Der Tiergarten in Berlin

150x150 Wasser IMG 7055Von der Jagd im Garten, vom Flanieren unter Baumes Schatten und der Erholung im Grünen

-  Tiergarten, das ist einer der ältesten Flurnamen im Berliner Raum. Wer ihn heute vornehmlich als Erholungsort schätzt, kann ruhig mehr über ihn erfahren. Der Tiergarten hat es verdient.

 

Ein kurfürstliches Tiergehege

Seine Geschichte beginnt im 16. Jahrhundert als Jagdgebiet der Kurfürsten. Daher auch die Bezeichnung „Garten“. Tatsächlich ist der Tiergarten ja längst ein Park, ein Stadtpark, ein Volkspark fast. Als Tiergarten bezeichnete man über Jahrhunderte ein weiträumig eingezäuntes Tiergehege, in dem die Jagderfolge umso größer waren, als die Tiere auf Dauer nicht fliehen konnten.

Ein erster Tiergarten wird bereits 1527 erwähnt, jedoch an anderem Ort, in der Nähe des Berliner Schlosses. Der junge Kurprinz Joachim (II.) ließ sich von der Stadt Cölln ein kleines Gelände einräumen, das nicht mehr als ein überschaubares Tiergehege zuließ.

 

Tiergarten Winter 250bAus dem Jahr 1530 stammt die erste Nachricht, die den Großen Tiergarten betrifft. Kurfürst Joachim I. kaufte von den Bürgern zu Cölln Ackerland, um das Gebiet seines Tiergartens zu arrondieren. Westlich der Stadt, zu beiden Seiten der Spree, lag ein Gelände, teils aus Wiesen und Pfuhlen, teils aus Wäldern und Sümpfen bestehend, in dem die Kurfürsten Wild aussetzen ließen und zur Jagd gingen. So lag ihr Vergnügungspark direkt vor den Toren der Stadt.

Straßen und Wege gab es hier zunächst nicht. Der Weg nach Spandau, führte weiter nördlich, in Höhe der Seestraße, nach Westen. Landwehrkanal und Berlin-Spandauer-Schiffahrtskanal existierten noch nicht.
1647 verband Kurfürst Friedrich Wilhelm mit der Anlage der Straße Unter den Linden Schloss und Jagdrevier in gerader Linie miteinander. Er ließ Alleen anlegen, darunter die Jungfernallee (Große Querallee), und nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges Einzäunung und Tierbestand erneuern.

 

Großer Stern und Pulvermühle

Unter Friedrich III./I. wurde 1697 eine breite Schneise in den Tiergarten geschlagen, um die Chaussee nach Lietzenburg (Charlottenburg) zu seinem Schloß anlegen lassen zu können. In den folgenden Jahren gestaltete Hofjäger Emmerich den Großen Stern, an dem acht Wege einander kreuzten, den Zirkel (Kurfürstenplatz) am Ufer der Spree und andere gärtnerische Schmuckformen.

In seiner größten Ausdehnung erreichte der Tiergarten mit dem vorderen und hinteren Tiergarten auch das Gebiet, in dem ab 1717 auf Einladung Friedrich Wilhelms I. Réfugiés das „Land von Moabit“ besiedelten. Dieser hintere Teil, auch Kleiner Tiergarten genannt, wurde dann als Jagdgebiet aufgegeben. Der König befahl den Bau einer Pulvermühle und eines -magazins.

 

Auf dem linken Spreeufer, in der Nähe des Großen Sterns, erhielt der Réfugié Jean Bechier Fayé die Erlaubnis, eine Spiegelmanufaktur einzurichten, an deren Stelle Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff seine Meierei anlegte, die wiederum den Grundstock bildete für das später hier erbaute Schloss Bellevue.

Friedrich Wilhelm I. verkleinerte den Tiergarten noch weitgehender. Zu Lasten des Grüns wurden die Dorotheen- und Friedrichstadt nach Westen ausgedehnt. Außerdem wurde im benachbarten Spreebogen nahe dem Unterbaum ein Exerzierplatz (Platz der Republik) angelegt.

 

Königliches Lustwandeln für die BürgerInnen

Friedrich II., der die Jagd verabscheute, beauftragte Knobelsdorff mit der Umgestaltung des Tiergartens zu einem Lustgarten für die Bevölkerung. Er ließ Skulpturen aufstellen, Wasserbecken und Zierteiche anlegen und gestattete zuerst den Réfugiés Dortu und Thomassin, am Kurfürstenplatz den Spaziergängern in Zelten Erfrischungsgetränke anzubieten. 1832 erhielt der Weg dorthin offiziell die Bezeichnung „In den Zelten“.

