"Les Actions Glorieuses de Fredéric le Grand"

Ein Denkmal für Friedrich II. oder Wie "Friedrich der Große" entstand

 

Vorsicht! Wissenschaftlicher Text!

 

Am Ende des Siebenjährigen Krieges erschien in dem Verlag des Berliner Kupferstechers Johann David Schleuen eine Folge von dreißig Radierungen mit dem Titel "Les Actions Glorieuses de Fredéric le Grand, Roi de Prusse etc. etc. etc. Depuis le Commencement de son Regne Illustre Jusqu'au Tems Present" nach Zeichnungen von Christian Bernhard Rode. Sie zeigten zum ersten Mal seit dem Regierungsantritt Friedrichs II. Ereignisse aus dessen Regentschaft, "von Anfang der glorreichen Regierung bis auf jetztige Zeit", in einer umfangreichen und detaillierten graphischen Serie. Die Folge beginnt mit der Darstellung "Solenne Erbhuldigung Sr. Königl. Maj. zu Berlin d. 3. Aug. 1740" und endet mit dem Blatt "Der türkische Gesandte Achmet Effendi hält seinen öffentlichen Einzug zu Berlin den 19. Nov: 1763".1 Im Titel selbst wird indirekt auf den Zeitpunkt des Erscheinens der undatierten Radierungen hingewiesen: "Jusqu'au Tems Present". Mit dem zuletzt erwähnten Ereignis vom November 1763 wird nahegelegt, daß die Graphikfolge kurz darauf fertiggestellt wurde, Ende 1763 oder zu Beginn des Jahres 1764.

 

"Les Actions Glorieuses de Fredéric le Grand"

Die Gestaltung der "Actions Glorieuses" vermittelt den Eindruck eines graphischen Denkmals zu Ehren Friedrichs II. Formale Rückgriffe auf die historische Graphik der ersten drei Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts, sowohl auf künstlerisch aufwendige Kupferstichserien als auf populäre Druckgraphik in der Nachfolge der Flugblätter, verbinden sich mit einer neuen inhaltlichen Konzeption, die Intentionen der Aufklärung, insbesondere der Nationalerziehung des Bürgertums, realisieren wollte. Urheber dieser Charakteristika der "Actions Glorieuses" ist Bernhard Rode.

 

Johann David Schleuen

Weder Schleuen noch Rode waren zu dieser Zeit Unbekannte in Berlin. Johann David Schleuen (1711 - 1774 (?)) arbeitete als Kupferstecher, Radierer und Verleger in Berlin. Nachweisbar ist seine Tätigkeit in Berlin in den Jahren zwischen 1740 und 1774 anhand datierter und datierbarer Drucke aus seinem Verlag. "In der Königstadt am Graben, ohnweit dem Kornmagazin" besaß Schleuen ein eigenes Haus. In der dort untergebrachten Werkstätte arbeiteten auch seine Söhne Johann Friedrich und Johann David d. J. Schleuen gehört gerade in seiner Eigenschaft als Verleger zu den wichtigsten Persönlichkeiten Berlins, die sich in der Regierungszeit Friedrichs II. mit Erfolg um die Herstellung und Verbreitung populärer Druckgraphik bemühten. Schleuen nutzte dabei sowohl eigene als auch fremde Vorlagen.

 

Sein Werk umfaßt außerdem eine große Zahl von Buchillustrationen. Für die "General-Principia vom Kriege" Friedrichs II. (1753) stach er Vignetten. An Johann Bernhard Basedows "Elementarwerk. Ein Vorrath der besten Erkenntnisse zum Lernen, Lehren, Wiederholen und Nachdenken" beteiligte Schleuen sich mit mehreren Tafeln. Für die siebenbändige "Allgemeine Preußische Staats=Geschichte samt aller dazu gehörigen Königreichs, Churfürstenthums, Herzogthümer, Fürstenthümer, Graf= und Herrschaften aus bewährten Schriftstellern und Urkunden bis auf gegenwärtige Regierung", die Carl Friedrich Pauli, Staatsrechtler, Historiker und Mitglied der königlichen deutschen Gesellschaft zu Königsberg im Verlag von Christoph Peter Franckens 1760 bis 1767 in Halle veröffentlichte, schuf Schleuen Illustrationen.

 

Bis in die Gegenwart populär blieben radierte und in Kupfer gestochene Ansichten und Pläne der königlichen Bauten in Berlin und Potsdam. Seine Einblattdrucke zu Ereignissen aus den schlesischen Kriegen werden immer wieder als "Illustrationen" der friderizianischen Zeit genutzt.2 Die "Actions Glorieuses" dagegen gerieten in Vergessenheit. Die Literatur zu den schlesischen Kriegen, zur Geschichtsschreibung Friedrichs II. und benachbarter Themen berücksichtigt erst seit den Arbeiten Frank Büttners neben dem Werk Daniel Chodowieckis nun auch das Bernhard Rodes, die Druckgraphiken Schleuens scheinen jedoch weithin unbekannt zu sein, damit auch die Gemeinschaftsarbeit Rodes und Schleuens, die "Actions Glorieuses". In der Regel zitiert man Chodowiecki und die nach dem Tod Friedrichs II. erschienenen Graphiken zur friderizianischen Zeit.3

 

Christian Bernhard Rode

Christian Bernhard Rode (1725 - 1797), Maler, Zeichner und Radierer, geschult in Berlin, Paris, Rom und Venedig, entwickelte sich zu einem der ersten "preußischen Patrioten" der deutschsprachigen Zeitgenossen Friedrichs II.4 Er gilt für die Zeit von 1756 bis 1786 als der führende Historienmaler des "bürgerlichen" Berlin und als eine der wichtigsten Persönlichkeiten der "Berliner Aufkärung", in der Aufklärung und Patriotismus miteinander verbunden wurden.5

 

Sein künstlerisches Werk umfaßt eine außergewöhnliche Vielfalt bildnerischer Techniken und Themen.6 Insbesondere widmete er sich der mittelalterlichen und zeitgenössischen Geschichte in Gemälden, Radierungen und Zeichnungen. Darstellungen von Schlachten im eigentlichen Sinne, wie sie in der während der schlesischen Kriege blühenden populären Druckgraphik in großer Zahl verbreitet wurden, hatte Rode nie angefertigt. Erstmals und einzig in den "Actions Glorieuses", einer unvergleichlichen Serie von "Denkmalen", beschäftigte er sich mit diesem Bereich der Historie. Vorbilder standen ihm in formaler Hinsicht, nicht aber inhaltlich zur Verfügung.

