Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst

Holland in der Mark und eine Festung für Berlin. Der zweite Teil


Holland in der Mark - der wirtschaftliche Aufstieg

Das enge Verhältnis Friedrich Wilhelms zu den Niederlanden wurde die wirtschaftliche und kulturelle Grundlage für den Wiederaufbau der Mark Brandenburg. Verwandtschaftliche Beziehungen bestanden bereits vor der Heirat mit Louise Henriette: Der Kurfürst war mütterlicherseits Urenkel des legendären Wilhelm I. von Oranien.

Die rheinischen Beziehungen, insbesondere Kleve, spielten eine herausragende Rolle bei der Vermittlung von Künstlern und künstlerischen Anregungen sowie technischen und landwirtschaftlichen Neuerungen. Zu den vordringlichen Aufgaben gehörten der Bau von Festungen, Schleusen und Mühlen, die Erneuerung und Neuanlage von Verkehrswegen und Wohnhäusern.

 

Niederländer siedelten in den Bruchlandschaften an Elbe, Havel und Oder, deren Landwirtschaft und Erschließung vor allem durch neue Wasserwege gefördert wurde - wiederum nach niederländischem Vorbild. Die erneut ins Land gerufenen niederländischen Siedler führten die modernsten Methoden von Obst- und Gemüseanbau und der Milch-Wirtschaft ein.

1668 war der Friedrich-Wilhelm-Kanal fertiggestellt, der Oder und Spree miteinander verband und von überragender Bedeutung auch für den Handel wurde.
Später kümmerte sich Friedrich Wilhelm intensiv um die repräsentative Architektur und die bildenden Künste. Von knapp 50 Baumeistern, Ingenieuren und Künstlern, die nachweisbar für den kurbrandenburgischen Hof arbeiteten, kamen 2/5 aus den Niederlanden, 2/5 aus deutschen Ländern, die übrigen -ab 1685- aus Frankreich und aus der Schweiz. Niederländische Handwerker brachten auch die „Fayencebäckerei“ in der Mark zur Blüte.


Der Festungsbau

Der Festungsbau von Berlin verschlang einen Großteil der Steuern. Als Hauptstadt des Landes bedurfte Berlin dieses Schutzes. Schließlich wollte der Kurfürst nicht - wie zuvor sein Vater - gezwungen sein, vor der Bedrohung durch fremde Heere zu fliehen.
1658 ließ Friedrich Wilhelm den Bau beginnen, erst 1683 war er beendet. Persönlich beriet der Kurfürst die Grundzüge der Festung.

Die Planung lag in den Händen von Johann Gregor Memhardt.
Die Festung umfaßte Berlin, Cölln und Friedrichswerder (1662 zur dritten Residenzstadt erhoben). In niederländischer Manier bauten die Berliner ihre Festungsanlagen. Da in den Niederlanden Steine fehlten, nutzte man Wasser und Erde, die reichlich vorhanden waren, und errichtete massive Erdschanzen, zum Teil mit Ziegeln verkleidet. Die Bastionen waren darauf ausgerichtet, möglichst dichtes Kreuzfeuer zu ermöglichen. Diese Bauweise übertrug Memhardt auf Berlin.

 

Ständig waren Modernisierungen notwendig, da die Entwicklung der Kriegstechnik schnell voranschritt. Doch die Berliner Festung war stets eine der modernsten ihrer Zeit, mußte aber nie einer wirklichen Feuerprobe standhalten. 1746 ließ Friedrich II. die Festungsanlage abtragen: 1757 konnten österreichische und 1760 russische Truppen Berlin besetzen.

1680 fiel Magdeburg endgültig an Brandenburg. Der Kurfürst zwang die Stadt zur Aufnahme einer Garnison und ließ umgehend mit dem Bau einer Festung beginnen, die bereits seit 1666 geplant war. Seit 1667 mußte die Stadt des Elbzolles dazu bereitstellen.


Johann Moritz von Nassau-Siegen

Neben dem Kurfürsten selbst gehörten Louise Henriette von Nassau-Oranien und Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604 – 1679) zu den wichtigsten Vermittlern niederländischer Kultur. Johann Moritz war ein Großneffe Wilhelms I. von Oranien. 1636 übernahm er das Generalgouvernement von Holländisch-Brasilien, wo er sich auch als Naturhistoriker und Ethnograph betätigte.

1647 setzte Friedrich Wilhelm ihn als Statthalter in Kleve, Mark und Minden (1658) ein. Gleichzeitig blieb Johann Moritz niederländischer Kommandant der rechtsrheinischen Festungen und war dadurch der Garant für die Stabilität der westlichen Territorien Brandenburgs.

 

Aber mehr noch: Der Ausbau seiner statthalterlichen Residenz Kleve auf den modernsten Stand wurde gestalterisches Vorbild nicht nur für Friedrich Wilhelm. Johann Moritz erlangte weitreichende Bedeutung für die Verbreitung der klassizistischen Architektur Andrea Palladios nördlich der Alpen und für die Verbreitung der Idee der künstlerischen Gestaltung der Landschaft. Sein Wohnhaus Mauritshuis in Den Haag gilt als der erste Bau auf der Grundlage der italienischen Architekturtheorie.

Daß Kurfürst Friedrich Wilhelm ihn auch erfolgreich als Herrenmeister des Johanniterordens vorschlug, brachte niederländische Kultur bis weit in die Neumark hinein.
Die Baumeister Henrik Ruse, der wichtigste Mitbegründer der niederländischen Festungstechnik, und Cornelis Ryckwaert kamen auf Vermittlung des Statthalters nach Brandenburg.

