Panke Muendung 150Die Panke entlang - Ein Spaziergang an der Walter-Nicklitz-Promenade

"Panke-Promenade“ klingt schöner, aber dieser Spazierweg durch den Wedding wurde nach Baustadtrat Walter Nicklitz benannt, der 1951 im Rahmen des Notstandsprogramms mit dem Ausbau des Grünzuges an der Panke begann.

 

Damit ist schon eines der vier Jubiläumsdaten genannt, um deretwillen dieser Text zustandekam. Das früheste Datum dieser Reihe ist die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes Wedding am 22. Mai 1251. Der Markgraf beurkundete den Erwerb der Mühle an der Panke aus dem Besitz des Ritters Fridericus de Chare durch die Nonnen des Benediktinerinnenklosters in Spandau.

Im Jahre 1251 wurde nicht die Gründung des Dorfes bekanntgegeben, sondern es erfolgte bloß die uns bekannte erste urkundliche Erwähnung des Wedding. Der Urkunde ist außerdem zu entnehmen, daß das Dorf im Jahr 1251 nicht mehr bestand. Dennoch gibt es eine Rechtfertigung für den Jahrestag, nämlich die der gängigen Praxis, das Alter von Städten und Dörfern nach der urkundlichen Ersterwähnung zu berechnen, wenn das Gründungsdatum unbekannt ist.

1601 erfolgte die Gründung des Guts- und Meiereihofes durch Hieronymus Graf Schlick, der den Berliner Bürgern das Land um das nicht mehr existierende Dorf Wedding abgekauft hatte. Umstritten wird für eine unbestimmte Zeit die Bedeutung des vierten Datums sein: Der 1. Januar 2001, mit dem der Wedding zum Ortsteil des neuen Verwaltungsbezirks Mitte von Berlin wurde.

Zurück zur Panke.
Kommt man von Süden mit der U6 in den Wedding hinein und steigt am Bahnhof Reinickendorfer Straße aus, kann man in einem etwa zweistündigen Spaziergang den Grünzug der Walter-Nicklitz-Promenade kennenlernen, einen sehr grünen Wedding erleben und - manchmal mit viel Phantasie - Geschichte nacherleben.

 

An der jüngeren Pankemündung

Zunächst grüßt die Schering AG (im Kleid der Bayer AG), größter privater Arbeitgeber im Wedding, mit ihren gewaltigen Fabrikations- und Verwaltungsgebäuden. Die Müllerstraße nordwärts führt der Weg über die Sellerstraße bis zur Nordhafenbrücke, von der aus der Blick über den Hafen, die Weddinger Alster und das Abspannwerk Scharnhorst der BEWAG (im Kleid der Firma Vattenfall) gleiten kann.

Unmittelbar am nördlichen Ufer, in den Grünanlagen vor dem Bau, den Hans Heinrich Müller 1927 bis 1929 für die BEWAG entwarf, beginnt die Walter-Nicklitz-Promenade. Hier mündet ein Nebenarm der Panke, früher als Schönhauser Graben bezeichnet, da sich König Friedrich I. auf diesem auf sein Geheiß hin angelegten Wasserwege von Charlottenburg nach Niederschönhausen bringen ließ, über ein Wehr in das Becken des Nordhafens.

Der Hauptarm des Flusses fließt in Rohre gelegt am Schiffbauerdamm in die Spree.
Aus dem einst nach Süden fließenden Seitenarm, der Weddinger Panke, entstanden der Humboldthafen und der Nordhafen, die durch den Berlin-Spandauer-Schiffahrtskanal mit einder verbunden werden.

 

Zur Chausseestraße

Während sich der Fluss wenige hundert Meter später unter der Straßendecke von Müller- und Chausseestraße duckt, können Fußgänger den Weg am Erika-Heß-Stadion entlang nehmen, um der Panke flussaufwärts zu folgen.

Im einstigen Sanierungsgebiet Chausseestraße zieht der Pankegrünzug durch den Hof der Häuserblöcke hindurch, geht über die Schulzendorfer Straße hinweg und mündet in die Kunkelstraße, die in ihrer Breite halbiert wurde, um der Panke freieren Lauf und den Bewohnern etwas Grün zu gewähren.