 

Der Siebenjährige Krieg, Friedrich II. und ein bißchen Friedenszeit

Das Hauptge­wicht der "Actions Glorieuses" liegt auf den Geschehnissen des Sieben­jährigen Krieges, wie es dessen historischer Bedeu­tung ent­spricht. Er ist mit fünfzehn Blättern vertreten. Dem Ersten Schlesischen Krieg räumt Rode sechs und dem zweiten fünf Blät­ter ein, die Friedenszeit, die fast zehn Jahre währte, repräsentieren zwei Blät­ter. Ak­zeptiert man die Auswahlkriterien, die den krie­gerischen Auseinanderset­zungen Vorrang vor zi­vilen Begeben­heiten einräu­men, zeigen die "Ac­tions Glorieu­ses" einen Überblick über die wich­tigsten Ereignisse der ersten 23 Jahre der Regie­rungszeit Friedrichs II.

 

Die formale Gestaltung der "Actions Glorieuses" erweist sich als traditionell. Die dreißig Graphiken enthalten sel­ten nur allegorische Figuren, häufig dagegen allegori­sches und symbolisches Beiwerk. In einfacher Soldaten­kleidung tritt Friedrich II. den Betrachtenden auf dem Titelblatt entgegen, in einem Brust­bild im Profil, gerahmt von einem Lorbeeroval. Fama verkündet seinen Ruhm und will ihn mit einem Lorbeerkranz krönen. Chronos meißelt die Buchstaben des Titels in die Podestfront. Symbole des Krieges, Standarten, Kanonenrohre, Kugeln und Trommeln schmücken die verbleibenden Zwi­schenräume und deuten den Hauptinhalt der folgen­den Graphiken an.

 

Dem Titelblatt folgen 29 Blätter mit den Bildberichten der "Actions Glorieuses de Fredéric le Grand".

Der Bildaufbau eines jeden Blattes umfaßt meh­rere Ereig­nisse und stellt jeweils ein großes Bild­feld ins Zen­trum, das von einem Bildrahmen eingefaßt und zum Teil von Schriftta­feln unterbrochen wird. Eine Ausnahme bilden das zwölfte Blatt, auf dem zwei Medaillenansichten präsentiert werden, und das zwanzigste Blatt. Hier wurde nur Schrift ver­wendet, um ausführlich von der "Krieges-Expedition S. Kön. Hohh. des Prinzen Heinrichs in Franken vom 5. Mai bis 5. Junii 1759" zu berichten.

Den oberen Ab­schluß bildet stets ein gie­belartiger Aufbau unterschied­licher Gestal­tung. Am häufig­sten erscheinen an dieser Stelle ein Rechteck, das ebenfalls als Bild­feld genutzt wird, und eine querliegende Kartu­sche von ovaler Form und von Mar­tialien umgeben. Ebenso verwandte Rode Münzan­sichten, Kartuschen und Schriftmedaillons, die miteinan­der und mit den erwähnten Hauptele­menten mit martia­lischem oder allegorischem Bei­werk, in einzelnen Fällen auch mit al­legorischen Figuren kombiniert, das mitt­lere Bildfeld bekrö­nen. Unterhalb des­sen wurden meist kar­tuschenartige oder rechteckige Bildfel­der pla­ziert, durch schmückendes Beiwerk ergänzt.

 

Die Hauptbildfelder sind dem jeweils entscheidenden Ereignis des Jahres gewidmet: 1741 die Schlacht von Mollwitz, 1744 die Eroberung von Prag, die Ver­besserung des Justizwesens im Jahr 1746 oder die Bataille von Lobositz 1756. Die beigeordneten Bildfelder enthalten zumeist die Wiedergabe weiterer Ereignisse, in einigen Fäl­len jedoch wird eines von ihnen zur ergänzenden Erläuterung des im Hauptbildfeld gezeigten gebraucht, wenn die ange­hängten Schrifttafeln mit ihren deutschen und französischen Texten hierzu nicht ausreichen. Es sollte gleichfalls das französischsprachige Bürgertum angesprochen werden, dem führende Vertreter der "Berliner Aufklärung" und des "Preußischen Patriotismus" entstammten. Möglicherweise verbirgt sich dahinter auch ein Versuch der Annäherung an den frankophilen König.

Die Szenen innerhalb der Hauptbildfelder orientieren sich an der zeitgenössischen populären Druckgraphik: šber­schau, Kavaliersperspektive, Nah- und Fernsicht, eine große Fi­gurenzahl, beeindruckende Rei­tergefechte im Vorder­grund, dekorative Truppenaufstellungen im Hintergrund und der Ein­satz von Rauch- und Pulverwolken konsti­tuieren die Darstel­lungen. Der wesentli­che Unterschied be­steht in den fehlenden Le­genden. Rode beschränkt sich auf Tafeln mit kurzen Texten, um den denkmalhaften Charakter nicht zu beeinträchtigen.

 

Dieser Eindruck besteht zuerst in der Wahrnehmung der plastischen architektonischen Grundform der Rahmung, die die Graphiken in die Nähe von Epitaphien, Altaraufbauten und Denkmalsockeln rücken. Mehrmals wird das Hauptbildfeld wie die Sei­tenansicht eines Denkmalsockels behandelt, des­sen steiner­ner Grund hinter der Bildrahmung sichtbar wird. Obere und untere Bildfelder mit ihren giebelarti­gen Elementen weisen auf Epitaphien und Altarreta­beln hin. Das aufgeklärte Zeitalter, in dem Bernhard Rode lebte, suchte sich einen neuen Gegenstand kultischer Verehrung.

Hinzu kommt die dekora­tive Verwendung der allegorischen und symbolischen Ele­mente, die als Bekrönungen, Betonungen, Rahmungen und bloße Füllungen auftreten. In sol­chen Kompositionen haben ausführliche Legen­den nichts zu suchen, da sie Bestandteile von Flugblättern und Schlachtendarstellungen in der Form von Überschaubildern sind.7

 

Propaganda und Selbsterhöhung: Graphikserien im Barock

Die "Actions Glori­euses" können in ihrer formalen Konzeption in die Tradition barocker Kupferstichserien zur europäischen Geschichte gestellt werden - berücksichtigt man die zeittypischen künstlerisch-ästhetischen Neuerungen, vor allem den Verzicht auf repräsentative, allegorische Erhöhung der Darstellungen -, für die die Folge vom "Spanische[n] Sukzessionskrieg" aus dem Jahr 1723 stellvertretend erörtert wird.

