersten Jahre erschwert die Rekonstruktion der Frühgeschichte des Telefonbuchs.

 

Fest steht, daß das Reichspostamt am 1. Juli 1880 die Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin bat, zwei Mitglieder zu benennen, die als Agenten Fernsprechteilnehmer werben sollten. Der Ingenieur Emil Rathenau war einer der beiden Ausgewählten – der Name des zweiten Agenten ist unbekannt – und bis Ende des Jahres mäßig erfolgreich. Acht Namen enthielt die erste Liste der Fernsprechteilnehmer der am 12. Januar 1881 versuchsweise in Betrieb genommenen Vermittlungsanstalt.

 

Nur „mit sanfter Gewalt“ konnte auch Reichspostminister Heinrich Stephan Bankiers und Unternehmer zur Teilnahme am Fernsprechverkehr bewegen. „Unter Kopfschütteln und mehr aus Gefälligkeit als aus Überzeugung von den zu erwartenden Vorteilen“, so schreibt Oskar Grosse 1917 in seinem Buch „40 Jahre Fernsprecher. Stephan – Siemens – Rathenau“, willigten die Häupter führender Bankhäuser und Firmen ein:

    der Bankier Gerson Bleichröder (Tel. Nr. 7 + 34)
    das Bankgeschäft Jacob Landau (Tel. Nr. 14)
    die Direktion der Disconto-Gesellschaft (Tel. Nr. 23)
    das Bankgeschäft Carl Schlesinger (Tel. Nr. 24)
    die Firma Cäsar Wollheim (Tel. Nr. 35 + 57)
    die Mitteldeutsche Kreditbank (Tel. Nr. 36)
    die Direktion der Großen Berliner Pferdeeisenbahn-Aktiengesellschaft (Tel. Nr. 44)
    und die Deutsche Bank (Tel. Nr. 46).


Emil Rathenau konnte per Rundschreiben an die Börsenbesucher 22 Firmen und Bankhäuser sowie drei Zeitungen, das „Berliner Tageblatt“, die „National-Zeitung“ und den „Berliner Börsen-Courier“ gewinnen. Die Börse selbst beteiligte sich mit neun Anschlüssen.

Damit waren 42 Teilnehmer gewonnen:

    weitere Banken wie Gebrüder Arons
    die Bank für Handel und Industrie
    Cohn, Bürgers &. Co.
    S. Frenkel Goldstein
    Mendelssohn & Cie. und Robert Warschauer
 
    L. & S. Abraham - Gardinen und Möbelstoffe
    die Maschinenbauanstalt Carl Beermann
    die Spedition Brasch & Rothenstein,
    Gebrüder Buhlmann - Posamentierwaren
    Hermann Gerson - Damenmoden
   
    Goschenhofer & Rösicke - Passementerie
    die Buchdruckerei H. S. Hermann
    die Fischbein- und Rohrfabrik Julius Isaac
    der Geheime Kommerzienrat Liebermann
    die Hofbuchdruckerei Wilhelm Möser
   
    Pintus & Co.
    Rathenau & Arnheim - Tuch und Buckskin en gros
    die Eisenwarenhandlung Ravené
    das Reichsamt des Innern
    die Reichsdruckerei
   
    Adolf Salomon & Co. - Leder und Produkte
    Siepermann - Direktor der Internationalen Eisenbahn-Schlafwagengesellschaft
    die Parfümerie Treu & Nuglisch
    Ferdinand Vogts &. Cie. - Zimmereinrichtungen
    die „Vossische Zeitung“.
    Selbstverständlich war der Agent des Postministers, Emil Rathenau, dabei.

 

Sechs weitere Interessenten (oder Bedrängte?) sagten bis April des Jahres zu. Sechs Wochen später ließ Stephan das erste Verzeichnis der Fernsprechteilnehmer an dieselben verschicken.

Es wird mal als „Buch der 99 Narren“, dann als „Buch der 94 Narren“ verspottet. In der Wochenschrift „Deutsche Verkehrs-Zeitung“ nennt Postrat Dr. Martens im Mai 1931 160 Anschlüsse für diese Ausgabe.

