China in Sanssouci?

Die Chinamode in friderizianischer Zeit und deren Rezeption durch Friedrich II.

 

Chinamode, das bedeutet Verwendung außereuropäischen Kunstgewerbes in europäischen Innenräumen oder Entlehnung, Anpassung und Umformung nicht-europäischer Formen und Ornamente in die europäische Welt des Barock und Rokoko.

Populäres Beispiel zur Veranschaulichung der Chinoiserie ist das Chinesische Haus im Park von Sanssouci. Es wurde 1754-1763 für Friedrich II. erbaut und ausgestattet. Bis zur Restaurierung des Hauses 1990-1993 wurde es als „Chinesisches Teehaus"" bezeichnet und alle Welt glaubte, der König habe hier in Mußestunden Tee getrunken.

 

Während der Restaurierung des Gebäudes entdeckten wir, daß der Name eine Erfindung der vierziger Jahre unseres Jahrhunderts war. Im 18. Jahrhundert hatte man vom „Japanischen Haus" oder „Tempel", vom „Chinesischen" oder „sinesischen Palais" gesprochen, vorwiegend jedoch hatte man es das „Chinesische Haus" genannt.

 

"sinesisch, chinesisch, indianisch"?

In der Veränderbarkeit des Namens drückt sich das Wesen der Chinoiserie aus. Unter der Bezeichnung chinesisch oder sinesisch wurde alles Exotische, Nicht-Europäische zusammengefaßt und mit dem Formenreichtum der barocken Groteske und des Rokoko vermischt. Darunter finden sich im späten 18. Jahrhundert auch Motive maurischer, otaheitischer, ägyptischer und gotischer Herkunft. In Deutschland sprachen die Zeitgenossen von „Chinesereien".

Ebenso geläufig war die Bezeichnung „indianisch". Sie hat sich bis heute als Benennung eines Blumendekors erhalten, der aus exotischen Pflanzen, meist asiatischer Herkunft, besteht. Im Gegensatz dazu wurde der Dekor mit einheimischen Pflanzen „deutsche Blumen" genannt.

Aus ethnographischer und geographischer Sicht ist der Begriff Chinoiserie irreführend, denn es verbirgt sich dahinter an sich der Begriff Exotismus. Die Chinoiserie breitete sich seit Mitte des 17. Jahrhunderts durch den Handel mit ostasiatischem Kunsthandwerk in Europa aus. Natürlich war der Handel zwischen Asien und Europa nicht neu. Aber der Seeweg erleichterte den Transport begehrter Handelsgüter enorm, so daß weitaus größere Mengen zunächst über Portugal, später über die Niederlande, England und andere Länder in Europa Verbreitung fanden.

 

China bleibt Europa fremd

Die Beziehungen zwischen China und Europa haben sich im Lauf der Jahrhunderte kaum gewandelt. Wie heute bestanden wirtschaftliche Beziehungen, während China wie Asien insgesamt den Europäern kulturell fremd blieb, obwohl vor etwa 300 Jahren durchaus auch ein intellektuelles Interesse vorhanden war.

Die ostasiatischen Philosophen erweckten großes Interesse in der europäischen Aufklärung. Bedeutende Gelehrte wie Leibniz setzten sich mit der fremden Philosophie auseinander.

Der Bewunderung für die künstlerischen und technischen Leistungen der chinesischen Kultur stand die eurozentrische Arroganz gegenüber. Ebenso die nicht versiegende Skepsis gegen eine Kultur, die den christlichen Gott weder kannte noch akzeptieren wollte.

Die Chinoiserie trat als Dekorationsform und in Einzelgegenständen auf. Der Import von Chinoiserie-Waren umfaßte fast ausschließlich Luxusgegenstände. Dazu gehörten vor allem Porzellan und Seide- und Lackerzeugnisse. An erster Stelle stand das chinesische Porzellan, später auch japanisches. Das Porzellan war nicht nur Bestandteil der Chinamode, sondern gleichzeitig deren Katalysator. Mit dem Porzellan und den Reiseberichten und bildlichen Darstellungen von Missionaren und Handelsreisenden kam der künstlerische Formenschatz Ostasiens nach Europa.