 

Auch die Maler Jan de Baen, Govert Flinck, Pieter Nason, François Dieussart und der Bildhauer Bartholomäus Eggers arbeiteten für den brandenburgischen Hof, weil Johann Moritz dafür sorgte.
Der Kurfürst bevorzugte unter allen Künsten die Malerei. Bildnisse der kurfürstlichen Familie, Historien aller Art, Stilleben, Jagdszenen und Marinebilder waren ihm - ganz in niederländischer Tradition - die liebsten Themen. Ausgeführt wurden sie in der Mehrzahl von niederländischen oder niederländisch geschulten Künstlern. Einheimische Maler waren eine Seltenheit. Nichteinheimische Künstler bereiteten den „Kulturboden“ vor.


Die Marine und die Kolonien

Reichtum und Macht der Niederlande basierten auf Seehandel und Kolonialbesitz. Auch hier wollte Friedrich Wilhelm seinem Vorbild nacheifern, gründete eine Handelskompanie (1647), erwarb Schiffe und ließ an der Küste Guineas die Niederlassung Großfriedrichsburg errichten.

 

1676 setzte er den niederländischen Kapitän Benjamin Raule als brandenburgischen Schiffsdirektor ein, der später zum „General-Direktor der Marine“ ernannt wurde.
Mit der Hilfe niederländischer Schiffsbaumeister ließ Friedrich Wilhelm in Havelberg und sogar in Berlin hochseetüchtige Schiffe bauen, die zum Kaperkrieg, zum Seehandel und zum Kolonialerwerb genutzt wurden.
Die Marinekameradschaft Havelberg ist noch heute so stolz auf diese Vergangenheit, daß sie sich seit 1998 MK Benjamin Raule Havelberg nennt und die kurfürstliche Werft des 17. Jahrhunderts als Museumswerft neu erstehen lassen will.

 

Doch den überseeischen Unternehmungen des Kurfürsten war kein Glück beschieden. Wirtschaftlicher Erfolg stellte sich nicht ein. Die Brandenburger wurden keine Seefahrer.
Eigene Unternehmungen und Kontakte zu niederländischen Geschäftsleuten vermittelten aber Wissen und Interesse an fremden Kulturen auch bei Friedrich Wilhelms Nachfolger, was sich in den Kunstsammlungen der Kurfürsten von Brandenburg niederschlug.


Kunstkammer

So erstand die brandenburgische Kunstkammer erneut.
Zur repräsentativen Ausstattung eines Fürstenhauses gehörte seit der Renaissance eine Kunstkammer, die man sich als eine Art Raritätenkabinett vorstellen kann. Die Anfänge der brandenburgischen Kunstkammer im 16. Jahrhundert zerstörte der Dreißigjährige Krieg.

Friedrich Wilhelm war der erste Kurfürst Brandenburgs, der Kontakte zu China herstellte. Schon als Student hatte er seinen Eltern ostasiatisches Kunstgewerbe zum Geschenk gemacht, wie aus seinen Briefen hervorgeht.
Die Sammlung ostasiatischer Bücher war so groß, daß 1683 ein Bibliotheks-Katalog angefertigt wurde.
Die Kunstkammer, von der schon 1665 Memhardt auf Geheiß des Kurfürsten ein Inventar anlegte, enthielt Waffen, Gewänder, „Seegewächse“, Kunsthandwerk, Gefäße aus Rhinozeroshorn, Speckstein und Jade und anderes mehr. Die wenigen Überreste befinden sich heute im Ostasiatischen Museum und im Museum für Völkerkunde.


Louise Henriette von Nassau-Oranien

Kurfürstin Louise Henriette von Nassau-Oranien gab den ersten Ansätzen einer landesweiten Wiederinstandsetzung und Besiedlung nach der allgemeinen Landesvisitation von 1652, die niederschmetternde Ergebnisse gebracht hatte, fruchtbare Anstöße.

Schloß und Stadt Oranienburg sind das bekannteste Beispiel ihrer vorbildlich wirkenden Tätigkeit als Landesherrin. Selbstverständlich wurde Schloß Oranienburg in niederländischer Bautradition errichtet: in Würfelform, drei Stockwerke zu fünf Achsen, stattlicher Giebel, Flachdach mit Altan, umgeben von Galerie, der Schloßhof mit gedecktem Gang, im Sommer von Orangenbäume bestanden.

Vermutlich hing der Aufenthalt des niederländischen Malers Jan Lievens 1653/54 mit der Ausstattung von Schloß Oranienburg zusammen. Die Werke sind nicht überliefert. Das Gemälde „Der Orientale“ in der Bildergalerie in Sanssouci stammt nicht aus Oranienburg, sondern aus der oranischen Erbschaft.

 

Oranienburg wurde unter Louise Henriette ein Mustergut, von dem wichtige Impulse ausgingen. Auf ihre Kosten siedelte sie  niederländische Handwerker und Bauern an, die Landwirtschaft, Obst- und Gemüseanbau, eine Ziegelei, Mühlen und Holländereien betrieben. Sie ließ eine Kirche, ein Waisenhaus und Wohnhäuser errichten, so daß aus dem vormaligen Dorf Bötzow die Stadt Oranienburg erstand.

Wenn auch in Oranienburg das erste Porzellankabinett der Mark Brandenburg entstand, galt die wirtschaftliche Förderung des Kurfürstenpaares doch auch der „Fayencebäckerei“.
Die Erzeugnisse dieser brandenburgischen Fayenceherstellung sind heute nur noch im Märkischen Museum und im Kunstgewerbemuseum Berlin zu sehen.

 

Gerhild H. M. Komander

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