Klepper 100Vater ist ein mächtiges Wort

Jochen Klepper und sein Werk „Der Vater. Der Roman des Soldatenkönigs"

 

 

Am Montag, den 18. Dezember 2006 würdigte die Kirchengemeinde Mariendorf die Familie Klepper mit der Enthüllung einer Gedenktafel an ihrem Gemeindehaus. Am 18. Dezember 1938 war Johanna Klepper vom jüdischen zum evangelischen Glauben übergetreten, das Ehepaar Klepper ließ sich einsegnen, beugte sich dem Druck, den die Nationalsozialisten auf sie ausübten. Eine Scheidung lehnte der Schriftsteller Jochen Klepper, der aus einem evangelischen Pfarrhaus stammte, ab.

 

Die Familie

Es nützte der Familie nichts.
Jochen Klepper, der am 22. März in Beuthen an der Oder / Niederschlesien (Bytom Odrzánski) zur Welt kam, hatte mit Elternhaus und Heimat gebrochen, als er 1931 die verwitwete Johanna (Hanni) Stein heiratete. Johanna Stein, geborene Gerstel, kam aus wohlhabender jüdischer Familie. Die Familie Klepper fürchtete um ihren Ruf. Jochen und Hanni zogen mit den Kindern Brigitte und Renate – aus Hannis ertser Ehe – nach Berlin. Klepper setzte seine Rundfunkarbeit fort.

1933 musste Jochen Klepper die Arbeit beim Rundfunk aufgeben. Er weigerte sich, sich von seiner Familie zu trennen. Den Eintritt in die Reichsschrifttumskammer gewährte man ihm 1934. Die Tätigkeit im Ullstein-Verlag verbot man ihm wiederum 1935. Klepper ernährte die Familie mit schriftstellerischer Tätigkeit, erfolgreich – trotz der Einschränkungen, denn in der Kammer hielt Dr. Koch schützend die Hände über ihn. 1937 erschien in der Deutschen Verlagsanstalt der Roman „Der Vater. Der Roman des Soldatenkönigs" und wurde ein großer Erfolg.

 

Am 18. Dezember 1937 schreibt Jochen Klepper in sein Tagebuch, das er seit 1932 führt:

„Erst um Mittag begann die fahle Wintersonne zu leuchten. Der Untergang war feierlich und groß. In der Dämmerung standen dann die Laternen wie stille Fackeln am Saume der Gärten. Die klaren schwarzen Äste über der Decke des Schnees sind so friedevoll; ein Bild der tiefen Ruhe die verschneite Gartenbank. Ich schrieb am Nachmittag ein zweites Weihnachtslied: ‚Die Nacht ist vorgedrungen ...' Das schöne Adventsgeläut".

1939 emigrierte die Tochter Brigitte nach Großbritannien. Hanni und Renate Klepper konnten sich nicht trennen, zögerten. Als die Deportation von Hanni und Renate Klepper bevorzustehen schien, zögerten die Kleppers nicht mehr. Sie wählten den Freitod und öffneten am 11. Dezember 1942 den Gashahn des Küchenherdes. Das Grab von Hanni, Jochen und Renate Klepper befindet sich auf dem Friedhof Nikolassee, nicht weit vom Wohnhaus der Familie in der Teutonenstraße 23, auf der anderen Seite des Rehwiesengrabens.

 

„Der Vater"

Vater ist ein mächtiges Wort. Der Vater ist eine Autorität. Jochen Klepper erlebte den eigenen Vater als nicht-liebende, als fordernde, aber nicht gebende Autorität, rang viele Jahre um die Schuld, die Vater und Sohn durch Nicht-Lieben, Nicht-Verstehen auf sich luden. Das bekannte er vor sich selbst, in seinen Tagebuchaufzeichnungen. Die Heirat mit der elf Jahre älteren Witwe Johanna Stein aus jüdischer Familie verzieh ihm vor allem der Vater nicht. Erst nach dem Tod des Allmächtigen fand eine vorsichtige Annäherung Jochen Kleppers mit seiner „väterlichen" Familie statt.

