Nicolai
| Nr. 11, Juli 2007 |
Friedrich Nicolai und die Berliner Aufklärung
von Gerhild H. M. Komander
Christoph Friedrich Nicolai wurde am 18. März 1733 im Haus Poststraße 4 im Nikolaiviertel geboren, wuchs dort auf und bewohnte dieses Haus, bis er 1787 in die Brüderstraße umzog. Er besuchte das Joachimsthalsche Gymnasium, dessen Gebäude sich zu der Zeit in der Burgstraße befand. Die Burgstraße reichte damals bis an die Königstraße (Rathausstraße). Die Nicolaische Buchhandlung lag hinter den Arkaden an der Stechbahn gegenüber dem Schloss. Diese Straße existiert nicht mehr. Sie ist an der Schleusenbrücke vor dem früheren Staatsratsgebäude zu denken.
In der Stralauer Vorstadt, in der Gegend um die Alexanderstraße, also nicht weit von der heutigen Jannowitzbrücke, besaß Nicolai ein Sommerhaus. Dazu schreibt Gustav Parthey (geboren 1798), der Enkel Friedrich Nicolais, in seinen Erinnerungen „Das Haus in der Brüderstraße. Aus dem Leben einer berühmten Berliner Familie":
„Außer dem Haus in der Brüderstraße besaß der Großvater Nicolai ein schönes Gartenhaus mit allem Zubehör in der Lehmgasse, welche später den mehr ästhetischen Namen der Blumenstraße erhielt. Beide Namen haben ihre Berechtigung; denn die Lehmgasse, nur zum Teil gepflastert, endigte in einer Sackgasse mit einer Lehmgrube, Blumenstraße hieß sie später mit Recht von den vielen Gärtnereien, die zu beiden Seiten hinter sehr primitiven Gartenzäunen in kleinen, bescheidenen Häusern angelegt waren. Die wegen ihrer Blumenzucht berühmte Familie Bouché war in jener Gegend durch vier oder fünf tätige Mitglieder vertreten.
Das Nicolaische zweistöckige Haus ragte so stattlich hervor, daß es in unserem Freundeskreise erst das Lehmschloß, dann das Blumenschloß hieß. Aus den oberen Giebelfenstern übersah man alle benachbarten Gärten bis in die größte Ferne. Gegen Westen zeigten sich einige Türme der Stadt, gegen Osten reichte der Blick bis zu dem Frankfurter Tor"; Die Blumenstraße nimmt heute einen ganz anderen Verlauf.
Friedrich Nicolai, der gehofft hatte, mit dem väterlichen Erbe ein Leben als Schriftsteller und Privatgelehrter führen zu können, wurde durch den frühen Tod seines älteren Bruders 1758 im Alter von 25 Jahren zum Buchhändler. Es ist sein Verdienst, dass Berlin in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einer der führenden Verlagsorte in Europa wurde. Darauf konnte die Zeitungsstadt Berlin bauen.
{mosimage}Drei Jahre zuvor hatte er Gotthold Ephraim Lessing und Moses Mendelssohn kennengelernt und begann mit ihrer lebhaften Unterstützung die Herausgabe der „Briefe, die neueste Literatur betreffend", die einen neuen Ton in der deutschen literarischen Diskussion anschlugen. Gemeinsam etablierten sie sozusagen Berlin in der Topographie der deutschen Literatur und Literaturkritik.
Als Herausgeber der „Allgemeinen Deutschen Bibliothek" nahm Nicolai für fast drei Jahrzehnte als Organisator, Propagandist und Popularisator der Aufklärung eine einzigartige Stellung in Deutschland ein.
Ähnlich äußerte sich Madame de Staël, die Berlin zwar als modern, aber nicht wirklich bedeutend beschrieb: „dessen ungeachtet machten die Freiheit der Presse, die Menge geistreicher Männer und die Kenntnis der Literatur und der deutschen Sprache, die sich in der letzten Zeit allgemein verbreitet hat, Berlin zur wahren Hauptstadt des neuen Deutschlands, des Deutschlands der Aufklärung."
Berlin wurde in der Regierungszeit Friedrichs II. zu einer Hochburg der europäischen Aufklärung (Berliner Aufklärung). Dass die Stadt d a s Zentrum der deutschen und deutschsprachigen Aufklärung wurde, verdankte es der Freundschaft und engagierten Tätigkeit der drei Freunde Gotthold Ephraim Lessing, Moses Mendelssohn und Friedrich Nicolai.
Als Mitglied der Petrikirchengemeinde wurde Friedrich Nicolai 1811 auf dem Luisenstädtischen Friedhof an der Alten Jakobstraße, südlich vom Spittelmarkt, begraben. Friedhof und Grab existieren nicht mehr. Der Friedhof wurde 1851 in einen Park verwandelt und wie die Kirche im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Die Kirchenruine wurde 1961 abgetragen, der Park 1965 neugestaltet. 1970 wurde ein Schulhof integriert. 2002 konnte der Freundeskreis Wilhelm Friedemann Bach eine Gedenkstele für Bach, Karl Gottlieb Svarez und Nicolai einweihen.