Die genaue Zahl der ersten Wagemutigen kennt niemand. Denn von diesem Telefonbuch, das am 14. Juni (!) 1881 erschien, ist kein vollständiges Exemplar erhalten.


DAS VERZEICHNIS DER BEI DER FERNSPRECHEINRICHTUNG BETHEILIGTEN

Diesen Umstand bedauerte bereits 1959 Horst Jaeger in seinem Vorwort zum Faksimiledruck des Deutschen Adreßbuch-Verlags (gedruckt in der Reichsdruckerei Berlin). Deshalb bezeichnen wir heute das „Verzeichniss der bei der Fernsprecheinrichtung Betheiligten“ vom 14. Juli (!) 1881 als das älteste – oder erste – in Deutschland erschienene amtliche Fernsprechbuch. Die Fernsprech-Vermittlungs-Anlage gab das Verzeichnis heraus. Die Reichsdruckerei in der Kreuzberger (damals luisenstädtischen) Oranienstraße (Tel. Nr. 65) druckte es in einer Auflage von 250 Stück.

 

Was erzählt das erste Telefonbuch? Welche Angaben macht es?

An erster Stelle steht die Teilnehmernummer, an zweiter der Name des Teilnehmers oder seiner Firma, an dritter Stand oder Geschäftszweig, an vierter die Adresse. Die Inhalte entsprechen dem der Adreßbücher.

Durch ein Sternchen (*) vor dem Namen in der zweiten Spalte wurden diejenigen Personen- und Firmennamen hervorgehoben, deren Inhaber berechtigt waren, die in der Berliner Börse eingerichteten Fernsprechzellen zu benutzen.

War ein Teilnehmer bereits angemeldet, jedoch nicht angeschlossen, fehlt die Nummer in der ersten Spalte. Sobald neue Teilnehmer sich anmeldeten und bereits angemeldete angeschlossen worden waren, verteilte die Fernsprech-Vermittlungs-Anlage Nachträge an die Kunden.

 

Aktualität hatte Priorität. Mit diesem Prinzip entsprach Heinrich Stephan dem Charakter der neuen Kommunikationstechnik als Echtzeit-Kommunikations-Medium und verfolgte ein strategisches Ziel: möglichst schnell möglichst viele Fernsprechteilnehmer zu gewinnen und miteinander in Beziehung zu setzen. Denn nur ein engmaschiges Telefonnetz konnte die Attraktivität der Telephonie steigern, die dann ihrerseits dazu beitragen würde, das Netz zu verdichten.
In einer dritten Spalte wird die Bezeichnung des Standes oder Geschäftszweiges genannt.

 

Mit dem „Stand“ sind Ehrenbezeichnungen Kommerzienrat (Friedeberg) und Geheimer Kommerzienrat (Bleichröder) gemeint, ebenso die allgemeinen Angaben zur Tätigkeit wie Kaufmann (Croner), Kaufleute (Saust u. Ries), Fabrikbesitzer (Schramm), Fabrikanten (Mohr u. Speyer), aus denen keine detaillierte Kenntnis gewonnen werden kann. Die vierte und letzte Zeile gibt die Wohnung oder das Geschäftslokal an. In vielen Fällen waren Wohn- und Geschäftsort identisch, das heißt sie befanden sich in demselben Gebäude.

Zahlreiche Unternehmer waren gleichzeitig die Eigentümer der von ihnen benutzten Häuser. Der Bankier Oskar Hainauer bestellte zwei Anschlüsse, einen privaten in die Rauchstraße und einen geschäftlichen in die Bank in der Behrenstraße. Andere Geschäftsinhaber wie Julius Löwenstein, der das Indisch-Chinesische Theehaus führte, meldeten das Hauptgeschäft und die Filiale an, aber keine private Adresse. Emil Rathenau ließ sich als Ingenieur unter der Privatadresse Eichhornstraße Nr. 5 eintragen.