"Der Spanische Sukzessionskrieg unter drey Großmächtigst= Unüberwindlichst= Glorwürdigsten Keysern Leopoldo I. Josepho I. und Carolo VI. innerhalb 14 jahren mit siegreichsten Progressen biss zu dem Baadischen Frieden so heldenmässig als glücklich geführt" wurde der Nachwelt "durch gegenwärthig anmuthiges Werck" von dem Augsburger Verlag Jeremias Wolff Erben in 56 Kupferplatten "zu beharrlicher Bewunderung" vorgestellt. Die kaisertreuen Verleger in der freien Reichsstadt Augsburg beschäftigten namhafte Künstler wie Paul Decker d.J., Abraham Drentwett und Georg Philipp Rugendas als Vorlagenzeichner für eine Riege ebenso bekannter Kupferstecher. In reich ornamentierte Rahmen gefaßt stellen die Stiche Belagerungen, Schlachten und andere Begebenheiten des Spanischen Erbfolgekrieges ausschließlich militärischen Charakters dar.8

 

Streng architektonisch geht es bei diesen Bildaufbauten nicht zu. Sie lassen an spätbarocke Innenausstattungen denken, an die Wandgliederung von Fürstengalerien: ein großformatiges Gemälde, gerahmt, schließt auf einer Sockelzone ab, die gleichfalls als Bildfläche dient, sie trägt mittig eine Schriftkartusche, umgeben von allegorischen Figuren. Auf dem Bilderrahmen ruht ein filigraner Giebel aus Voluten oder überfängt eine Karte den Rahmen, begleitet von Putti und Genien; gelegentlich erscheint ein kaiserliches Porträt in einem Sonnenkranz darüber. Rechts und links des Bildbereichs füllen Bänder in der Art von Textilbahnen, geschmückt mit kaiserlichen Emblemen vor verschlungenen Grotesken und Martialien, das Rechteck der Kupferplatte. Die höchst phantasievolle ornamentale Gestaltung gerade der seitlichen Bildzonen erzielt oftmals eine illusionistische Wirkung. Pulverdampf umhüllt die aufgereihten Dekorationselemente, als handle es sich bei der Bildrahmung um eine ephemere Architektur, aufgestellt auf dem Schlachtfeld. Das "Gemälde" stellt das betreffende Ereignis dar, die untere Kartusche enthält die Beschreibung, die Bekrönung eine ergänzende Karte.9

 

Die Gliederung des Bildaufbaus in ein gerahmtes Hauptbildfeld mit oberer und unterer Erweiterung durch eine Kartusche und ein Giebel entspricht der der "Actions Glorieuses". Das schmückende Beiwerk ist dem jeweiligen Zeitgeschmack angepaßt. Im "Spanischen Sukzessionskrieg" spielen die Künstler mit den einzelnen Schmuckelementen auf die Kriegsereignisse insgesamt an, nicht aber direkt auf das im Hauptbildfeld dargestellte Ereignis. Dieses Beiwerk allegorischen und symbolischen Inhalts reduziert Rode in den "Actions Glorieuses", läßt es auf einigen Blättern ganz fehlen.

Stärker als das Bemühen um historische Genauigkeit tritt im "Spanische[n] Sukzessionskrieg" der repräsentative Anspruch des Siegers, als welcher der Kaiser herausgestellt wird, hervor. Repräsentativen Funktionen soll auch das Werk von Rode und Schleuen dienen. Doch rücken in den "Actions Glorieuses" die ausgewählten Ereignisse stärker in den Vordergrund des Bildes, statt der symbolisch-dekorativen Verkleidung untergeordnet zu werden.

 

Der Berliner Künstler Bernhard Rode geht seinen eigenen Weg

Der formalen Übereinstimmung der "Actions Glorieuses" mit Kupferstichfolgen aus den ersten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts - wie dem "Spanische[n] Sukzessionskrieg" - steht eine gänzlich veränderte inhaltliche Zielsetzung Rodes in der Berliner Folge gegenüber. Der Ruhm der Kriegshelden wird nicht mehr für Rechtsansprüche und dynastische Legitimation funktionalisiert, sondern für die Entwicklung eines nationalen Selbstbewußtseins, des preußischen Patriotismus, instrumentalisiert.

 

Rode beschritt mit dieser Intention in den "Actions Glorieuses" gänzlich neue Wege, jedoch nicht zum ersten Mal. Für viele Motive seiner historischen Gemälde und Graphiken gab es keine thematischen Vorbilder. Bereits sein Oeuvre der frühen und der folgenden Jahre, vor und nach der Entstehung der "Actions Glorieuses", trug bei zu einer "wesentliche[n] Erweiterung des Bildrepertoires der deutschen Historienmalerei".10 Diese auf Buchillustrationen Bernhard Rodes bezogene Feststellung Hans Jacob Meiers läßt sich auf dessen gesamtes Schaffen ausdehnen. Pigler nennt in seinem Handbuch "Barockthemen" für zahlreiche Stichworte Rodes Werke - vor allem Graphiken von seiner Hand - als einzige Darstellung aus dem 18. Jahrhundert, für viele Themen als einzigen Beleg für die Zeit des Barock und Rokoko.11

 

Im Sinne der deutschen Aufklärung befolgte Rode als Künstler konsequent einen umfangreichen Pflichtenkanon, in dem die Nationalerziehung des Volkes, insbesondere des gebildeten Bürgertums, einen hohen Stellenwert inne hatte. In der engen Zusammenarbeit mit dichtenden und philosophierenden Zeitgenossen, mit denen er persönlich bekannt und befreundet war, fand er eine reiche, nicht versiegende Quelle der Inspiration für darstellenswerte Ereignisse aus der mittelalterlichen und neuzeitlichen Geschichte Europas.

 

Erste Historien Rodes nach Maßstäben der Aufklärung, für die Berlin seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ein Zentrum wurde, sind aus den vierziger Jahren bekannt. Ein Jahrzehnt später widmete er sich einem Zyklus von zwölf Gemälden mit Motiven aus der brandenburgischen Geschichte, dem er die "Mémoires pour servir … l'histoire de la maison de Brandebourg" Friedrichs II. zugrunde legte.12 Die heute verschollenen Gemälde, für die sich der König, der Gegenstand der patriotischen Verehrung, nicht interessiert zu haben scheint, erschienen 1768 als Radierungen im Taschenkalenderformat, verkleinert von Daniel Chodowiecki, radiert und gedruckt im Verlag von Johann David Schleuen. Mit den Vignetten im Geschmack des Rokoko, die Georg Friedrich Schmidt für die "Mémoires" Friedrichs II. angefertigt hatte, haben sie nichts gemein.13

 

Die ablehnende Haltung Friedrichs II. gegen die Historien Rodes, gegen eine Verherrlichung seiner Person und der Ereignisse der schlesischen Kriege beeinflußte den Patriotismus Bernhard Rodes nicht.14 Im Gegenteil liegt der Schwerpunkt des an der brandenburgischen Geschichte orientierten Werkes Rodes in den siebziger und achtziger Jahren, in denen sein künstlerisches Ringen um adäquate bildliche Formulierungen zu den brandenburgischen und friderizianischen Historien - wie auch zu Darstellungen aus der deutschen und europäischen Geschichte - deutlich hervortritt.

 

Rode und die königlichen Erinnerungen...