Am Ende des 18. Jahrhunderts wurden die spätbarocken Formen des Tiergartens mehr und mehr aufgelöst. Die Hofgärtner Sello und Lenné entwickelten auf dem 220 Hektar großen Gelände den im wesentlichen bis heute erhaltenen beziehungsweise wieder hergestellten Landschaftsgarten nach englischem Vorbild.

 

1842-44 entstand auf dem Gelände der von Friedrich II. angelegten Fasanerie der Zoologische Garten. Ein Jahr später begann der Bau des Landwehrkanals. Auf dem Exerzierplatz Friedrich Wilhelms I. wurde 1873 die von Johann Heinrich Strack und Friedrich Drake entworfene Siegessäule plaziert. Der Platz war schon 1865 zu Ehren der preußischen Könige in Königsplatz umbenannt worden. Friedens- und Siegesallee schufen Sichtachsen zu dem neuen Schmuckplatz.

1884 erfolgten der Abriss des Palais Raczynski und der Baubeginn für das Reichstagsgebäude an der Westseite des Platzes.
Die Siegesallee ließ Wilhelm II. 1898-1901 mit 32 Denkmälern, die Landesherren der Mark Brandenburg seit Albrecht dem Bären und bedeutende Zeitgenossen repräsentierend, ausstatten. Die Figurengruppen müssen - wie die Siegessäule - 1938 den Bauarbeiten zur Anlage der Nord-Südachse weichen.

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Sowjetisches Ehrenmal und Entlastungsstraße

Siegessäule und Skulpturen wurden im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, die Skulpturen 1947 auf Befehl des Alliierten Kontrollrats abgeräumt.

Auch der Baumbestand des Tiergartens litt während des Krieges schwer. Die Reste wurden von der Bevölkerung abgeholzt und verfeuert.

An der Kreuzung von Siegesallee und Charlottenburger Chaussee (Straße des 17. Juni) wurde am 11. November 1945 auf Befehl der Befehlshaber der Roten Armee ein monumentales Denkmal für die sowjetischen Gefallenen eingeweiht. Es bedeckt 26 000 Quadratmeter Boden.

 

Vier Jahre nach Kriegsende begannen erste Arbeiten, mit denen der Tiergarten wieder zum Park werden sollte. Die Grünflächen jedoch wurden weiterhin eingeschränkt. Die breitere Anlage der Verbindungsstraßen, der Neubau der Entlastungsstraße und der Kongreßhalle (Haus der Kulturen der Welt) schmälerten auch den Erholungswert erheblich. Der Bau des Hansaviertels mit der Akademie der Künste schob die Wohnbebauung noch weiter in die Grünflächen hinein.

 

Ökologisches Bewußtsein und entsprechende Sachkenntnis waren den Stadtplanern der fünfziger und sechziger Jahre fremd. So wurde in der Euphorie des Wiederaufbaus selbstverständlich nicht daran gedacht, die Verbreiterung der Charlottenburger Chaussee von 27 auf 53 Meter (1938) zurück zu nehmen. Nein, man begrüßte die „Autobahn in der Stadt“ und führte dieses System in anderen Stadtteilen fort.

Die jüngere Entwicklung hat dem Tiergarten nichts Gutes gebracht. Ob die Untertunnelungen zwischen Spree und Landwehrkanal ihm endgültig das Wasser abgraben, bleibt abzuwarten. Autofreundlich sind die neuen Wege allemal.

 

Literatur:
Katrin Lesser-Sayrac, Folkwin Wendland und Rise und Gustav Wörner: Der Berliner Tiergarten. Vergangenheit und Zukunft (= Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin, Heft 9), Berlin 1996.

Gartenplan Großer Tiergarten, hg. vom Museumspädagogischen Dienst Berlin und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin, Berlin 1995.

Folkwin Wendland: Der Große Tiergarten in Berlin. Seine Geschichte und Entwicklung in fünf Jahrzehnten, Berlin 1993.

Helmut Bräutigam, Berthold Grzywatz, Andreas Hoffmann u. a.: Tiergarten, Teil 1: Vom Brandenburger Tor zum Zoo (= Geschichtslandschaft Berlin. Orte und Ereignisse, Bd. 2), Berlin: 1989.

Paul Clauswitz: Die Entstehung des Berliner Tiergartens, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 38, 1921, 2, S. 9-10.

Otto Pniower: Noch einmal „Der Tiergarten“, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 38, 1921, 4, S. 16.

Georg Wilhelm von Raumer: Der Thiergarten bei Berlin, seine Entstehung und seine Schicksale, Berlin 1840.

 

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