 

Im Bereich der Keramik war der Einfluß Ostasiens enorm. Die Entwicklung der europäischen Fayence und des Porzellans geht in Form und Dekoration auf chinesische und japanische Vorbilder zurück. Darin besteht eine Nachwirkung der Chinoiserie bis in unsere Gegenwart. Aber die Keramik einer Kultur bildet nur einen kleinen Teil des Ganzen, wenn auch einen sehr facettenreichen.

Porzellan, Seide und Lack faszinierten die Europäer derart, daß sie alles daran setzten, sie selbst herstellen zu können. Die asiatische Malerei wurde ausschließlich als Motivvorrat gesehen, die dem eigenen als Inspirationsquelle diente. Der Einfluß der fremden Kunst blieb auf die schönen Dinge beschränkt: Keramik, Tapisserie, Ornamentik von Innenräumen und Mobiliar sowie Landschaftsgärten und ihre Parkbauten.

Keinen oder geringen Einfluß übte die ostasiatische Kunst in den Bereichen Architektur, Malerei, Skulptur, Philosophie und Religion, Sprache und Literatur aus. Umgekehrt war der Einfluß noch geringer. Die Europäer waren entgegen ihren Vorannahmen in Asien auf kulturell hochstehende Zivilisationen gestoßen, die ihrerseits die Europäer belächelten und sich jede Einmischung und Einflußnahme verbaten.

 

Die Phasen der Chinoiserie

Es sind grob drei Phasen der Chinamode in Europa zu unterscheiden:
Zu Beginn der Chinamode in der Mitte des 17. Jahrhunderts überwogen Faszination und Bewunderung der Europäer für die ostasiatische Kunst. Bis über die Jahrhundertwende hinaus äußerte sich dies vornehmlich in dem Versuch der Europäer, die fremde Kunst zu kopieren und zu imitieren.

Ab 1720 etwa distanzierten sich die Europäer von der einstigen Bewunderung für China und begannen frei von philosophischer Betrachtung einen spielerischen bisweilen karikierenden Umgang mit den Elemenüten dieser fremden Welt. Wichtigstes Beispiel dieser Phase ist das Chinesische Haus mit der dazugehörigen Chinesischen Küche im Park von Sanssouci.

 

Im Frühklassizismus schließlich begann man, mit romantischer Empfindsamkeit sich wieder auf die Ursprünge zu besinnen. Als in England die Gotik wieder entdeckt wurde, vermischte man neugotische und chinesische Ornamentik miteinander. Für die Landschaftsgartenbewegung, die ebenfalls in England ihren Anfang genommen hatte, wirkte China vorbildlich. Es wurde irrtümlich zu einem Ziel der Natursehnsucht.

Neben dem Porzellan selbst spielte der Ornamentstich eine bedeutende Rolle für die Verbreitung der Chinoiserie. In großen Mappenwerken und in Einzelblättern wurden die Entwurfszeichnungen in Radierungen vervielfältigt und in Europa verbreitet. Wesentliche Beiträge kamen aus Frankreich, England, Deutschland und den Niederlanden. 1688 gaben Stalker & Parker in London die Sammlung Treatise of Japanning and Varnishing heraus. Darin wurden Motive ostasiatischer Lackdekore gesammelt, in Einzelteile zerlegt und mit europäischen Zutaten oder Imitationen vermischt und weiter verwendet.

