Rosa Luxemburg. Mord im Auftrag einer demokratischen Regierung

Mathilde Jakob war fasziniert von dieser Frau und beschrieb die Begegnung mit Rosa Luxemburg als ein „Glück". Keine zweite Frau machte auf sie solch einen tiefen Eindruck. Damit war sie nicht allein. Große leuchtende Augen, die Verständnis für alles zu haben schienen, Bescheidenheit und Güte verloren ihre Wirkung auch nicht, wenn die herausragende Rhetorikerin auf der Rednerbühne sprach.

 

Rosa Luxemburg

Geboren am 5. März 1871 in Zamosc, Gouvernement Lublin, Rußland
gestorben am 15. Januar 1919 in Berlin
unbestattet

 

RosaL5Heimat Polen

Rosa Luxemburg war die führende Theoretikerin des linken Flügels in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Sie wuchs in Zamosc auf, im russischen Teil Polens. Hier kam sie am 5. März 1871 kurz nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs zur Welt. Im Gouvernement Lublin, in dem ihre Heimatstadt lag, war ein Drittel der Bevölkerung jüdischen Glaubens, auch die Familie Luxemburg.

 

Von 1884 bis 1887 besuchte das Mädchen Rosa das Zweite Warschauer Frauengymnasium, dessen Schulalltag die Unterdrückungspolitik der russischen Verwaltung bestimmte.

Die Gymnasiastin besuchte geheime Fortbildungszirkel, in denen sie polnische Sprache und Kultur lernte und politische Ereignisse diskutieren durfte.

 

Sie schloß sich der revolutionären Bewegung an und mußte nach Zürich fliehen, in die Stadt, die Ende des 19. Jahrhunderts der bedeutendste Sammelpunkt für russische und polnische Emigranten war.

 

Zuflucht Schweiz

Die „Kneipereien" der bürgerlichen StudentInnen mied sie ebenso wie die Diskussionen der Revolutionäre. Rosa Luxemburg wollte handeln. In Zürich studierte sie Volkswirtschaft und Öffentliches Recht, hörte Vorlesungen in Astronomie, Botanik und Zoologie. Sie stellte sich als Polin auf die Seite der Internationalisten. Dass sie das Streben nach polnischer Unabhängigkeit in der Überzeugung, polnische und russische ArberiterInnen hätten die gleichen Interessen, ignorierte, nahmen ihr die polnischen Sozialisten sehr übel.

Unbeirrt gründete Rosa Luxemburg mit Leo Jogiches, dem Sozialisten aus Russland, ihre erste Zeitung „Sache der Arbeiter" (Sprawa Robotnicza) und die Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauen (SDKP) als erste marxistische Partei in Osteuropa. Die überzeugte – und kritische – Marxistin ging eine Scheinehe ein, um in Deutschland agieren zu können. 1899 kam sie nach Berlin.

 

Spartakusbund

Ihre ehrgeizige, spöttische und unkonventionelle Art, ihre steten Fragen verärgerten die Häupter der Sozialdemokratie. Sie ließ sich nicht als Sachverständige für Frauenfragen abschieben, sondern stieg gleich in die Wahlagitation ein und hatte als Rednerin auf Anhieb großen Erfolg. Ihre journalistische Arbeit setzte sie fort, in den Parteiblättern, in Karl Kautskys Zeitung „Neue Zeit". 1907 erhielt sie eine Dozentenstelle an der Parteihochschule der SPD in Berlin.

 

Wesentlich für ihre politische Arbeit war das Zusammentreffen mit Clara Zetkin und Karl Liebknecht. Mit Karl, dem Sohn des Sozialdemokraten Wilhelm Liebknecht, gründete sie den Spartakusbund. Damit reagierten beide auf die „versöhnliche" Politik der SPD und die Zustimmung der Parteimitglieder zur Bewilligung der Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg. Der eigene Konflikt zwischen Ablehnung staatlicher Gewalt und der Notwendigkeit der Revolution beschäftigte Rosa Luxemburg ihr Leben lang. Sie konnte ihn nicht lösen.

 

Rote Fahne

Im November 1918, Rosa Luxemburg war gerade aus der Haft entlassen, rief sie mit Liebknecht die „Rote Fahne" als Sprachrohr der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) ins Leben, die sie am Ende des Jahres gründeten. Die „Rote Fahne" sollte der sozialdemokratischen Zeitung „Vorwärts" Konkurrenz machen. Die Redaktion lag in den Händen Rosa Luxemburgs. Ihr kritisches Selbstbewußtsein machte nicht Halt vor Autoritäten aus den eigenen Reihen. Marx' „Kapital" schätzte sie als Quelle, nicht als Bibel. Lenins Auffassung von der Partei verwarf sie als Diktatur über die Köpfe der Arbeiterklasse hinweg.