 

So spiegelt das erste Telefonbuch das strategische Bemühen des Initiators Stephan um die Ausweitung des Telefonnetzes, das Selbstverständnis der Bankiers, Fabrikanten und Kaufleute und – mit der Adreßzeile - die Ausbreitung des Telefonnetzes zu Beginn der Telephonie. Telefonanschlüsse gab es - spätestens seit dem 14. Juli 1881 – nicht nur im Altstadtkern Berlins, sondern auch in den Industriegebieten in Kreuzberg, Friedrichshain, Weißensee, Tiergarten und im Wedding.

Schon zum sechzigsten Geburtstag des Telefonbuchs war die Existenz der Ausgabe vom Juni 1881 vergessen. Herr Ehlers, Ministerialrat im Reichspostministerium erinnerte in der „Deutschen Post“, Jahrgang 1941, an „60 Jahre Amtliches Fernsprechbuch“. Das Telefonbuch vom Juni 1881 erwähnt er nicht. Doch muß die Telephonie sich schon im Juni 1881 als erfolgreich erwiesen haben, denn das älteste erhaltene Teilnehmerverzeichnis Berlins vom 14. Juli enthält bereits vierhundert Nummern, die allerdings noch nicht zur Hälfte vergeben waren.


NEUE TELEFONBUCHAUFLAGEN

In sehr kurzen Abständen gab das Fernsprechamt dann neue Ausgaben heraus: zwei im August, dann jeweils monatlich ein weiteres Verzeichnis. Offensichtlich waren sich die Verantwortlichen bewußt, wie wichtig ein solches war. Stephan hatte die zugrundeliegende Idee in den Berliner Zeitungen propagiert. Mit jedem neuen Anschluß, so ließ er verlauten, mehre sich der Nutzen und die Bedeutung „der allgemeinen Sprechanstalt“ für die einzelnen Teilnehmer.
Diese mußten in der Lage sein, die Anschlußnummer des gewünschten Gesprächspartners selbst feststellen zu können, um es der Vermittlungsstelle nennen zu können. Die Verbindung zwischen den Teilnehmern erfolgte nach der Nummer der Zielperson. Nach welchem Verfahren die Teilnehmernummern vergeben wurden, läßt sich nicht abschließend ermitteln. Die Behauptung in der Anweisung zum Telefonieren (S. 64/65), der Eingang der Anmeldung habe die Vergabe bestimmt, ist nicht nachvollziehbar.

1882 hatte der Umfang des Telefonbuchs stark zugenommen und man verzichtete auf die Auflistung der Teilnehmer nach der Nummernfolge. Die Mai-Ausgabe aus dem Jahre 1882 enthält 579 Anschlüsse und auf der ersten Seite eine Liste der fünf bestehenden öffentlichen Fernsprechstellen.

 

Die ersten Telefonzellen, wie wir sie heute bezeichnen, befanden sich in den Postämtern: Hofpostamt, Spandauer Straße 19-22; Rohrpostamt, Leipziger Platz 2; Postamt Nr. 24, Oranienburger Straße 35; Postamt Nr. 64, Unter den Linden 5; Postamt Nr. 67 im Central-Vieh-und Schlachthof, Landsberger Allee und Eldenaer Straße in Lichtenberg.

Das Postamt Nr. 64 befand sich an der Stelle des Hotels Bristol, für dessen Neubau es abgerissen wurde. Zwei Häuser weiter (Nr. 7) stand damals das Palais Zar Nikolaus’ I., in der die Russische Botschaft residierte. Alle diese Grundstücke nimmt heute die als Sowjetische Botschaft errichtete Russische Botschaft ein. Außerdem wurde die Öffnung zweier weiterer Fernsprechstellen angekündigt, und zwar beim Postamt Nr. 16, Köpenicker Straße 16 a, und beim Postamt Nr. 61, Hallesches Tor.

Die Gebühr für die einmalige Benutzung des Telefons betrug fünfzig Pfennige – mehr als den Stundenlohn eines Arbeiters.

 

Die Vermehrung der Einträge im Berliner Telefonbuch von 187 zu 579 in einem Zeitraum von zehn Monaten mag auf den ersten Blick nicht erheblich erscheinen. Dieser Eindruck ändert sich, wenn man die Namen der Personen, Firmen und Institutionen sowie die Angaben zu Stand und Geschäftszweig betrachtet.