Für die erste Bilderserie zur brandenburgischen Geschichte hatte Rode sich an die "Mémoires pour servir … l'histoire de la maison de Brandebourg" Friedrichs II. angelehnt, wie er betonte. Der König hatte sich selbst der brandenburgischen Geschichte angenommen, da Preußen als einziger "gesitteter" europäischer Staat bislang keine Geschichtsschreiber gefunden habe.15 Bernhard Rodes Bilderserie entstand als malerisches und graphisches Pendant zu den Schriften seines Königs.16

Auch die eigene Regierungszeit beschrieb Friedrich II.: "Die Geschichte meiner Zeit" und die "Geschichte des Siebenjährigen Krieges". In diesen Texten läßt sich der Versuch sehen, "die staatliche Existenz Preußens und den eigenen Standort näher zu bestimmen."17 Die historiographischen Werke zu den schlesischen Kriegen wurden jedoch aus Gründen der politischen Rücksichtnahme nicht zu seinen Lebzeiten veröffentlicht, so daß anzunehmen ist, daß Rode sie nicht kannte und nicht für die "Actions Glorieuses" verwenden konnte. Wie also kam Rode dieses Mal zu seinen Bilderfindungen, den Darstellungen der "Actions Glorieuses"?

 

Antwort gibt die Analyse der Motive und Texte. Rahmung und szenische Gestaltung der Hauptbildfelder scheiden für diese Betrachtung aus, da ihre konventionelle Konzeption, wie gezeigt wurde, keine Rückschlüsse zulassen, die die Frage beantworten könnten, auf welcher Grundlage Rode seine Motive und deren inhaltliche Ausrichtung wählte.

 

"Les Actions Glorieuses de Fredéric le Grand"

In den Mittelpunkt der dreißig Radierungen stellt Rode den König. Ihm ist der Titel der Serie gewidmet, "Les Actions Glorieuses de Fredéric le Grand (...)". Sein Porträt schmückt das Titelblatt. Das erste Blatt zeigt die "Solenne Erbhuldigung Sr. Königl. Maj. zu Berlin d. 3. Aug. 1740." und die erste wichtige Amtshandlung Friedrichs II.: "Durch Eröffnung der Königl. Magazine wird dem überhand nehmenden Brotmangel abgeholfen. im Juni 1740." Die im Verlauf der Kampfhandlungen erreichten weiteren Erbhuldigungen werden vollständig aufgeführt: zu Breslau durch Friedrich II. (viertes Blatt), zu Glatz durch Leopold von Anhalt-Dessau und zu Neisse durch Ludwig von der Marwitz (5. Blatt) sowie - außerhalb der Kriegereignisse - zu Emden durch den Baron von Cocceji (7. Blatt).

 

Die Schlachten des Ersten und des Zweiten Schlesischen Krieges "unter Höchsteigener Anführung Se. Kön. Maj:", Mollwitz (3. Blatt), Chotusitz (6. Blatt), Hohenfriedberg (8. Blatt) und Soor (9. Blatt) nehmen selbstverständlich die jeweiligen Hauptbildfelder ein. Jene militärischen Höhepunkte, die nicht unter dem Kommando Friedrichs II. standen, werden mit einfachen sprachlichen Mitteln mit dem König in Verbindung gebracht. Zur Eroberung der Festung Groß-Glogau durch Leopold von Anhalt-Dessau wird berichtet, daß diese "an 10. Wochen lang von den Königl. Trouppen war eingeschlossen worden" (2. Blatt), desgleichen die Einnahme der Stadt Breslau (4. Blatt).

 

Zivile Ereignisse während und zwischen den Kriegen berücksichtigt Rode ebenfalls. Das fünfte Blatt erwähnt das "Beilager Sr. Kön. Hoh: Prinz August Wilhelms von Preussen, mit der Durchl. Pr: von Braunschw: Wolfenbüttel Louisa Amalia zu Berlin. d: 6. Jan 1742." Das siebente Blatt widmet Rode überwiegend zivilen Begebenheiten. Um die Erbhuldigung von Ostfriesland werden die Einweihung des Opernhauses in Berlin, das Beilager Luise Ulrikes und Adolf Friedrichs sowie die Eroberung von Prag gruppiert.

 

Bemerkenswert erscheint die Art und Weise, in der Rode die Friedensschlüsse hervorhebt. Derartige Ereignisse erregten zu allen Zeiten in allen Bevölkerungsteilen großes Aufsehen. In Berlin und an anderen Orten des Deutschen Reiches erschienen 1742, 1745 und 1763 mehrere Druckgraphiken zu diesen Anlässen, auch aus dem Verlag Johann David Schleuens, der sich bereits in den Kriegsjahren mehrfach mit Druckgraphiken an der Verbreitung von Nachrichten aus den Kämpfen um Schlesien beteiligt hatte. Charakteristisch für alle drei Blätter der "Actions Glorieuses", die sich den Friedensschlüssen der schlesischen Kriege widmen, ist es, daß Rode den Publikationen aller drei Friedensschlüsse mehr Aufmerksamkeit schenkt als deren Ratifikation.

 

Obwohl an anderen Stellen der "Actions Glorieuses" zu bemerken ist, daß Rode keine exakten Kenntnisse über die schlesischen Kriege besaß, lag ihm offensichtlich gerade an einer ausführlichen und korrekten Darstellung der Friedensschlüsse.18 Das sechste Blatt nennt "Die Friedens=Präliminarie zu Breslau" und berichtet, daß diese "durch den Herrn Graf v. Podewils, u. den Hn. Lord Hindford, d. 11. Junii 1742. unterzeichnet, der völlige Friedens-Tractat aber d. 28. Jul: zu Berlin, zur Richtigkeit gebracht." Außerdem werden auf diesem Blatt die "Publication des Bresl. Friedens, im Kön: Lager bei Kuttenberg. den 22. Junii.", die "Solenne Friedens-Publicat: zu Berlin, d. 30. Junii. auf dem grossen Parade-Platz u.s.f." und mit Ausrufen der Freude: "Friede! Friede!" die Publikation der Friedenspräliminarien in Breslau am 27. Juni aufgezählt. Den krönenden Abschluß bildet Dichters Wahrheit: "Es komt Gott Eh wir uns versehn und laesset uns viel Guts geschen."

 

Alle hier gemachten Angaben stimmen mit den bekannten historischen Fakten überein. Umso verwunderlicher, daß Rode den bedeutsamen Inhalt des Breslauer Vorfriedens und des Friedens von Berlin mit keinem Wort erwähnt. Maria Theresia trat dem preußischen König nichts geringeres als ihre reiche Provinz Schlesien auf ewige Zeiten ab. Die unterschiedliche Handhabung der Fakten zu den Friedensschlüssen einerseits und den eigentlichen Kriegsereignissen, läßt darauf schließen, daß Rode aus den zur Verfügung stehenden Nachrichten zu den schlesischen Kriegen, jene herausgriff, die in der Öffentlichkeit für bedeutsam befunden wurden, und die Begebenheiten hinzufügte - vor allem zivile, aber auch militärische Ereignisse jenseits der großen Schlachten -, die nach seinen Maßstäben nicht fehlen durften. Exemplarisch sei an die "Beilager" der königlichen Geschwister erinnert. Die Eheverbindungen der jüngeren Geschwister Friedrichs II., deren Vormund er war, spielten innerhalb der Familie eine große Rolle, wurden aber in der populären Druckgraphik nicht bedacht.