Die Kunkelstraße folgt dem Fluss bis zur Gerichtstraße, wo die Fußgänger seine Ufer lange Zeit verlassen mußten. In der Kolberger Straße war über die Höfe immer wieder ein Blick auf die Panke möglich. Aber erst über das Gelände der Wiesenburg in der gleichnamigen Straße trat man wieder an sie heran. In dieser Umgebung lohnte es sich mehr, der Wiesenburg einen Besuch abzustatten, als der Panke folgen zu wollen.

 

Der Pankeweg ist komplett

Denn hier gleicht die Panke einem Kanal, der von der Straße aus gar nicht wahrgenommen werden kann, obwohl das alte Straßenbrückengitter noch vorhanden ist. 1896 eröffnete der Berliner Asyl-Verein ein Asyl für obdachlose Männer, 1907 kam ein Frauen-Asyl auf demselben Gelände hinzu. Die modern gestalteten Schlafräume zitieren mit ihren Sheddächern den zeitgenössischen Industriebaustil.

Wenn auch die räumliche Distanz der Wiesenburg von den Wohngebieten die Obdachlosen ausgrenzte, konnten alle Menschen, die Nahrung und Wärme suchten, in diesem Asyl anonym Unterkunft finden - ein wohltuend empfundener Fortschritt gegenüber den kirchlichen und staatlichen Einrichtungen.

Die für den Bundeswettbewerb Innenentwicklung unserer Städte und Gemeinden 1986/87 erstellten Konzepte einer Neunutzung der Wiesenburg und des umgebenden Geländes wurden nicht umgesetzt. Insbesondere ist der Grünzug der Panke in diesem Abschnitt nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Die Fußgängerbrücke, die beide Ufer verbinden sollte, gibt es nicht. Ein Teil der Gebäude der Wiesenburg wird heute bewohnt und gewerblich genutzt, ein anderer Teil steht als wenig anziehende Ruine da.

Lange war der Pankegrünzug bis zur Pankstraße nicht begehbar. Spaziergänger nahmen den Weg über die Wiesenstraße. Vorbei an den Schulgebäuden in der Pankstraße - hier wurde das erste Weddinger Gymnasium, das Lessing-Gymnasium, begründet - und sie überquerend, führt der Weg fortan fast ungestört bis zur Badstraße.

Jetzt geht es hinter der Wäschefabrik geradewegs auf die Wiesenburg zu, an ihr vorbei und mit einem Rundblick auf Schule und Weddinghof über die Pankstraße.

 

Wo ist die Kösliner Straße geblieben?

In der Kösliner Straße erinnert nichts mehr an die finstersten Mietskasernen Berlins; auch nicht an die vielleicht roteste Straße von Berlin. Nicht mehr vorstellbar, dass an diesem Ort am 1. Mai 1929 fast ein Bürgerkrieg zwischen KPD-Anhängern und Polizeibeamten stattfand.

„Barrikaden am Wedding“ ist nicht nur der Titel eines Buches von Klaus Neukrantz (Roman einer Straße aus den Berliner Maitagen 1929, Berlin 1931): sie standen wirklich.

Den heutigen Bewohnern der idyllischen Wohnanlage Kösliner Straße, die sich mit offenen Blöcken und Rasenflächen bis an die Panke erstreckt, ist diese Vergangenheit fremd. Die Geschichte wurde mit dem Wiederaufbau ausradiert.

 

Pazifisten unerwünscht: Theodor Plievier

Dem Pankelauf aufwärts folgend trifft man erneut auf die Wiesenstraße. Das Gebiet um die Wiesenstraße gehört zu den ältesten besiedelten Gegenden des Wedding. 1782 wies König Friedrich II. hier Kolonisten aus Ansbach Wirtschaftsflächen an und benannte die Kolonie Neu-Wedding. Die Lage in unmittelbarer Nähe der Panke war für die Wasserversorgung des vom König geforderten Obst- und Gemüseanbaus zur Versorgung der Stadt Berlin unabdingbar.

Das Haus Nr. 29 aus dem 19. Jahrhundert existiert nicht mehr. Es war das Geburtshaus des Schriftstellers und Pazifisten Theodor Plievier, der aus ärmsten Verhältnissen stammend mit zwei dokumentarischen Romanen, "Des Kaisers Kuli" (1929) und "Der Kaiser ging, die Generäle blieben" (1931), in denen er aus sozialkritischer Sicht die Zeit des Ersten Weltkriegs und der Revolution schilderte, sehr erfolgreich war.