Leseempfehlung:
Horst Möller: Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai, 1974
Friedrich Nicolai 1733-1811. Essays zum 250. Geburtstag", hg. von Bernhard Fabian, Berlin: Nicolaische Verlagsbuchhandlung 1983
- © gerhild komander 7/07 -
Friedrich Nicolai und die Berliner Aufklärung
Tagung vom 26. bis 28. Juli 2007
Hörsaal des Instituts für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin, Grunewaldstr. 35, 12165 Berlin
Konzeption: Rainer Falk, Alexander Košenina
Die zentrale Stellung Berlins innerhalb der Konstellation der
europäischen Aufklärung ist untrennbar mit dem Namen Friedrich Nicolai (1733-1811) verbunden. Durch seine Tätigkeit als Verleger und Buchhändler und durch das eigene publizistische Schaffen war er eine ebenso präsente Integrationsfigur wie als unermüdlicher Korrespondent und als Mitglied gelehrter Gesellschaften. Die Tagung versammelt Wissenschaftler/innen aus unterschiedlichen Disziplinen, um den vielleicht umstrittensten Repräsentanten der ,Berliner Aufklärung' in der ganzen Breite seines Wirkens zur Diskussion zu stellen.
Donnerstag, 26. Juli
14.00 Uhr
Begrüßung und Einführung in das Thema der Tagung
Sektion I: Nicolai und die Gesellschaften der Aufklärer
14.30 Uhr
Reinhard Markner (Berlin)
Nicolai, Johann Joachim Christoph Bode und die Illuminaten
15.15 Uhr
Christian Nottmeier (Potsdam)
Nicolai und das theologische Profil der Allgemeinen deutschen Bibliothek
16.00 Uhr
Kaffeepause
16.30 Uhr
Rainer Falk (Berlin)
Die Entstehung von Nicolais Schriften über Friedrich II. von Preußen aus den Debatten ,einiger brandenburgischer Patrioten'
17.15 Uhr
Alexander Košenina (Bristol)
Über die Verständlichkeit. Nicolais Akademierede zur Bildungsdebatte um 1800
20.00 Uhr
Abendvortrag
Horst Möller (München)
Wie aufgeklärt war die Aufklärungsforschung? Nicolai in
historiographischer Perspektive
Freitag, 27. Juli
Sektion II: Nicolai zwischen den Künsten und Genres
09.30 Uhr
Mark-Georg Dehrmann (Osnabrück)
Der frühe Nicolai und die Ästhetik
10.15 Uhr
Matthias Luserke-Jacqui (Darmstadt)
Nicolais Abhandlung vom Trauerspiele
11.00 Uhr
Kaffeepause
11.30 Uhr
Thomas Martinec (Regensburg)
Nicolais Anteil am Briefwechsel über das Trauerspiel
12.15 Uhr
Knut Kiesant (Potsdam)
Literarisches Leben im Spiegel von Nicolais Beschreibung der königlichen
Residenzstadt Potsdam
13.00 Uhr
Mittagspause
14.30 Uhr
Doris Schumacher (Frankfurt am Main)
Porträts für die Öffentlichkeit. Anmerkungen zu Johann Wilhelm Ludwig Gleims und Nicolais Zusammenwirken
15.15 Uhr
Gudula Schütz (Kassel)
Zwischen Erziehung und Unterhaltung: Nicolai und die Musik
16.00 Uhr
Kaffeepause
Sektion III: Nicolai als Verleger und Buchhändler
16.30 Uhr
Ute Schneider (Mainz)
Nicolais verlegerisches Handeln auf einem Buchmarkt im Wandel
17.15 Uhr
Alexander Nebrig (Tübingen)
Die von Nicolai verlegten Übersetzungen
18.00 Uhr
Kaffeepause
18.30 Uhr
Podiumsdiskussion: Chancen für eine neue Nicolai-Rezeption?
Dieter Beuermann, Hans-Gert Roloff, Jutta Weber (alle Berlin)
Sonnabend, 28. Juli
Sektion IV: Nicolai zwischen Preußen und dem Reich
09.30 Uhr
Cem Sengül (Berlin)
Patriotische Fronten zwischen Preußen und dem Reich: Nicolai und
Friedrich Carl von Moser
10.15 Uhr
Holger Jacob-Friesen (Karlsruhe)
Vom gelehrten Mönch zum protestantischen Aufklärer: Leonhard Gruber, Korrespondent und Mitarbeiter Nicolais
11.00 Uhr
Kaffeepause
11.30 Uhr
York-Gotart Mix (Marburg)
Konstituenten kultureller Selbst- und Fremdwahrnehmung in Nicolais
Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781, Wilhelm Heinrich Wackenroders Reisebriefen und Ludwig Tiecks Reisebericht von 1793
12.15 Uhr
Hans Erich Bödeker (Göttingen)
„Ich wünschte also eine Reise zu thun, in welcher ich, nebst den
veränderten Szenen der Natur, Menschen und ihre Sitten und Industrie kennen lernen könnte." Nicolai auf Reisen
Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt frei.
Finanziert aus Mitteln der Stiftung Preußische Seehandlung und der
Deutschen Forschungsgemeinschaft.
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