 

Auf keinem Blatt zu dem Ersten und dem Zweiten Schlesischen Krieg versäumt Rode, den König zu erwähnen oder Ereignisse aufzuzählen, von denen allgemein bekannt gewesen sein dürfte, daß Friedrich II. als Urheber dahinter stand. Friedrich bleibt Mittelpunkt auf jedem Blatt.

Nach dem Friedensschluß von Dresden wird die Konzentration auf den König, von der der Titel der "Actions Glorieuses" spricht, indem ausschließlich die glorreichen Taten Friedrichs des Großen angekündigt werden, gelockert. Das zeigt sich in den fünfzehn Blättern, die Rode dem Siebenjährigen Krieg vorbehielt, besonders deutlich. Bevor er sich diesem zuwendet, erhalten auf zwei Blättern kulturelle, juristische und wirtschaftliche Ereignisse Raum, um auch die nicht-militärischen Taten Friedrichs II. zu Wort kommen zu lassen. Denn es war ganz in Rodes Sinne und des von ihm befürworteten aufgeklärten Absolutismus, daß der Monarch über die Bereiche der Regierungsgeschäfte hinaus für alle Angelegenheiten seines Staates Sorge trug. Es werden der Bau des Schlosses Sanssouci, der französischen Kirche zu Berlin und der reformierten Kirche in Breslau sowie der Neubau der Akademiegebäude erwähnt, das königlich-preußische Landrecht und die allgemeine Verbesserung des Justizwesens, die Einrichtung der asiatischen Handelskompanie zu Emden, die Gründung des Invalidenhauses zu Berlin und höfische Feierlichkeiten, das "Caroussel" zu Ehren des Besuchs der Markgräfin Wilhelmine und die Hochzeiten der königlichen Brüder Heinrich und Ferdinand.

 

Ein guter König verdient ein dankbares Volk

Ein guter König verdient ein dankbares Volk. Und wie konnte das Volk seinem König besser danken als durch getreue Untertänigkeit, Liebe zum Vaterland, wie sie sich im Verlauf des Siebenjährigen Krieges beweisen sollte. So jedenfalls forderten es die preußischen Patrioten der Berliner Aufklärung, zu denen Bernhard Rode zählte. Dieser Krieg ist als die eigentliche Wurzel des Preußischen Patriotismus zu betrachten, der nach dem Tod des Königs 1786 pathetische Züge annahm.19 Das zeigt sich in der ansteigenden Produktion populärer Druckgraphik ebenso wie in der Literatur - allem Elend der folgenden Kriegsjahre zum Trotz, die auch die brandenburgisch-preußische Wirtschaft in ihren Strudel riß und fast vernichtete. Die integrative Kraft des Siebenjährigen Krieges war enorm.

 

Auch die "Actions Glorieuses" müssen als ein Teil dieser Entwicklung gesehen werden, sogar als ein aktiver Teil. Die Blätter zum Siebenjährigen Krieg unterscheiden sich von den vorhergehenden zunächst dadurch, daß jedes einzelne Blatt weit mehr Ereignisse aufzählt. Das entspricht der größeren Komplexität der militärischen Abläufe.

 

Exemplarisch sei das 16. Blatt vorgestellt, das die Schlacht bei Rossbach und die dazu ausgewählten Nebenszenen enthält. Es zeigt in seinem Hauptbildfeld die "Bataille bei Rosbach in Sachsen, d. 5. Nov. 1757, wo S.K.M. v. Pr. mit 20000 M: die vereinigte Franz: u. Reichsarmée aus 50000 M. bestehend, nach einer 1 1/2 Stunden dauernden Action, gänzl. in die Flucht geschlagen, u. zu Gefangenen gemacht: 8 Gen. 250 Off. u. 6000 gemeine. erobert 63. Canon. 15. Standarten, 7 Fahnen. die Franz: Armée hat 1500. Todte, die Preuss: nur 100. gehabt. Die Reichs-Armée hat gleich anfangs die Flucht genommen".

 

In dem "Giebel" der Graphik wird in einem Rechteckfeld die "Action bei Gr. Jägersdorf in Preußen, d. 30. Aug: 1757" vergegenwärtigt. Der weitere Text berichtet: "Der Feld=Marschal v. Lehwald griff die Russ: Armée aus 80000. M. bestehend, in ihrem fest verschantzten Lager an, u: warf die 1.te Linie gänzl: übern haufen, eroberte 3 Batterien u: etl: 60. Canon: u. zog sich nach einem Verlust v. 3000 M: in das Lager bei Wehlau zurück. die Russ. Armée hat 9000 Todte gehabt."

Zwei kleine Querovale befinden sich unterhalb des Hauptbildfeldes: Die "Action bei Hennersdorf, d. 7. Sept. 1757. alwo ein Oesterr. Corps von 15000. M. 2. Preuss. Bat. angegriffen, und an 3000 M. dabei eingebüsset. der Preuss. Verlust ist 800. M. am meisten war zu bedauren der brave General v. Winterfeldt." und "Erfurt wird von den K: Preuss: Trouppen eingenommen u: besetzt. d. 13. Sept. 1757."

 

Rode ist bemüht, keine "Action", keine "Bataille", weder eine Flucht noch einen Rückzug der Gegner auszulassen, die geringsten Erfolge, Eroberungen, Belagerungen, Gefangennahmen usw., zu erwähnen. Wie für die Feldberichterstattung werden erbeutete Kanonen, Fahnen, Standarten und Munitionswagen aufgezählt. Mit keinem Bild und keinem Wort aber werden die preußischen Niederlagen erwähnt, die Schlacht von Kunersdorf fehlt. An dieses Ereignis, das Friedrich II. am Abgrund oder - wie später von Daniel Chodowiecki so benannt - "Friedrich im Unglück" zeigte, wagte sich Rode erst Jahrzehnte später, als es gelungen war, aus dem drohenden Untergang Friedrichs II. und seiner Armee einen Sieg zu machen: "Friedrich der Große läuft Gefahr bey Franckfurt oder Kunersdorf von den Cosaken gefangen zu werden."20 Eine zeitgenössische Graphik ist nur von der Hand des Augsburger Kupferstechers und Verlegers Johann Martin Will bekannt. Merkwürdigerweise bleibt auch der Tod des Majors Ewald von Kleist, Dichter im Kreis der Berliner Aufklärer und glühender Patriot, in den "Actions Glorieuses" unerwähnt. 1759 hatte Bernhard der gefallenen Helden des Siebenjährigen Krieges, Schwerin, Winterfeldt, Keith und Kleist gedacht und Gedenkbilder gemalt, die er der Garnisonkirche in Berlin schenkte. 1774 setzte Rode ihnen graphische Denkmale, die möglicherweise nach den heute verschollenen Gemälden angefertigt wurden.21