 

Eine Burg für den Gesundbrunnen

Jenseits der Wiesenstraße wird das rechte Pankeufer nun von der Uferstraße begleitet, wo im Vorgängerbau des Hauses Nr. 2 1897 bis 1902 Paul Nipkow lebte, den die dortige Gedenktafel als großen Erfinder (der Nipkow-Scheibe) und Wegbereiter des Fernsehens würdigt. Mit der Benennung der gegenüberliegenden Straße wurde dem Erbauer der ersten Dankeskirche am Weddingplatz (1882-1984) gedacht: August Orth, der auch für die Entwürfe des Görlitzer Bahnhofs und weiterer Berliner Kirchenbauten verantwortlich zeichnete.

Am Brunnenplatz lohnt ein kleiner Umweg um das 1901 bis 1906 errichtete Amtsgericht Wedding.

Außen und innen hatten sich die Architekten Thoemer & Mönnich in historistischer Manier an gestalterische Elemente der Albrechtsburg in Meißen orientiert: Vorhangbogenfenster, Maßwerk und monumentale Netzgewölbe lassen so manchen Passanten und Besucher überrascht innehalten.

Des schwierigen Baugrunds wegen erhielt das Gebäude eine damals neuartige Unterkonstruktion aus Eisenbetonpfählen. Das Amtsgericht Wedding war die Wirkungsstätte des durch seine "Spaziergänge durch Berlin" bekannt gewordenen Zivilrichters Dieter Huhn (Von Wedding nach Gethsemane und andere Spaziergänge in Berlin, München 1999).

Über die Thurneysserstraße, wo die verstorbene Sängerin Manuela im Haus Nr. 3 zu Hause war, kehrt man an die Panke zurück. Im Haus Nr. 2 lebte der Elektriker Herbert Baum, der als Leiter der jüdischen Oppositionellen unter dem Regime der Nationalsozialisten mit Gefährten in der Gruppe Baum aktiven Widerstand leistete und in der Wohnung in der Thurneysserstraße verfolgten Menschen Schutz gewährte.

 

Die Panke als Kanal

Hohe Ziegelmauern schnüren das Bett der tief unter dem Niveau der Gropiusstraße liegenden Panke nun bis zur Badstraßenbrücke ein. Am rechten Ufer, nach Nordwesten, stehen die Gebäude der BVG auf der einstigen Panke-Insel, erbaut 1926 bis 1931 von Jean Krämer.

Den westlichen Flussarm, der das Gelände zur Insel machte, bedeckt seit der Einrichtung des Straßenbahndepots die Uferstraße. Krämer errichtete durch Um- und Erweiterungsbauten alter Werkstattgebäude die bestehenden Gebäude.

Auch in dieser Gegend, jenseits der Panke, hatte Friedrich II. Kolonisten angesiedelt, die als Obst- und Gemüsebauern auf das Wasser der Panke angewiesen waren.

 

Der Gesundbrunnen

Durch die Gropiusstraße, wo im 19. Jahrhundert der Dekorationsmaler Karl Wilhelm Gropius Land besaß, gelangt man zum heutigen Schmuckstück des Gesundbrunnens, der Bibliothek am Luisenbad/Jerusalem-Bibliothek. Hier sprudelte die eisenhaltige Quelle, die dem Ort vor 250 Jahren den Namen gab, als der königliche Hofapotheker Heinrich Wilhelm Behm 1758 das Terrain ausbaute und den "Friedrichs-Gesundbrunnen" anlegte.

Die umfangreichen Bauarbeiten an der Badstraße ließen die Quelle 1882 versiegen, doch war der Gesundbrunnen längst zu einem stadtbekannten Vergnügungsviertel geworden.

In der Badstraße wurde am 10. September 1895 mit der Strecke Badstraße-Pankow die erste elektrische Straßenbahn Berlins in Betrieb genommen.