Welche Teilnehmer waren zwischen Juli 1881 und Mai 1882 hinzugekommen?

Es waren weitere Bankgeschäfte, einheimische wie die Bank des Berliner Kassenvereins, und auswärtige, wie die Banque centrale du commerce et de l’industrie in Paris, die das Büro ihres Repräsentanten S. Bielski Spandauer Brücke 8 mit einem Telefonanschluß ausstatten ließ, und wiederum viele Privatbankiers. Aus den Geschäftszweigen Metall- und Maschinenbau, Chemie, Textilien, Presse und Druck, Transport und Verkehr meldeten sich Interessenten wie zuvor an. Neu hinzu kamen Ärzte, Zahnärzte, Bauräte, Rechtsanwälte, Versicherungsagenten, Restaurateure, Bildhauer und Rentiers.

 

Lebensmittelindustrie und -handel, Produzenten von Heizungs- und Kochanlagen, Schriftgießereien, die Kunsthandlung Lepke, die Königliche Porzellanfabrik (KPM), die Deutsche Kunstgewerbehalle und die Hygiene-Ausstellung wollten dabei sein. Und eine Frau ist unter den Teilnehmern: Die Rentnerin und Witwe „Frau Herm. Levy“. Der Magistrat von Berlin ließ sich an das Telefonnetz anschließen, ebenso das Königliche Eisenbahn-Betriebsamt mit mehreren Dienststellen, die sämtlichen preußischen Ministerien, die Inspektion der Militär-Telegraphie und E. Johanning für die Expedition der Postdampfer nach Amerika.

 

Die Tätigkeiten und Funktionen der seit Juli 1881 hinzugekommenen Fernsprechteilnehmer dokumentieren die weitgefächerte gesellschaftliche Ausbreitung und Verdichtung des neuen Kommunikationsmediums.

Eine Notwendigkeit für das Telefonieren bestand für die meisten Teilnehmer nicht, für das Telefonbuch schon - wenn man telefonieren wollte. Worin hätte die Notwendigkeit beispielsweise für Professor Carl Scheibler, Lehrer an der Königlichen landwirtschaftlichen Hochschule, bestehen sollen, der sich einen Privatanschluß legen ließ? Für viele Firmen und Privatpersonen mag ein gewisser Druck „dabeizusein“ ausschlaggebend gewesen sein, für andere die Neugierde auf die neue Technik.

 

Die Werbewirksamkeit des Telefonbuchs erkannten viele Unternehmer. So ist in der Spalte Stand oder Geschäftszweig die Firma Posnansky u. Strelitz mit folgendem Eintrag vertreten: „Fabrik zur Herstellung der Leroyschen Wärmeschutzmasse zur Verkleidung der Dampfkessel, Rohrleitungen, Centralheizungsanlagen“.

Der Hoflieferant Ehrenhaus läßt nicht bloß die Auszeichnung Hoflieferant anzeigen, sondern auch seine Produkte bis ins Detail: „Stoffe, Gardinen u. Teppiche für Zimmereinrichtungen, Linoleum (Korkteppiche)“. Ähnlich verfährt das Einrichtungshaus Leopold Simonsohn, indem es den Zusatz „Uebernahme ganzer Zimmereinrichtungen“ drucken ließ.

Eigenwerbung der Fernsprechteilnehmer war damals noch im Preis des Telefonanschlusses eingeschlossen. Da das Telefonbuch bis 1915 mindestens zweimal jährlich erschien und Aktualität durch zusätzlich Nachträge gewährleistet wurde, ist die Wirksamkeit der zu Werbeeinträgen ausgeweiteten Standes- und Geschäftszweigangaben nicht zu unterschätzen.