 

Verhaltenes Heldenlob in patriotischer Zeit

In den "Actions Glorieuses" werden "Heldentum" und "Heldentod" Einzelner nur verhalten geschildert. Großes Pathos gibt es nicht. Wenige Wort erinnern an den Tod Schwerins: "Hier blieb der tapfre Feld M: v. Schwerin." (15. Blatt). Zum Tod Winterfeldts heißt es, "am meisten war zu bedauren der brave General v. Winterfeldt."(16. Blatt). Allein die Adjektive vor Titel und Namen der Gefallenen heben diese Persönlichkeiten vor den anderen Soldaten hervor. Auch die Verdienste der friderizianischen Offiziere werden nicht besonders hervorgehoben. Der nach militärgeschichtlicher Einschätzung bedeutende Anteil Friedrich Wilhelms von Seydlitz an den Siegen von Rossbach und Zorndorf findet keine Erwähnung. Auch der in späteren Jahren sehr gefeierte Soldatenmut Kurt Christophs von Schwerin in der Schlacht bei Prag wird nicht geschildert.

Eine Ausnahme bildet die "Krieges-Expedition S. Kön. Hohh. des Prinzen Heinrichs in Franken vom 5. Mai bis 5. Junii 1759", der ein ganzes Blatt vorbehalten wird, auf dem ausschließlich Text von den militärischen Erfolgen des königlichen Bruders berichtet. Die Lücken in den Darstellungen der "Actions Glorieuses" stehen in einem zwiespältigen Verhältnis zu den Texten der Radierungen. Werden doch bei zahlreichen anderen Gelegenheiten immer wieder die Namen verdienter Soldaten genannt, die nie die Popularität eines Schwerin, Winterfeldt und Kleist erreichten: Werner, Puttkammer, Wartenberg, Malachowski, Lehwald, Manteufel, Fouqué, Keith, Retzow, Driesen, Wedel, Dohna, Heiden, Knobloch, Hülsen, Hordt, Wünsch, Fink, Rebentisch, Belling, Syburg.

 

Da für die Konzeption der "Actions Glorieuses" keine schriftlichen Quellen aufzufinden und auch andere Quellen nicht vorhanden sind, können nur Mutmaßungen über die Gründe dieser Ambivalenz angestellt werden. Mit eventuell mangelhaften Kenntnissen Rodes und Schleuens von den Ereignissen des Siebenjährigen Krieges ließe sie sich nicht erklären.

 

Im Vordergrund der Darstellungen der "Actions Glorieuses" steht die Summe der einzelnen Taten, die siegreiche Eroberung Schlesiens durch die preußische Armee unter Anführung des Königs, wie die fast unübersichtliche Textfülle der Blätter veranschaulichen will. Dahinter steht die Intention Rodes, die Betrachter der "Actions Glorieuses" auf einen Patriotismus einzuschwören, der König und Vaterland dient. Seine ambivalente Haltung gegenüber den Offizieren der preußischen Armee erklärt das nicht zufriedenstellend. Rode fügt die legendär gewordenen Schlachten Friedrichs II. und seiner Generäle zu einem Denkmal zusammen, dessen Fundament der König bildet.

 

Am Ende des Siebenjährigen Krieges standen die "Helden" des Krieges gewissermaßen noch nicht fest, jedenfalls läßt sich dieser Schluß aus einer Betrachtung der Druckgraphik ziehen, die während des Siebenjährigen Krieges entstanden war, also vor den "Actions Glorieuses". Einen großen Anteil an diesen zeitgenössischen Graphiken haben süddeutsche und englische Kupferstecher und Verleger, einige in Breslau und Dresden. Verhältnismäßig wenige Blätter wurden gleichzeitig in Berlin gedruckt, im Verlag von Johann David Schleuen. Andere, namentlich gekennzeichnete Blätter sind nicht bekannt.22

Die Ereignisse des Ersten und des Zweiten Schlesischen Krieges hatte der Berliner Kupferstecher Georg Paul Busch, Lehrer des berühmten Georg Friedrich Schmidt, kommentiert. Busch verstarb im ersten Jahr des Siebenjährigen Krieges, 1756.23 In der zwischen 1740 und 1756 erschienenen Druckgraphik zu den Kämpfen um Schlesien wurden selten die Namen der Feldherren hervorgehoben. Gelegentlich nennen Blätter der österreichischen Parteigänger Daun und Laudon. Ganz erstaunlich eine einzige Radierung zum Tod des Generals Keith, die Joseph Erasmus Belling anfertigte: "Accurate Vorstellung des Begräbniss des tapfferen Preussischen General Keith, welcher den 14. October 1758 in der Bataille bey Hochkirch durch einen Musgeten Schuss gethötet worden, so dann nach der Action auf Befehl des Kayserlichen Königlichen Feldmarschall Graf von Daun mit allen Ehren Zeichen (...) begraben".24 Belling ehrt den preußischen Gegner, Graf Daun, der seinem Feind die letzte Ehre erweist.

 

Vom Tode für das Vaterland

Für die zeitgenössische Graphik in Berlin war der Soldatentod noch kein Thema. Hier zeigte sich die Literatur fortschrittlicher. 1761 veröffentliche der Freund und Mitstreiter Rodes, Friedrich Nicolai, die Schrift "Vom Tode für das Vaterland", die der Popularphilosoph Thomas Abbt verfaßt hatte. Den König, die preußischen Siege und den "Tod fürs Vaterland" feierte auch Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Ewald Christian von Kleist war dem Aufruf seiner eigenen Gedichte gefolgt.25 In diese Entwicklung passen sich die "Actions Glorieuses de Fredéric le Grand" ein, trotz der angesprochenen und nicht geklärten Widersprüche. Rodes erster Versuch einer Würdigung der gefallenen preußischen Helden war 1759 noch ohne Erfolg geblieben. Mit diesem graphischen Werk konnte ein größeres, nicht-adliges Publikum erreicht werden, das sich offensichtlich enthusiastischer dem Preußischen Patriotismus zuwandte.

 

Auch über die Grenzen Brandenburg-Preußens hinaus hallte der militärische Ruhm Friedrichs II. durch Europa und animierte Kupferstecher und Verleger in Nürnberg, einer Hochburg der graphischen Künste im Deutschen Reich, zu zeitgenössischen Graphikserien, die die militärischen Einzelheiten des Siebenjährigen Krieges im nüchternen Gewand der Kartographie vergegenwärtigen.