 

Daniel Marot (um 1663 - 1752, im Dienst Wilhelms III. von Oranien) brachte Sammelwerke mit Dekorationsvorbildern á la Chinoise heraus: Entwürfe für Innenräume, Gärten und Grotten, für Statuen, Vasen, Stickereien und Wandteppiche. Die Nouvelles Cheminés (...) enthielten Entwürfe für die dekorative Anbringung von Porzellanen an der Wand, auf Konsolen und in Etagèren. Denn die großen Porzellansammlungen der europäischen Fürstenhöfe mußten repräsentativ vorgeführt werden. In den bürgerlichen Kreisen - zum Beispiel der Hansestädte - waren Schmuckküchen nach holländischem Vorbild beliebt.

 

Die Chinamode in Europa - Beispiele

Porzellanküchen, Spiegel- und Lackkabinette waren bevorzugter Ausdruck der Chinoiserie in Europa. Die brandenburgische Kurfürstin Louise Henriette führte diese Mode in Brandenburg-Preußen ein und etablierte sie für vier Generationen im Lande. Sie stattete 1663 im Schloß Oranienburg das erste Porzellankabinett aus.

Jean-Baptiste Broebes hielt die Ausstattung Oranienburgs in seinem Kupferstichwerk Vue des Palais et Maisons de Plaisance de Sa Majest‚ le Roy de Prusse fest.

Friedrich I. ließ Oranienburg renovieren (1688-1695) und ein neues, prächtigeres Porzellankabinett einrichten. Die Wohnung Sophie Charlottes im Schloß Charlottenburg erhielt ein kleines Porzellankabinett (1695-1699), das Schloß Berlin ein Lackkabinett mit originalen Lackpaneelen aus Ostasien (um 1689). Das Charlottenburger Kabinett bildet ein Kupferstich von Martin Engelbrecht im Theatrum Europaeum, Bd. XVI. 1705, ab.

 

Mit dem Ausbau des Schlosses Charlottenburg erhielt dieser Bau ein Porzellankabinett und einige der kostbaren Stücke und die Etagèren aus Oranienburg nahmen dort Aufstellung (nach 1701). Das Kabinett enthielt neben ostasiatischen Porzellanen auch Delfter Blau und Fayencen anderer europäischer Manufakturen. Ausstattung und Größe dieses Kabinettes waren einzigartig.

Unter Friedrich I. und Sophie Charlotte erlangte die Herstellung von Lackmöbeln in Brandenburg-Preußen eine bedeutende Rolle. In der Werkstatt von Gerard Dagly in Berlin wurden Lackrezepturen und Imitationen nach dem Vorbild ostasiatischer Lackdekore entwickelt, die auf Möbelstücken weit über die Grenzen des Landes Bewunderung und Verbreitung fanden. (1657-1726, 1687 vom Großen Kurfürsten aus Spa nach Berlin gerufen, 1689 Kunstkammer-Meister unter Friedrich III. / I.) 1719 begann August der Starke in Dresden mit den Planungen zum Holländischen Palais, nachdem er das Charlottenburger Porzellankabinett kennengelernt hatte. Es sollte die immense Sammlung an asiatischen Porzellanen des Kurfürsten aufnehmen. Das Projekt wurde mit dem Tod Augusts 1733 eingestellt.

 

Porzellankabinette für Europa

Die Schlösser vieler europäischer Fürsten erhielten in dieser Zeit Porzellankabinette:

Lissabon: Palast Azurara 1680er
Niederschönhausen: 1691
Münchner Residenz: 1693 und 1731-33

Malchow: 1705-10 Schloß
Wien: Unteres Belvedere, 1713 Prinz Eugen von Savoyen
Peterhof: Monplaisir 1713-16
Pommersfelden: 1719, Lothar Franz von Schönborn
Brünn: 1720-25 Schloß Dubsky
P¢rtici bei Neapel: Palazzo Reale, 1724-60
(für Maria Amalia von Neapel, Porzellan der Manufaktur Capodimonte)

Berlin: Schloß Monbijou, 1725 Porzellangalerie
Berlin: Schloß Monbijou, nach 1725 Chinesisches Kabinett
Dresden: Holländisches Palais zum Japanischen Palais, ausgestattet, 1728
Ansbach: Residenz, um 1730
Bayreuth: Eremitage und Neues Schloß ab 1736 unter Beteiligung Wilhelmines

Außerdem enthielten viele der kleinen Lustschlösser Porzellan- und Spiegelkabinette, phantasievolle Räume in neueren Techniken, wenn das Geld für die originalen Einrichtungen fehlte. Vermehrt fanden auch Fayencen europäischer Manufakturen als Nachahmungen des Porzellans und später natürlich Meißner Porzellan Aufstellung.

