SchleusenBruecke Niederlagstr 150Vom Marinestandort zum Großstadtquartier

Der Friedrichswerder

Die Friedrichswerdersche Kirche in der Werderschen Straße ist das einzige Bauwerk, das - zumindest dem Namen nach - an die einstige landesherrliche Gründungsstadt Friedrichswerder erinnert. Die vielleicht berühmtere Bauakademie, wie die Kirche ein Werk von Karl Friedrich Schinkel, stand gleich daneben.

 

Der Ortsname verblasste, als König Friedrich I. in einem Erlass von 1709 die Städte Berlin, Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt sowie die Stadterweiterung Neucölln am Wasser unter der Bezeichnung Haupt- und Residenzstadt Berlin zu einer Stadt zusammenfasste. Da hatte der Friedrichswerder als städtisches Gemeinwesen gerade 47 Jahre existiert.

 

Die Stadtgründung

1662 gründete Kurfürst Friedrich Wilhelm als erste der landesherrlichen Gründungsstädte Friedrichswerder. Eigentum der Kurfürsten war der Werder - sein späterer Name bürgerte sich erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein - seit dem 15. Jahrhundert.
Zwei Inseln, umgeben von Wasser und Sumpf - darauf verweist der Flurname -, gehörten seit 1442 zum Wirtschaftsbereich des kurfürstlichen Hofes in Cölln. Seit dem 15. Jahrhundert existierten hier ein kurfürstliches Reithaus und eine Schleusenanlage mit Mühlen. Über die Schleusenbrücke führte die erste Verbindung über den Cöllner Stadtgraben (Spreekanal) nach Cölln.

Im 16. Jahrhundert besaß Kurfürstin Katharina ein Vorwerk auf dem Gelände, in kurfürstlichem Besitz befanden sich auch das Gießhaus (in der Straße Hinter dem Gießhaus hinter dem Deutschen Historischen Museum) an der Nordspitze des zum Teil entwässerten Geländes sowie ein Holz- und ein Baumgarten im Süden. Aus dem Vorwerk ging zu Beginn des 17. Jahrhunderts der kurfürstliche Jägerhof (Jäger- Ecke Oberwallstraße) hervor.

 

Der Bürgermeister

Der Festungsbaumeister Johann Gregor Memhardt erhielt den kurfürstlichen Auftrag, die Straßen anzulegen, und wurde 1669, als der Friedrichswerder seine städtische Verfassung bekam, der erste Bürgermeister der Neustadt. Zum Lohn für seine Arbeit schenkte Friedrich Wilhelm ihm außerdem ein Grundstück an der Hundebrücke (Schloßbrücke), auf dem Memhardt sein eigenes Wohnhaus errichten ließ. Dort steht - gegenüber dem Zeughaus - heute die Kommandantur.

Die neue Stadt wurde sogleich in die 1658 begonnene Festung einbezogen und erhielt in Verlängerung der (Alten) Leipziger Straße, die von der Jungfernbrücke her kommend nach Südosten führte, das reich geschmückte Leipziger Tor, die erste größere Bauausführung des Architekten Johann Arnold Nering, und in Fortsetzung der Straße Unter den Linden das Neue Tor.

Der Friedrichswerder umfasste das Gebiet vom Spittelmarkt mit der Gertraudenkirche bis zum Gießhaus. Nur ein schmaler Streifen war die neue gegründete Stadt: Nach Westen von den Festungsanlagen begrenzt, an die Nieder- und Oberwallstraße erinnern, im Osten am Stadtgraben endend, über den die Gertrauden-, Jungfern-, Schleusen- und Hundebrücke die Verbindung nach Cölln herstellten.

 

Der Werdersche Markt

Das städtische Zentrum des Friedrichswerder bildete der Werdersche Markt mit der Kirche, die als Doppelkirche Reformierten und Lutheranern als Gotteshaus diente, und dem Rathaus schräg gegenüber. Die Kirche war 1699-1701 durch Umgestaltung des kurfürstlichen Reitstalls unter der Bauleitung von Martin Grünberg entstanden.
Das Rathaus hatte 1672-78 Giovanni Simonetti errichtet. Als es im 18. Jahrhundert abbrannte, entstand an seiner Stelle nach Plänen von Heinrich Gentz die Münze.

