Friedenau – meine Schöne ...

Eine Großstadtidylle wandelt sich

 

Ein Buch zum Umarmen wohlgestaltet, von leserfreundlicher Typographie, mit appetitlichem Layout, voll schöner Photos der Autorin und Quellen-Abbildungen aus früherer Zeit. Ein Buch, das mit offenen Armen einlädt zu einem ausgedehnten Spaziergang durch das überschaubare Quartier, auf den Spuren seiner Anfänge als Deutsch-Wilmersdorf auf der „grünen Wiese" zwischen Berlin und Potsdam um 1870; mit den ersten bescheidenen Villen der „Landflüchter" aus dem engen und lauten Berlin; über das erste Auftreten handwerklicher Betriebe, die sich durch den zähen Fleiß ihrer Gründer zu veritablen Industrien entwickelten; bis zu den kulturellen „Höhenzügen" durch die Ansiedlung von Malern und Literaten.

 

Man merkt der Autorin die begeisterte Friedenauerin an, wie sie im Plauderton voll bildungsbürgerlicher Behaglichkeit erzählt, aus ihrem Text strahlt die Freude an den stilvollen, mehrheitlich vierstöckigen Häusern der Jahrhundertwende und kleinen Villen mit oft kunstvoll gestalteten Jugendstilzäunen an begrünten Vorgärten und dem dichten Baumbestand der meist stillen Straßen.


Friedenau, das seinem Namen von der friedlichen Aue durch finstere und heile Zeitläufte bis heute gerecht geblieben ist.

Friedenau, das sich nicht von Schöneberg vereinnahmen lassen wollte, und dessen Rathaus seit 1917 mit inzwischen anderweitiger Bestimmung trotzig Richtung Steglitz blickt, wenn auch seine Geschicke inzwischen vom Schöneberger Rathaus gelenkt werden.

 

Friedenau, das sind heute junge Familien, die in den kleinen und oft ökologisch korrekten Läden ihres Kiezes einkaufen, sowie alle Mitbürger, die es sich noch leisten können, ihre häufig großen Wohnungen auch nach der Instandsetzung der Hausfassaden bezahlen zu können. Friedenau – Das ist heute ein Quartier, das sich seine Beschaulichkeit bewahrt hat, obwohl durchzogen von der lauten Bundesallee, Rheinstraße und Schmiljanstraße, auf denen gehetzter Verkehr aus der City-West Richtung Süden läuft.
Friedenau – Das ist ein Lebensgefühl, das sich umgehend jedem erschließt, der sich mit diesem Buch unter dem Arm auf Erkundung begibt.

 

Ingeborg Borris

 

Gudrun Blankenburg: Friedenau – Künstlerort und Wohnidyll. Die Geschichte eines Berliner Staddteils, Berlin: Frieling & Huffmann GmbH 2006. 120 Seiten. 30 Schwarzweiß- und 30 Farbabbildungen. 19,90 Euro.

 

Der Text erschien zuerst im "Berliner Lindenblatt" 2006.

Ingeborg Borris, selbst eine begeisterte Friedenauerin, die schon lange nicht mehr dort wohnte, starb 2011.

 

Zurück zum Seitenanfang

Friedenau   Schöneberg   Berliner Geschichte   Berliner Stadtentwicklung   Berliner Wohnquartiere