 

Friedrich II. und die Chinamode

In friderizianischer Zeit wurde die Tradition der Porzellankabinette in Brandenburg-Preußen durch Sophie Dorothea fortgeführt. Die Porzellangalerie im Schloß Monbijou war 1738 schon erweitert worden. 1740-42 und um 1753-54 kamen weitere Räume hinzu. Beim Tod der Königinmutter (1757) enthielt Monbijou ca. 6700 Stücke ostasiatisches Porzellan.

Als ich begann, mich mit der friderizianischen Chinoiserie zu beschäftigen, glaubte ich, Friedrich II. habe abrupt mit dieser Tradition gebrochen. Aber das stimmt nicht. Wenn er auch kein eigenes Porzellankabinett einrichtete, so findet man doch in den Neubauten verschiedene Räume, die ohne diese Tradition nicht denkbar gewesen wären.

 

Bereits die Kleine Galerie im Schloß Sanssouci (1745) präsentierte Meißner Porzellanvasen auf Konsolen, die oberhalb der Gemälde angebracht wurden. In verwandter Weise ließ Friedrich II. im Chinesischen Haus ebenfalls Meißner Vasen aufstellen (1763). Ein weiteres Beispiel ist die Fleischfarbene Kammer in der Friedrichswohnung des Neuen Palais (um 1765). Die boisierten Wände tragen Konsolen mit Meißner Schneeballvasen.

In den Neuen Kammern errichtete man im sogenannten Buffetsaal über einem mächtigen Buffet eine Spiegelwand mit Konsolen. Hier wurden zum ersten Mal in dieser Art Vasen der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin gezeigt (nach 1770).

Eigentliche Chinoiserien in der frühen Regierungszeit Friedrichs II. sahen jedoch ganz anders aus. Zunächst war Friedrich II. dem französischen Rokoko eng verbunden. Die Franzosen hatten die allgemein europäische Vorliebe für ostasiatisches Porzellan nicht in Porzellankabinetten ausgedrückt. So entstand auch in Rheinsberg keines, nicht einmal ein Raum, der eine ausgesprochen chinoise Ausstattung enthalten hätte.

Das Konzertzimmer Friedrichs im Stadtschloß Potsdam ist das früheste Beispiel chinoiser Innenausstattung (1744). In den Wandfeldern, die durch typisch friderizianische Stuckdekorationen gegliedert werden, wurden in watteauscher Manier Inseln mit farbigen Chinoiserieszenen gemalt.

 

Chinoiserie-Spezialisten für die Innenausstattung

Für die textile Ausstattung einzelner Räume vornehmlich des Stadtschlosses Potsdam erhielten die Kunststicker Matthias Heinitschek (1708 - 1772, 1741 aus Bayreuth nach Berlin gerufen) und Pailly bedeutende Aufträge. Auf Samt- und Seidenstoffen Berliner und Potsdamer Manufakturen fertigten sie chinoise Stickbilder am laufenden Meter. Mit diesen Stoffen wurden die Wände und teilweise auch die dazugehörigen Sitzmöbel mehrerer Räume bespannt. Für die Entwürfe dürften in der Mehrzahl Johann August Nahl (1710-1785) und die Gebrüder Hoppenhaupt (J. Michael H. 1709 - um 1755; J. Christian H. 1746-1785 nachgewiesen) verantwortlich sein. Sie entwarfen auch Möbelstücke. Auch von Johann Wilhelm Meil (1733-1805) sind Dekorationsentwürfe bekannt.

