Wo Leibniz Russisch und Bismarck Latein lernte

Das Gymnasium zum Grauen Kloster

Die Reformatoren forderten Bildung. Martin Luther hatte die Bibel ins Deutsche übersetzt. Nun sollten alle Menschen lesen lernen, um die Heilige Schrift selbst studieren zu können, Pfarrer an der Universität Theologie studieren – bevor sie der Bevölkerung predigen durften.

 

Die Kenntnisse in Lesen und Schreiben waren dürftig

Eine Universität besaß Brandenburg seit 1506, die Viadrina in Frankfurt an der Oder. Auch die Reformation war eingeführt, 1539. Doch die Kenntnisse in Lesen und Schreiben waren dürftig. Kurfürst Johann Georg erfüllte die Bitte des Rates von Berlin und übereignete der Stadt einen Teil der leerstehenden Gebäude des Franziskanerklosters für die Einrichtung des ersten Gymnasiums.
Sein Vater, Kurfürst Joachim II. hatte die städtische Bevölkerung mit Schlittenfahrten und anderen Spielen unterhalten. Johann Georg wollte Staatsdiener ausbilden lassen. Im eigenen Land sollte den jungen Männer des Landes höhere Bildung zuteil werden.  An Frauenbildung dachte er nicht.

 

Bürgerschaftliches Engagement gründet ein Gymnasium

Der Kanzler Lampert Distelmeier und der kurfürstliche Lehnssekretär Joachim Steinbrecher zeigten ganzen Einsatz. Nicht nur dass sie die Gründung organisierten. Sie stellten auch große Summen aus ihrem privaten Vermögen zur Verfügung. Am 13. Juli 1574 weihten sie mit großer Beteiligung der Bürgerschaft das Gymnasium zum Grauen Kloster ein. Nur Knaben zogen in die Kellergewölbe – hier befanden sich die Klassenzimmer – ein.

Täglich von 6 bis 9, 12 bis 15 und 16 bis 19 Uhr fanden sie sich ein, um sich auf das Studium an der Universität vorzubereiten. Die Schulordnung untersagte ihnen, im Sommer im kalten Wasser zu baden, im Winter die zugefrorenen Gewässer zu betreten. Ob sich Otto von Bismarck, Karl Friedrich Schinkel, Johann Gottfried Schadow und Friedrich Ludwig (Turnvater) Jahn noch daran halten mussten? Sie alle besuchten diese Schule, glücklicherweise unter besseren Umständen, als sie noch im 18. Jahrhundert herrschten.

Der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) drückte im Grauen Kloster nicht die Schulbank. Er traf einen der gelehrtesten Direktoren des Gymnasiums, um bei ihm Sprachunterricht in Russisch zu nehmen: Johann Leonhard Frisch (1666-1743).

 

Friedrich der Große lehnt ein neues Schulgebäude ab

Denn der Bitte des Direktors Anton Friedrich Büsching (1724-1793), die Lehrer des Gymnasiums zu Professoren zu ernennen, kam Friedrich II. nach. Weil sie ihn nichts kostete. Auf den wiederholten Wunsch Büschings, ein neues Schulgebäude errichten zu dürfen, antwortete der König am 26. Februar 1786:

„Würdiger Rath, lieber Getreuer! Eure Forderung vom 25sten ist schlecht überlegt. Um den Salpeter aus den Klassen des Gymnasii zum grauen Kloster wegzubringen und solche über die Erde und im Lichten zu bauen, nachdem solche schon einige Jahrhunderte, der Gesundheit unbeschadet, besuchet worden, dazu kann, nach eurer Bitte, einige tausend Thaler nicht verwilligen euer sonst gnädiger König – Friderich."

 

Walter Ulbricht verbietet den alten Namen

Kirche und Schulgebäude zerstörten die Bomben im Zweiten Weltkrieg, Walter Ulbricht verbot 1958 gar den Namen: 2. erweiterte Oberschule Berlin-Mitte hieß die Schule fortan. 1963 übernahm das Evangelische Gymnasium in Wilmersdorf die Tradition der zerstörten Schule und besteht seit dieser Zeit als Evangelisches Gymnasium zum Grauen Kloster fort.

Der Förderverein des Gymnasiums beschloss, am historischen Standort an die einstige Schultradition anzuknüpfen und ein Gymnasium neu zu gründen. Senatsbaudirektor Hans Stimmann bezog den Wunsch in die städtischen Planungen zur Neugestaltung um die Ruine der Franziskanerkloster ein. Ein Viertel soll entstehen, „das sowohl an Traditionen und kleinteilige Strukturen anknüpft als auch Beispiel für eine wiederentdeckte städtische Nutzungsvielfalt auf engem Raum ist." Berlin wartet darauf.

 

Gerhild H. M. Komander

Dieser Text erschien 2006 im "Berliner Lindenblatt".

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