 

"Auf Kosten der Raspischen Buchhandlung" wurden die "Perspectivische Vorstellung der im jetzti­gen Kriege vorgefallenen merkwür­digsten Bataillen und Bela­gerungen samt ei­ner beygefügten Erklärung" und der "Schau­platz des gegenwär­tigen Kriegs durch accurate Plans von den wichtigsten Batail­len Belage­rungen und Feldlaegern" gedruckt. Die "Per­spectivische Vorstellung..." gibt in Buchform auf vierzehn Blättern ein­zelne Schlachten und Belagerungen wieder, die in der Über­schau, ausge­hend von der Kavaliersperspektive, eine figür­liche Gesamt­ansicht des Schauplatzes anstreben. Eine Le­gende zu je­dem Blatt erläutert die strategischen Zusammenhänge. Der "Schau­platz" dagegen, aus 96 Einzelgraphiken eben­falls zu einem Buch geheftet, enthält nur kartographi­sche Darstel­lungen, far­big lavierte Stiche mit einem erklärenden Titel und einer Legende, die den Betrach­ter durch das Gelände führt. Wenn auch die Nürnberger Stichfol­gen der Ber­liner Verherrlichung entbehren, ist ihre Ausführlichkeit und Genauigkeit ein Indiz für den Ruhm und das Ansehen, das dem Gegner Maria There­sias in Europa gezollt wurde. Ähnliche Werke von österreichi­scher Seite sind nicht bekannt. Trotz der Gratwanderungen, die Friedrich II. als Feldherr während dieses Krieges un­ternahm, der ihn und das Land mehrfach an den Rand des Ruin geführt hatte, ging er als Sieger aus die­sem hervor. Wie stark der Erfolg des Königs von den Untertanen empfunden wurde, zeigen beispielhaft die "Actions Glorieuses" von Rode und Schleuen.

 

Friedrich II. selbst hatte seine Soldaten zu ruhmreichen Taten aufgerufen. In der "Geschichte meiner Zeit" zitiert er die eigene Ansprache, die er vor den Offizieren der Berliner Garnison gehalten hatte: "Meine Herren, ich unternehme einen Krieg, für den ich keine andern Bundesgenossen habe als Ihre Tapferkeit und Ihren guten Willen. Meine Sache ist gerecht, und ich vertraue auf mein Glück. Bleiben Sie stets des Ruhmes eingedenk, den Ihre Vorfahren sich erwarben auf den Feldern von Warschau, von Fehrbellin und auf dem Zuge nach Preußen. Ihr Schicksal ruht ihn Ihren eignen Händen; Auszeichungen und Belohnungen warten nur darauf, daß Sie sie durch glänzende Taten verdienen (...)."26 Friedrich lobt "den Heldentod" seiner Offiziere, die "Wunder der Tapferkeit" seiner Truppen27 und spricht von dem "unsterblichen Ruhm" "eine(r) Unmenge von Offizieren, die wir wegen ihrer großen Zahl nicht aufführen können."28

 

Den enthusiastischen Patriotismus, der aus den aufwendig gestalteten Blättern Rodes und Schleuens zu lesen ist, teilte Friedrich II. nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges nicht mehr. Dennoch liegen seine Wurzeln sowohl in diesem Krieg und in der Person Friedrichs II. als auch in der Aufklärung, die durch ein wiedererstarkendes Bürgertum in Berlin Fuß fassen konnte. Diese Entwicklung begann bereits mit dem Ausbruch der Kampfhandlungen 1756. Die "Actions Glorieuses" bilden einen der ersten Höhepunkte patriotischer Graphik und blieben dennoch bisher in der Sekundärliteratur weitgehend unbeachtet. Die Folgen der Entwicklung lassen sich in der graphischen Produktion der achtziger Jahre ablesen, die immer wieder Gegenstand der Forschung zur brandenburgisch-preußischen Geschichte und Kunstgeschichte waren und bleiben werden.

 

Gerhild H. M. Komander, 1999

 

Anmerkungen

1 Vgl. Komander 1995, S. 433 - 440; dort werden alle Blätter der Serie mit Angabe sämtlicher Ereignisse aufgeführt. Eine vollständige Serie der "Actions Glorieuses de Fredéric le Grand" besitzt das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin PK.

2 Abbildungen befinden sich in: Benninghoven u.a. 1986, S. 306, 308, 347.

3 Zuletzt wurden sie erwähnt in: Benninghoven u.a. 1986. Die Graphiken zur friderizianischen Zeit, die nach dem Tode Friedrichs II. erschienen, behandelt ausführlich Börsch-Supan 1979. Vgl. dazu auch Komander 1995, S. 305-324 (Daniel Chodowiecki) und S. 325-342 (Daniel Berger).

4 Zur Biographie Rodes vgl. Jacobs 1990, Michaelis 1994 und Komander 1998. Dort auch die ältere Literatur zu Rode. In Paris war Rode der Schüler Carle Vanloos, in Berlin Antoine Pesnes. Zum "preußischen Patriotismus" vgl. Komander 1995, S. 250-272 und Hellmuth 1998.

5 Vgl. Büttner u.a. 1986, S. 8-14, Komander 1995, S. 231-235, 264-272.

6 Vgl. die Literatur in Anmerkung 4, sowie Büttner 1986 und Komander 1997.

7 Vgl. Komander 1995, S. 6-7.

8 Vgl. Komander 1995, S. 107 -108. Exemplare des Werkes befinden sich im Heeresgeschichtlichen Museum Wien und im Kupferstichkabinett der Veste Coburg. Zu den Kupferstechern des Werkes gehörten unter anderen Johann August Corvinius, Johann Jacob Kleinschmidt, Martin Engelbrecht und Johann Balthasar Probst.

9 Diese Beschreibung ist exemplarisch, trifft nur für einen Teil der Blätter des Zyklus' zu. Andere, von der formalen Konzeption der "Actions Glorieuses" abweichende Kompositionen bleiben an dieser Stelle unerwähnt.

10 Meier 1994, S. 60.

11 A. Pigler, Barockthemen, Budapest 1974.

12 Zur Geschichte der Gemälde vgl. Büttner 1986, S. 10. Zur inhaltlichen Konzeption dieser Serie und der danach angefertigten Radierungen vgl. Komander 1986, S. 49.

13 Eine ausführliche Beschreibung der zwölf Blätter zur brandenburgischen Geschichte bei Komander 1995, S. 251-255. Abbildung aller zwölf Radierungen bei Michaelis 1999, der sich auf die Wiedergabe der Blätter und den Abdruck der passenden Textpassagen aus den "Mémoires" Friedrichs II. beschränkt. Zu Schmidt vgl. Weinreich 1978, S. 110-113 und Komander 1995, S. 181-191.

14 Rode hatte nach seiner Rückkehr nach Berlin versucht, in die Dienste des Königs zu gelangen. Tatsächlich erhielt er 1767 einen Auftrag für Plafondgemälde in der Marmorgalerie und im Grottensaal im Neuen Palais. Das Gemälde im Grottensaal mußte aufgrund von Baumängeln in der Deckenkonstruktion abgenommen werden und wurde 1806 durch ein Werk von Niedlich ersetzt.