Einen ganz eigenen Stil entwickelte der Maler Friedrich Wilhelm Höder (gest. 1761), von dem die Wanddekorationen einzelner Räume im Schloß Charlottenburg und im Schloß Sanssouci stammen. Die Chinoiserien Höders sind auf die Holzvertäfelungen gemalt.

Ein solches Kabinett befindet sich in der Wohnung der Königin Elisabeth Christine in Charlottenburg (um 1745). In Sanssouci malte Höder zwei der Gästezimmer in dieser Weise aus (um 1747). Das zweite, das sogenannte Voltairezimmer, wurde in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts neu gestaltet. Dieser Raum wurde in seiner Entstehungszeit die „lackierte Blumenkammer" genannt. Der Glanz ostasiatischen Lackes faszinierte auch Friedrich II. Jedoch wollte er ihn nur in lichten Farben und bevorzugt mit einheimischen oder vertrauten Pflanzen und Tiere verziert sehen.

 

Das Chinesische Haus im Park von Sanssouci

Der Naturalismus des friderizianischen Rokoko drang Mitte der fünfziger Jahre auch in die friderizianische Chinoiserie ein. Den ersten großen Auftritt hatte die naturalistische Variante der Chinamode im Chinesischen Haus. Wenn auch der Bau im ganzen sehr verspielt wirkt, ist doch im einzelnen Dekor viel Ernsthaftigkeit zu erkennen.

An dem Kleinod der Chinoiserie in Europa, dem Chinesischen Haus im Park von Sanssouci, läßt sich das Verhältnis Friedrichs II. zur Chinamode deutlich machen. Es wurde 1754 bis 1757 errichtet. Decken- und Wandschmuck der Kabinette und die bewegliche Ausstattung wurden erst nach der Rückkehr Friedrichs II. aus dem Siebenjährigen Krieg 1763 vollendet. Am 30. April 1764 fand die Einweihung des Chinesischen Hauses statt.

Die zeitgenössische Literatur behauptet, der König selbst habe dem Architekten Johann Gottfried Büring (1723) eine Entwurfszeichnung für das Gebäude vorgelegt. Der Grundriß bezieht sich auf das für Stanislaus Leczynski erbaute Trèfle in Lunéville (1738). Der architektonische Aufbau des Hauses zeigt keine Charakteristika ostasiatischer Baukunst. Einen exotischen Eindruck erweckt umsomehr die Dekoration. Die bewegliche Ausstattung des Saales bestand in einem Bronzekronleuchter, achtzehn Wandbranchen, vier Marmorskulpturen und vierzehn vergoldeten Rohrstühlen mit roten Lederkissen. Achtzehn Stücke Meißner Porzellan standen auf vergoldeten Konsolen: zwölf Vasen von weißem Porzellan mit Blüten bemalt und vollplastischem Blumendekor besetzt und vier Pagoden.

 

Eine verschwenderische Fülle an Frauen- und Männergestalten, lebhaften Vögeln, spielenden Affen und Buddhafiguren in einer illusionistischen Architektur zauberte der Porträtmaler Thomas Huber (1700-1779) in den Jahren 1755/56 für die Deckenmalerei im Innenraum.

Die Entwurfszeichnungen zur Malerei Ringes werden Blaise Nicolas Lesueur (1716-1783, Direktor der Akademie der Künste in Berlin) zugeschrieben. Die lavierten Federzeichnungen befinden sich im Stadtmuseum Berlin. Im unteren Ring wird die Malerei auf einer illusionistischen Architekturdarstellung aufgebaut, wie sie für die barocke Deckengestaltung typisch war. Die gebaute Architektur wird zu einem Scheinraum erweitert und gibt dadurch den gemalten Figuren eine real nicht vorhandene Standfläche.