DAS ERSTE BRANCHENVERZEICHNIS

Im Jahr 1888 erhielt das Telefonbuch ein Branchenverzeichnis.
Der alphabetische Eintrag wurde auf eine Zeile gekürzt, um Platz einzusparen. Bereits 1886 hatte das Amtliche Fernsprechverzeichnis für München diese Teilung eingeführt. Hier war die Abteilung der Werbeeinträge mit 57 Seiten sogar um 19 Seiten stärker als diejenige nach dem Alphabet. Bezahlte Werbeeinträge erschienen erst 1892 im Berliner Telefonbuch.

Die Verlagsbuchhandlung Julius Springer übernahm den Druck des Fernsprechbuchs und führte mit der Abteilung III einen eigenen Bereich für Geschäftsanzeigen ein. Für 20 bis 100 Mark druckte der Verlag in seiner ersten Ausgabe 48 Seiten kommerzielle Werbung ab und erzielte einen lohnenden Gewinn. Das Interesse sank jedoch doch schnell wieder, die Anzeigen füllten nur noch 24 Seiten, der Gewinn reichte Springer nicht mehr aus. Er kündigte den Vertrag 1897, und die Reichsdruckerei übernahm erneut den Druck des Berliner Telefonbuchs.


WERBUNG IM TELEFONBUCH

Am 12. April 1910 versandte das Reichs-Postamt an alle Kaiserlichen Ober-Postdirektionen eine neue Regelung für die Werbung in den deutschen Telefonbüchern. Sie hatte zuvor einen Exklusiv-Vertrag mit der Firma Haasenstein & Vogler A. G. in Berlin einen Vertrag geschlossen. Haasenstein & Vogler hatte die Geschäftsanzeigen einzuwerben und die geforderten Geldbeiträge einzuziehen. Die Firma vermittelte die Werbung, besorgte die Klischees und zeichnete für deren Inhalt verantwortlich.

Die Ober-Postdirektionen prüften die Klischeeabzüge und erteilten die Druckfreigabe. Das Reichs-Postamt formulierte genaueste Gestaltungsvorschriften für die Anzeigen, die für sämtliche Telefonbuchausgaben verbindlich waren. Am unteren Seitenrand war in der Breite des Satzspiegels, der 28 mal 17 Centimeter betrug, und in einer Höhe von 16 Millimetern auf jeder Seite Raum für Werbung frei zu lassen. Die dort zuvor gedruckten Hinweise zum telefonieren konnten nun entfallen.

 

Ausgeschlossen von der Werbung blieben das Titelblatt und die Blätter mit Vorbemerkungen und den ausführlichen Anweisungen zum Gebrauch des Fernsprechers. Nachträge und die Teilnehmerverzeichnisse „in den deutschen Schutzgebieten und im Auslande“ durften überhaupt keine Werbung enthalten. Das Reichs-Postamt legte auch die Größe und Preise der Geschäftsanzeigen fest. Die Preise unterschieden sich nach Einbanddeckel und Blattseiten und bewegten sich zwischen 45 und 1000 Mark für eine Größe von einem Drittel der Satzspiegelbreite und einer ganzen Seite des Einbanddeckels. Für das kleinere Format 23,5 mal 12 Centimeter staffelten sich die Preise von 25 bis 300 Mark.

 

FeigPinkuss 566


AUFLAGEN DES TELEFONBUCHS

Von 1884 bis 1906 war die Zahl der Fernsprechanschlüsse in der Oberpostdirektion (OPD) Berlin von 2 257 auf 110 000 gestiegen, in der OPD Hamburg von 1 314 auf 48 000, in der OPD Darmstadt von 78 auf 12 000, in der OPD Minden/Westfalen von 47 (1887) auf 6 000. Diese Zahlen sind relevant für die Auflagenhöhe der Telefonbücher in den Regionen (die mehr Orte als die genannte Stadt umfaßten). Das Telefonbuch konnte zu allen Zeiten auch käuflich erworben werden.

Deshalb war die Auflage stets etwas höher als die Zahl der Anschlüsse. 1883 kostete das Berliner Telefonbuch 0,40 Mark, 1911 2,20 Mark. Im Jahre 1910 war die Zahl der Fernsprechstellen im Deutschen Reich auf 908 000 gestiegen. Vielleicht hatte das Telefonbuch die Millionengrenze schon erreicht, wenn nicht, dann mit Sicherheit im nächsten Jahr.