15 Werke Friedrichs des Großen, Bd. I, S. 8.

16 Zu den Unterschieden zwischen den Bildern Rodes und Schmidts, die sich aus der gesellschaftspolitischen und moralischen Haltung Rodes ergaben, vgl. Komander 1995, S. 253-254. Auch die Haager Ausgabe der "Mémoires" aus dem Verlag Jean Neaulmes setzte einige andere Akzente in der Illustration. Vgl. dazu Komander 1995, S. 187-188.

17 Herderhorst 1962, S. 5.

18 Rodes Angaben zu den Truppenstärken und Verlusten der Kriegsteilnehmer, Toten, Verwundeten und Gefangenen, stimmen an keiner Stelle mit den tatsächlichen Zahlen überein. Die Quelle seiner Angaben kann nicht mehr festgestellt werden.

19 Vgl. Börsch-Supan 1979, Komander 1995, S. 305-350 und Hellmuth 1998.

20 Das Motiv wurde nach einer Zeichnung Rodes von Peter Haas für eine der vielen Anekdotensammlungen zum Leben Friedrichs II., die "Lebensrettungen Friedrichs II. im Siebenjährigen Kriege" von C. D. Küster radiert und erschien 1793 in Berlin.

21 Vgl. Komander 1986, S. 52-53.

22 Vgl. Benninghoven u.a. 1986, Kapitel IV. und Komander 1995, S. 390-423.

23 Zu den Graphiken von Busch vgl. Komander 1995, S. 165 f., 168-171.

24 Der Kupferstecher und Verleger Belling kann zwischen 1750 und 1780 in Augsburg nachgewiesen werden, wo er am 12.11.1780 starb. Seine Arbeiten, hauptsächlich Andachtsbilder, Porträts, Exlibris und einzelne historische Druckgraphiken, verbreiteten sich vornehmlich im bayerischen und österreichischen Raum. Zu der erwähnten Radierung Bellings vgl. Komander 1995, S. 222 f.

25 Vgl. dazu zuletzt: Hellmuth 1998, besonders S. 41-46.

26 Werke I, S. 63.

27 Werke I, S. 116.

28 Werke I, S. 220.

 

Literatur

Friedrich II.: Mémoires pour servir … l'histoire de la maison de Brandebourg, Au Donjon du Chƒteau (Berlin) 1751.

Friedrich II.: Mémoires pour servir … l'histoire de la maison de Brandebourg, Nouvelle édition, revue, corrigée et augmente, A Berlin et a La Haye 1751.

Die Werke Friedrichs des Großen, hg. von Gustav Berthold Volz, deutsch von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, Berlin 1912.

2. Band: Geschichte meiner Zeit;

3. und 4. Band: Geschichte des Siebenjährigen Krieges.

Herderhorst, Wilfried: Zur Geschichtsschreibung Friedrichs des Großen, Göttingen 1962.

Weinreich, Renate: Französische und deutsche Buchillustration des 18. Jahrhunderts, Katalog zur Ausstellung der Kunstbibliothek Berlin Staatliche Museen Preussischer Kulturbesitz Februar bis April 1978, Berlin 1978.

Friedrich der Große. Gespräche mit Henri de Catt, hg. von Willy Schüßler, München 1981 (unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1955).

Büttner, Frank, u.a.: Kunst im Dienste der Aufklärung. Radierungen von Bernhard Rode 1725 - 1797, mit einem Gesamtverzeichnis aller Radierungen des Künstlers im Besitz der Graphischen Sammlung der Kunsthalle zu Kiel, Kiel 1986.

Komander, Gerhild H. M.: Brandenburgisch-Preußische Geschichte, in: Büttner 1986, S. 49 - 53.

Benninghoven, Friedrich, Börsch-Supan, Helmut und Gundermann, Iselin: Friedrich der Große, Katalog zur Ausstellung des Geheimen Staatsarchivs PK anläßlich des 200. Todestages König Friedrichs II. von Preußen, Berlin 1986.

Friedell, Egon: Kulturgeschichte der Neuzeit, Bd. 1, Auflage München 1987 (1. Auflage 1927/28).

Jacobs, Renate: Das graphische Werk Bernhard Rodes (1725 - 1797), Münster 1990.

Meier, Hans-Jakob: Die Buchillustration des 18. Jahrhunderts in Deutschland und die Auflösung des überlieferten Historienbildes, München 1994.

Michaelis, Rainer: Überlegungen zum Frühwerk des Berliner Malers Christian Bernhardt Rode, in: Jahbruch der Museen Preußischer Kulturbesitz, XXXI. 1994, S. 189 - 214.

Komander, Gerhild H. M.: Der Wandel des `Sehepuncktes'. Die Geschichte Brandenburg-Preußens in der Graphik von 1648 - 1810, Hamburg / Münster 1995.

Komander, Gerhild H. M.: Christian Bernhard Rode - (K)ein Meister der Zeichenkunst, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Hf. 2, 1997, S. 198 - 203.

Komander, Gerhild H. M.: Rokokohimmel im Frühklassizismus. Über die Werke Bernhard Rodes im Marmorpalais, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Hf. 3, 1997, S. 243 - 247.

Hellmuth, Eckhart: Die "Wiedergeburt" Friedrichs des Großen und der "Tod fürs Vaterland". Zum patriotischen Selbstverständnis in Preußen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Aufklärung. Interdisziplinäre Halbjahresschrift zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte 10, 1998, Hf. 2.

Komander, Gerhild H. M.: Christian Bernhard Rode. Ein Historienmaler des 18. Jahrhunderts in Berlin, in: Weltkunst. Zeitschrift für Kunst und Antiquitäten, Februar 1998, S. 307 - 309.

Michaelis, Rainer: Fridericiana. Christian Bernhardt Rode (1725 - 1797), Katalog zur Ausstellung in der Gemäldegalerie Staatliche Museen zu Berlin PK (= Bilder im Blickpunkt), Berlin 1999.

 

Zurück zum Seitenanfang

 

Brandenburgische Geschichte  Brandenburgisch-preußische Geschichte  Friedrich II.  Friedrich der Große  Brandenburgische Kunst  Graphik 18. Jahrhundert  Graphik der Aufklärung  Johann David Schleuen  Christian Bernhard Rode

Aktuelle Nachrichten

01 April 2024

Bildungszeit: Berliner Friedhöfe für Fortgeschrittene

16 März 2024

Geborgen bis zum Jüngsten Tag... Der Jüdische Friedhof Weißensee  

28 Dezember 2023

Jahrestage 2024 - aus dem Berliner Frauenkalender

05 August 2023

Stadtführungen Berlin: Genießen Sie Berlin privat!  Kleine Gruppe - großes Vergnügen. Große Stadt zum kleinen Preis