Gleich um die Ecke beginnt die Niederlagstraße am Ufer des Spreekanals. Im 15. Jahrhundert war der damals Cöllner Stadtgraben genannte und sehr viel breitere Kanal hier in drei Wasserläufe geteilt: 1. für den Mühlenbetrieb, 2. als Schleuse, 3. als Flutschleuse. Die erste Mühle ist für 1645 bezeugt. An der Stelle der späteren Bauakademie stand seit 1670 der Packhof am Hafen. Hier legten in kurfürstlicher Zeit die Elbe aufwärts fahrenden Schiffe aus Hamburg und den Niederlanden an.

 

Die Festung fällt

1737 begann König Friedrich Wilhelm I. damit, die Festung schleifen zu lassen, da sie die Erweiterung des Stadtgebietes behinderte. Von den einstigen Bastionen zeugt die Anlage des Hausvogteiplatzes. Seine Spitze ragt in die Friedrichstadt hinein. Seinen Namen erhielt der Platz nach der dort 1750 in den Gebäuden des Jägerhofes eingerichteten Hausvogtei.

Der Festungsgraben blieb bestehen und wurde in der Regierungszeit Friedrichs II. mit mehreren Brücken versehen. Als steinerne Schmuckbrücken ragten die Leipziger Brücke mit den Spittelkolonnaden und die Laufbrücke mit den Mohrenkolonnaden hervor. Allein die noch an Ort und Stelle vorhandenen Mohrenkolonnaden in der gleichnamigen Straße geben ein verlässliches Bild vom Aussehen der anderen Schmuckbrücken, die in der zweiten Häfte des 18. Jahrhunderts in Berlin erbaut wurden.

 

Das Konfektionsviertel

Das Stadtbild des Friedrichswerder hat sich im Verlauf der Jahrhunderte nach seiner Gründung mehrfach und grundlegend verändert. Das dichte Straßennetz auf dem kleinen Areal lässt sich heute nur noch erahnen. Großbauten hoben schon seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts ganze Straßenviertel in ihrer kleinteiligen Bebauung auf.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert hatte sich der Friedrichswerder zu einem Geschäftszentrum, insbesondere der Textilindustrie, entwickelt, in dem kaum noch Wohnungen vorhanden waren. Als ein Mittelpunkt der weltberühmten Berliner Konfektion glänzte der Hausvogteiplatz.

 

Der Marinestützpunkt

Raules Hof, nach 1679 auf den Grundmauern des kurfürstlichen Ballhauses errichtet, zwischen Unterwasserstraße, Alter Leipziger Straße und Adlerstraße gelegen, wurde zugunsten des Neubaus der Reichsbank (Bundesministerium des Auswärtigen, Gebäudeteil an der Kurstraße) in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts abgerissen. Dieses Gebäude überdeckt mehrere Straßenzüge aus der Gründungszeit des Friedrichswerder.
Das Wohn- und Diensthaus des Benjamin Raule war durch dessen Tätigkeiten für Kurfürst Friedrich Wilhelm zu einer Art Marineministerium geworden.

Die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden durch die großflächige Abräumung zwischen Kur- und Niederwall- sowie Oberwallstraße fortgesetzt. Die jüngsten Pläne der Stadtsanierung sehen eine Neubebauung an dieser Stelle vor, die die früheren stadträumlichen Bezüge und Maßstäbe (orientiert an den Dimensionen um 1900) wieder herstellen soll. Die noch im Bau befindlichen Wohnhäuser erfüllen diese Absicht nicht: Zu groß, zu dicht, zu massiv ist die Bebauuung, der als Park gedachte Grünstreifen harrt noch der Gestaltung, die - vielleicht - einen engeren Bezug herzustellen vermag.

Gerhild H. M. Komander

 

Der Text erschien zuerst im "Berliner Lindenblatt".

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