Hat man die geschichtsträchtige Straße überquert, tritt man zwischen zwei auffallend gestalteten, fünfgeschossigen Wohnhäusern in die Travemünder Straße ein. Auch diese Straße wurde für die Anlage des Pankegrünzuges auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Breite reduziert.

Das elegante Haus Badstraße 40/41, in rotem Backstein mit grünglasierten Ziegelornamenten, ließ Carl Arnheim für die Werkangehörigen seiner weltbekannt gewordenen Tresorfabrik erbauen.

Hinter dem Haus Badstraße 38/39, das mit seiner bunten und vielgestaltigen Fassade unwillkürlich die Blicke auf sich zieht, befinden sich die Reste des Marienbades am Ort des einstigen Brunnens mit der heilsamen Quelle. Hier wurde 1874 die Kafé-Küche mit ihrer Schmuckfassade eingerichtet, einst eine vielbesuchte Selbstbedienungs-Gaststätte und Erholungsanlage.

1987, anläßlich der 750-Jahr-Feier Berlins, stellten die Architekten Langeheinecke und Claussen ihre Idee vor, an diesem Ort eine Auenlandschaft mit rekonstruierter Wassermühle und einem Mühlenteich als Freibad entstehen zu lassen.

Sie wurde nicht realisiert. Stattdessen drohte allen Gebäuden des Luisenbadareals der Abriss.

 

Die Luisenbad-Bibliothek: zu schön für den Wedding?

Teile waren schon vernichtet, als die öffentliche Diskussion schließlich zu einer positiven Entscheidung zwang: Mit einem Erweiterungsbau sollte im ehemaligen Marienbad die Bücherei-Hauptstelle des Wedding entstehen.

Der Entwurf der Architekten Rebecca Chestnut und Robert Niess erschien Kritikern als „zu gut für den Wedding“. Er wurde jedoch, aus Kostengründen reduziert, ausgeführt.

Vis-à-vis liegen die Shed-Hallen der Arnheimschen Tresorfabrik von 1897. Für die denkmalgeschützten Industriebauten erhielt 1985 der Berufsverband Berliner Künstler (BBK) einen Nutzungsvertrag als Bildhauerwerkstatt.

Nicht-Bildhauer" können an den großzügig angelegten Ufern der Panke innehalten, bevor der Weg sie über die Osloer Straße hinweg in den "Soldiner Kiez", der vorletzten Problemzone des Wedding, bringt.

Das rechte Ufer bis an die Soldiner Straße heran ist als Spazierweg ausgelegt.

Hinaus ins Grüne

Wer sich wundert, dass die parallel zur Panke verlaufende Stockholmer Straße einmal am rechten, einmal am linken Ufer entlang verläuft, dem sei erklärt, dass auch diese Straße zugunsten des Pankegrünzugs halbiert wurde.

Jenseits der Soldiner Straße weitet er sich zum Panke-Becken": Zur Koloniestraße hin bepflanzen Feierabend-Kolonisten die Laubenquartiere "Panke" und "Pankegrund", zur Wollankstraße hin Friedhofsgärtner die Anlagen des Kirchhofs der Französischen Gemeinde III.

Die Panke fließt derweil unter der Hugo-Heimann-Brücke hindurch, mit der die Grenze zwischen Wedding und Pankow erreicht ist.

Dem sozial engagierten Verleger und Stadtverordneten Heimann widmete die Bezirksverordnetenversammlung eine Gedenktafel, die an den Bau von acht Häusern im Wedding erinnert, die er 1901 als Eigentum an Sozialdemokraten übertrug, damit sie als Hausbesitzer in die Stadtverordneten-Versammlung einziehen konnten. Diese sogenannten "Roten Häusern" in der Prinzenallee stehen nicht mehr. Die Tafel wurde am Neubau, Nr. 46, angebracht.

Durch die Nordbahnstraße finden die Panke-Gänger zum S-Bahnhof Wollankstraße und zur Haltestelle des Busses 227, der die Prinzenallee herunterfährt und die Besucher zurück zu ihrem Ausgangspunkt Reinickendorfer Straße bringt.

 

Gerhild H. M. Komander

Regina Kusch hat nach einem Interview mit mir eine einfühlsame Reportage geschrieben zur Panke, nachzulesen auf http://www.dradio.de/dlf/sendungen/sonntagsspaziergang/1052216/.

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