 

1911 zählte das Reichspostamt eine Million Telefonanschlüsse. Das Telefonbuch der Oberpostdirektion Berlin erreichte 1941 eine Auflage von 450 000 Exemplaren mit je 1 478 Seiten. Im Jahr zuvor waren in der Reichshauptstadt 307 288 Telefonanschlüsse gezählt worden. Die hohe Differenz zwischen der Zahl der Anschlüsse in Berlin und der Auflage ergibt sich daraus, daß das Berliner Telefonbuch zahlreiche Vororte und Nachbarorte einbezog.


TELEFONBÜCHER IM DEUTSCHEN REICH

Erst im Jahre 1883 war das zweite deutsche Telefonbuch erschienen: Das „Verzeichnis der Telephon-Abonnenten für Bayern“ hatte mit 57 Seiten etwas mehr Umfang als das Telefonbuch der Reichshauptstadt von 1882. In demselben Jahr erhielt Potsdam ein Fernsprechamt. Die Teilnehmer wurden ebenfalls im Berliner Telefonbuch angezeigt.

 

1884 waren alle großen Städte im Deutschen Reich mit einem eigenen Stadt-Fernsprechnetz ausgestattet, das jeweils die Vororte und Nachbarorte einschloß. Es waren die Oberpostdirektionen Aachen, Arnsberg, Braunschweig, Bremen, Breslau, Bromberg, Danzig, Darmstadt, Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt/Main, Frankfurt/Oder, Gumbinnen, Halle/Saale, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Kassel, Kiel, Koblenz, Köln, Königsberg, Köslin, Konstanz, Leipzig, Liegnitz, Magdeburg, Metz, Minden/Westfalen, Münster/Westfalen, Oldenburg (Großherzogtum), Oppeln, Posen, Potsdam, Schwerin, Stettin, Straßburg und Trier.

Die Teilnehmerzahlen lagen zwischen 33 in Potsdam und 1 314 in Hamburg. In kleineren Orten zog sich die Einführung des Fernsprechers bis in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hin.

 

1903 erging mit der „Allgemeinen Dienstanweisung für Post und Telegraphie, Abschnitt V, 6. Fernsprechbetriebsdienst“ an jeden Oberpostdirektions-Bezirk die Aufforderung, ein Amtliches Fernsprechbuch herauszugeben. Diese Dienstanweisung wurde bis 1945 und darüber hinaus umgesetzt.

Nach dem Vorbild des Berliner Amtlichen Fernsprechbuchs mußten die Dienststunden der Vermittlungsstelle, die Dienstbereitschaft, die öffentlichen Fernsprechstellen, der mögliche Nachbar- und Vorortverkehr verzeichnet werden. Die Dienststunden waren in die Angaben werktags und sonntags zu unterscheiden. In Berlin standen die Vermittlungsstellen sonntags von sieben oder acht Uhr bis neun Uhr morgens zur Verfügung, von zwölf bis ein Uhr mittags und abends von fünf bis sechs.

 

Die zweispaltigen Teilnehmerlisten gliederten sich in

    die Angabe des Stadtteils, Bezirks oder Vorortes,
    die Teilnehmernummer,
    Stand oder Geschäftszweig,
    Postbezirk und
    Adresse der Teilnehmer.

Der Eintrag für die Mitte Berlins sah beispielweise so aus: 1. 3675 Hilt, P. A., Tapezier u. Dekorateur. N. 24. Am Kupfergraben 4. Für Charlottenburg gestaltete er sich folgendermaßen: Ch. 1171 Hilse, Hermann, Zigarrengeschäft. Charlottenburg, Kantstr. 51.