Der Revolution im November 1918 folgte im Januar 1919 der Spartakusaufstand. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zogen von einem Wohnort zum anderen, übernachteten bei Parteifreunden, in Hotels. Sie fürchteten nicht bloß Verhaftung – manchmal sehnte sich Rosa nach der Ruhe einer Gefängniszelle -, sondern ihre Ermordung. Die Errungenschaften der Novemberrevolution unterhöhlten die Reaktionen auf die Angst vor dem „Bolschewismus", wie es Ben Hecht – manchmal ungewollt komisch – beschreibt.

Großindustrielle stellten enorme Summen zur Verfügung, um Freiwillige für den Kampf gegen die Revolutionäre zu gewinnen, die die Regierung als Freikorps einsetzte. Rosa Luxemburg kämpfte weiter für eine vollständige Umwälzung der Gesellschaft, für eine sozialistische Demokratie. Am 8./9. Januar 1919 stand das Haus, in dem die Redaktion der „Roten Fahne" saß, unter dem Maschinengewehrfeuer der Regierungstruppen. Die Chefredakteurin verließ das Haus unverletzt.

 

Tatort Berlin

Im Gefängnis erhielt Mathilde Jakob, die Sekretärin und Freundin, die Nachricht von der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts am 15. Januar 1919. „Nun ist wieder Ruhe", erklärte ihr der Anwalt. Die Leiche Karl Liebknechts konnte am 25. Januar auf dem Städtischen Friedhof Friedrichsfelde beigesetzt werden. Rosa Luxemburgs Leiche erst Monate später.

 

Leo Jogiches, der langjährige Weggefährte stellte fest, dass Angehörige des Freikorps Garde-Kavallerie-Schützendivision für den Mord verantwortlich waren:

Das letzte Quartier der Ermordeten war die Wohnung der Familie Markussohn in der Mannheimer Straße 43 (heute 27), Wilmersdorf.

Die gefälschten Papiere, die ihnen der Parteigenosse Wilhelm Pieck am Abend des 15. Januar 1919 brachte, schützten sie nicht vor dem Zugriff der Soldaten, die nach Pieck an der Wohnungstür klingelten.

Sie fuhren die Drei in das Stabsquartier der Division im Eden-Hotel, Kurfürstenstraße Ecke Budapester Straße. Der Plan zur Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht war gefasst.

RosaL1Der Jäger Otto Runge schlug Karl Liebknecht nieder, auf der angeblichen Fahrt in das Untersuchungsgefängnis Moabit hielt der Wagen. Die Bewacher täuschten eine Panne vor und erschossen den Gefangenen. Im Eden-Hotel folterten die Soldaten Rosa Luxemburg, Runge schlug auch sie nieder.

Ein Bewacher erschoss die Schwerverletzte auf der folgenden Autofahrt. In Frage kommen Oberstleutnant Vogel und Wilhelm Souchon. Die Leiche der Frau warfen sie von der Lichtensteinbrücke im Tiergarten in den Landwehrkanal.

 

Die „B.Z. am Mittag" meldete Donnerstag, den 16. Januar: „Liebknecht auf der Flucht erschossen. Luxemburg von der Menge getötet". Die Redaktion verließ sich auf die Aussagen der Mörder.

RosaL3Leo Jogiches setzte alles daran, die Mörder namhaft zu machen und publizierte seine Ergebnisse in der Parteizeitung „Rote Fahne". Jogiches wurde als politisch gefährlicher Mann am 10. März verhaftet. Strafbare Handlungen wurden ihm nicht zur Last gelegt. Angehörige der Regierungstruppen ermordeten ihn im Untersuchungsgefängnis Moabit.

 

Die Leiche Rosa Luxemburgs konnte in der Nacht zum 1. Juni 1919 geborgen werden. Im Leichenschauhaus in der Hannoverschen Straße identifizierte Mathilde Jakob den stark verwesten Körper. Neben dem Grab Liebknechts bestatteten die Freunde sie. In der Sowjetunion bezeichneten die Stalinisten die Revolutionärin als „Siphylis Bazillus" und bezichtigten sie der Nähe zu den Sozialfaschisten (Sozialdemokraten).

 

Rosa L HotelEden Platte 566

 

Denkmäler

Ludwig Mies van der Rohe errichtete 1924 das gemeinsame Denkmal auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde. 1941 rissen die Nationalsozialisten es ein und ebneten die Gräber ein.

Jetzt gibt es vier Gedenkstätten für Rosa Luxemburg in Berlin: Eine neue auf dem Friedhof, am Ort ihrer Ermordung am Landwehrkanal im Tiergarten und auf dem Rosa-Luxemburg-Platz – zu dem die Rosa-Luxemburg-Straße in Berlin-Mitte führt. Vor dem Verlagshaus der Tageszeitung „Neues Deutschland" grüßt die legendäre Kämpferin in Lebensgröße - aus Bronze.

 

Gerhild H. M. Komander

Der Text erschien zuerst im "Berliner Lindenblatt" 2007.

 

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