„Der Vater", der Roman, an dem Klepper ab 1932 arbeitete, trägt – das liegt auf der Hand – autobiographische Züge. Nicht im Detail der erzählerischen Fakten, sondern in der Betrachtung, dem unbedingten Willen ausgerechnet diesen Vater, diese zwiespältige historische Person zu verstehen.

„Der Vater", das ist Friedrich Wilhelm I., genannt der Soldatenkönig. Das ist der Hohenzollern-Fürst, der seinen ältesten Sohn, den Kronprinzen Friedrich, der ihm als Friedrich II. auf dem Thron folgte, wegen Desertion zum Tode verurteilt wissen wollte. Auf der Festung Küstrin richtete der Henker schließlich nur den Freund des Kronprinzen, Hans Hermann von Katte, und Friedrich musste der Hinrichtung beiwohnen.


Friedrich Wilhelm I. erregte Bewunderung in den europäischen Nachbarstaaten, weil er in zwei Jahrzehnten aus einem verschuldeten einen wohlhabenden Staat mit weitgehend autonomer Wirtschaft und moderner Verwaltung schuf.

Jochen Klepper denkt und fühlt sich in seine Figur hinein. Tiefe Gläubigkeit, unbedingtes Pflichtbewusstsein und ein fester Wille, Staat und Bevölkerung zu behaupten und in eine sichere Zukunft zu führen, das ist sein König. Er schildert eine liebende Autorität, deren Handeln Härten verlangt – tut Gottes das nicht auch? Daß alle Härte Liebe sei, mag Klepper oft durch den Kopf gegangen sein. Er mildert die Strenge des „Vaters" durch subtile Poesie. Der Roman „Der Vater" entwickelt einen Sog, dem sich die Lesenden nicht entziehen können.

 

Warum hat Heinrich George nie den Soldatenkönig gespielt? Weil es das Angebot nie gab. Er wäre die ideale Besetzung gewesen. Von der Statur her, von der Stimme her, wuchtig und zart von einem Moment zum anderen – ganz so, wie Klepper den König beschreibt. Der Roman des Soldatenkönigs erregte Aufsehen, fand auch in nationalsozialistischen Kreisen ein positives Echo. Ja, wäre da nicht die Jüdin gewesen, mit der der Schriftsteller verheiratet war, von der er sich nicht trennen wollte. 1942 wechselte die Zuständigkeit in der Reichsschrifttumskammer, Jochen Klepper verlor den letzten Schutz und zog die Konsequenz.


Die „Berliner Morgenpost" berichtete am 17. Dezember 2006, die Gedenktafel werde am 18. Dezember aus Anlass des Hochzeitstages von Jochen und Hanni Klepper enthüllt. So habe es die Kirchengemeinde mitgeteilt. Am 18. Dezember 1938 fand jedoch die kirchliche Trauung statt. Geheiratet hatte das Paar im März 1931.

Gerhild H. M. Komander

 

Leseempfehlung:

Jochen Klepper: Der Vater. Der Roman des Soldatenkönigs, Stuttgart und Berlin: Deutsche Verlagsanstalt 1937. 600 S. – Neuausgabe, München: dtv 1991. 928 S. 16,00 Euro

Jochen Klepper: Unter dem Schatten deiner Flügel. Aus den Tagebüchern der Jahre 1932-1942, hg. von Hildegard Klepper, Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1956; Neuausgabe, Gießen: Brunnen-Verlag 2002. 670 S. 19,95 Euro

Martin J. Wecht: Jochen Klepper. Ein christlicher Schriftsteller im jüdischen Schicksal, Düsseldorf: Evangelische Kirche im Rhld. Archiv 1998. 28,63 Euro

 

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