DIE ANWEISUNG ZUR BENUTZUNG DER FERNSPRECHANSCHLÜSSE

Im Anschluß an das Teilnehmerverzeichnis mußte die „Anweisung zur Benutzung der Fernsprechanschlüsse“ abgedruckt werden. Zusätzlich, so wird ausdrücklich erwähnt, konnten am unteren Rand der Seiten die „wesentlichen Vorschriften“ der Anleitung zum Telefonieren in Fettdruck gesetzt werden:

    „Beim Anruf Kurbel einmal langsam herumdrehen!“
    „Während des Gesprächs nicht Kurbel drehen!“
    „Nach Gesprächsschluß Hörer anhängen!“
    „Schlußzeichen nicht vergessen!“

 

Für die Regionalausgaben der Fernsprechbücher waren die Angaben über die Größe des Bereichs, dessen Einwohnerzahl und Orte, Karten und der Verweis auf weitere Fernsprechbücher innerhalb des Regionalbereichs verbindlich. Sehr früh schon gaben auch private Verlage Gewerbe-, Handels- und Berufsverzeichnisse heraus.


DAS TELEFONBUCH ALS HISTORISCHE QUELLE

Wer heute das Telefonbuch nicht als aktuelles Nachschlagewerk, sondern als historische Quelle nutzen möchte, kann sich an mehrere Bibliotheken und Museen wenden, die das Amtliche Fernsprechbuch und das Amtliche Telefonbuch archivieren. Es sind dies die Bayerische Staatsbibliothek München, die Deutsche Bibliothek Frankfurt am Main und Leipzig, das Deutsche Museum München, die Museumsstiftung Post und Kommunikation Frankfurt am Main, Nürnberg und Berlin sowie das Deutsche Telefonbucharchiv beim Telefonbuch Verlag Hans Müller GmbH & Co.


DAS TELEFONBUCH IN DER NACHKRIEGSZEIT

Nach der Unterzeichnung der Gesamt-Kapitulations-urkunde des Deutschen Reiches am 8./9. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst wurde der Fernsprechdienst eingestellt, doch im Lauf des Jahres allmählich wieder aufgenommen. 1946 erschienen nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals wieder Telefonbücher, getrennt nach den Besatzungszonen.

Die Verzeichnisse für die sowjetische Zone und die DDR gab bis 1990 die Deutsche Post heraus. Sie erschienen in 14 Bezirksausgaben und aufgrund von Papiermangel in unregelmäßigen Abständen, erst mit der Ausgabe 1991/92 jährlich. In Bad Salzuflen, in der britischen Besatzungszone, fand am 9. Juni 1946 die Gründung der Deutschen Postreklame statt.

 

1954 verlegte sie ihren Sitz nach Frankfurt am Main. In der Bundesrepublik Deutschland führte die Deutsche Bundespost mit der Ausgabe 1960/61 die Numerierung der regionalen Telefonbücher von Norden nach Süden ein. Berlin erhielt die Nummer eins. Ab 1965 wurde durch den ständigen Zuwachs an Telefonteilnehmern eine weitere Aufteilung vorgenommen. Und 1980 erhielt der Fernsprecher die Bezeichnung Telefon. Ein Jahr später wurde das Amtliche Fernsprechbuch privatisiert und erschien unter dem Namen Telefonbuch.

Die im Verband Deutsche Auskunfts- und Verzeichnismedien (VDAV) zusammengeschlossenen Verlage und die Deutsche Postreklame gaben die regionalen Ausgaben des Telefonbuchs heraus. Ab 1984 trat die Deutsche Postreklame in gemeinschaftlicher Arbeit mit Verlagen als Herausgeberin und Verlegerin aller bundesdeutschen Telefonbücher auf. Die Deutsche Bundespost stellte mit dem Bildschirmtext erstmals ein interaktives Daten- und Textübertragunsgsystem zur Verfügung. Es konnte mit einem Modem und der Telefonleitung an Rechnern und Btx-Terminals benutzt werden.


DAS ERSTE ELEKTRONISCHE TELEFONBUCH

Im darauffolgenden Jahr gab die Post das erste elektronische Telefonbuch heraus, das den Datenbestand der Telefonbücher enthielt. Die Schweizer Post übernahm 1987 die Vorreiterrolle mit der ersten CD-ROM-Ausgabe eines europäischen Telefonbuchs. Das Telefonbuch war zu dieser Zeit bereits in so starkem und selbstverständlichem Maße zu einem Markenzeichen geworden, daß das Wort „Buch“ mühelos auch auf die elektronischen Datenverzeichnisse übertragen werden konnte und in dieser Form vom Publikum akzeptiert wurde.

 

Die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990 stellte der Deutschen Postreklame, die in diesem Jahr eine hundertprozentige Tochter der Deutschen Telekom geworden war, die Aufgabe, künftig auch die Telefonbücher für Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen herauszugeben. In diesem bedeutsamen Jahr erschien erstmals das Telefonbuch auf einer CD-ROM.


DIE DEUTSCHE TELEKOM MEDIEN GMBH

1994 erhielt die Deutsche Postreklame einen neuen Namen, Deutsche Telekom Medien GmbH, das Telefonbuch ein neues Gesicht: Weiß und Magenta erscheinen seitdem die Titelseiten. Geschmückt wurden sie von 1994 bis 2003 mit prämierten Kinderzeichnungen aus den Malwettbewerben, die die Deutsche Telekom Medien GmbH in den Jahren 1993 bis 2002 ausschrieb. Die Schirmherrschaft für die Wettbewerbe übernahmen die Bundestagspräsidentin Dr. Rita Süssmuth und ihr Amtsnachfolger Wolfgang Thierse.

 

TelefonbuchBerlin2006 250Im Jahr 2004 lösten Szenen aus dem täglichen Leben, insbesondere Sportmotive, die Kinderzeichnungen ab. Die Titelseite der Ausgabe 2006 ist natürlich anläßlich der Fußballweltmeisterschaft und deren Austragung in Deutschland dem Fußball gewidmet.

 

Im Internet ist das Telefonbuch seit 1997 vertreten – unter der denkbar einfachen Adresse www.dastelefonbuch.de. Als gemeinsame Plattform aller Telekommunikationsverzeichnisse dient die Datenbank der Teleauskunft Online GmbH. Sie ist das gemeinschaftliche Unternehmen von DeTeMedien und den Telefonbuchverlagen, im Internet unter der Adresse www.teleauskunft.de zu erreichen.

 

Es war also kein Wunder, daß Herausgeber und Verleger DasTelefonbuch im Jahr 2000 als das größte Telefonbuch der Welt in das Guiness-Buch der Rekorde eintragen lassen konnten und nur zu diesem Anlaß ein überdimensionales Telefonbuch anfertigen ließen. Für die Standfestigkeit dieses weltweit größten Telefonbuchs sorgen Wassertanks. Welch eine Entwicklung seit den Tagen Heinrich Stephans, Werner Siemens’ und Emil Rathenaus ...

Mit dem Relaunch im Jahr 2005, der durchgreifenden Überarbeitung der Website www.dastelefonbuch.de, wird die übersichtliche und bedienungsfeundliche Handhabung dem Internet-Auftritt des 125 Jahre alten Telefonbuchs keine Chance geben, in Ruhe alt zu werden. DasTelefonbuch wird immer in Bewegung bleiben und sich mit hoher Flexibilität den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer anpassen.


125 Jahre Telefonbuch - Berlins erstes Telefonbuch 1881

Cover 250ist seit dem 1. April 2006 auf dem Büchermarkt und schon vergriffen.

Vor 125 Jahre wurde das erste deutsche Fernsprechnetz freigegeben. Aus diesem Anlaß erschien das Verzeichnis der Teilnehmer, zu denen der Bankier Gerson Bleichröder, das Central-Hotel in der Friedrichstraße, der Verleger Rudolf Mosse und andere gehörten.

Diese Menschen, Firmen und Gebäude schrieben Berliner Geschichte und Kulturgeschichte.

Am 14. Juli 2006 beging das älteste deutsche Telefonbuch seinen 125. Geburtstag.

 

Gerhild H. M. Komander

 

Der Text erschien zuerst 2006 auf dieser Website.
Das Buch,  Gerhild H. M. Komander: Das erste Berliner Telefonbuch 1881, Berlin 2006, ist lange vergriffen und nicht mehr im Buchhandel erhältlich (2014).

 

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