Das Motiv der umlaufenden Balustrade und die sich darüberbeugenden Figuren haben bekannte Vorbilder. Barocke Deckenmalereien im Schloß Oranienburg und im Schloß Berlin (Voute des Elisabethsaals, Augustin Terwesten, um 1703) zeigen eine große formale Ähnlichkeit. Die Malereien im Chinesischen Haus sind das einzige Beispiel monumentaler Chinoiserie. Die Genreszenen stehen in ihrer chinoisen Art der eindeutig mitteleuropäischen Physiognomie der einzelnen Gestalten entgegen.

 

Englische Mode in Sanssouci

1764 befahl Friedrich II. den Bau eines Küchengebäudes in unmittelbarer Nähe des Pavillons, um die Speisen bequem servieren lassen zu können. Nach einer Zeichnung Bürings wurde das Haus errichtet. Das exotische Aussehen ist heute nur noch in der Sechseckform der Fenster und Fensterläden zu erahnen, da das Gebäude 1789 zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Fünf blecherne Pagoden schmückten die Attika. Sie bewegten die Köpfe nach Art der Porzellanpagoden im Wind. Ein Drachen bedeckte den Schornstein. Die neun Pilaster der Fassade waren mit gemalten Schlangen und rankenden Blumen verziert. Auch die Küchengerätschaften sollen in chinoisen Formen angefertigt worden sein. Der Weg zur Küche führte über die Chinesische Brücke. Sie ist nicht erhalten.

Mit einem Entwurf für eine chinesische Brücke beauftragte Friedrich II. den Architekten William Chambers (1726-1796). Chambers lieferte dem König 1763 drei Pläne und quittierte 1763 den Erhalt von fünfzehn Guiness.

 

Aus den Reparaturrechnungen des Staffiermalers Trepper von 1788 geht hervor, daß der vermutlich hölzerne Bau polychrom gefaßt war. Die Brücke trug einen Aufbau mit einem grünen Dach aus Blech, worauf vier Vasen aus Blei oder Kupfer saßen. Jede Vase war mit zwölf chinoisen Köpfen verziert. Eine Ähnlichkeit mit dem Entwurf von Chambers besteht also.

Friedrich II. bestellte auch zwei Porzellanservice mit exotischem Dekor. Ein Japanisches Tafelservice der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin, für Schloß Sanssouci bestimmt, wurde vermutlich im Chinesischen Haus benutzt (Ausführung 1769/70). Die szenischen Malereien wurden nach François Boucher (1703-1770) gemalt.

Nicht karikiert, sondern humoristisch werden die exotischen Figuren dargestellt. Die verschiedenen Szenen der Teller spielen auf die Figuren am Chinesischen Haus an. Es ist das einzige Service mit einem chinoisen Thema, das die KPM je herstellte.

 

1770-72 entwarf Carl Philipp Gontard im Auftrag des Königs einen „chinesichen Turm", das heutige Drachenhaus. Der viergeschossige Bau auf einem oktogonalen Grundriß erhielt die Form einer chinesischen Pagode. Der Entwurf wurde angeregt durch William Chambers. Der englische Architekt hatte in seinen Stichwerken „Designs of Chinese Buildings," 1757, und „Plans, Elevations, Section and Perspective Views of the Gardens and Buildings at Kew," 1763, Parkbauten nach ostasiatischem Vorbild veröffentlicht.

Die grün gefaßte Fassade des Erdgeschosses ist reich bemalt, ähnlich wie die der Chinesische Küche es war. Die Fensterbögen wurden mit gemalten Chinesenköpfen wie am Chinesischen Haus geziert. Die drei offenen Obergeschosse werden mit Balustraden begrenzt. Die Decken erscheinen als Sternenhimmel. Grüne Drachen und vergoldete Quasten hängen an den Dächern. Das Gebäude war als Wohnhaus des Winzers des Weinberges gedacht, der 1769 dort angelegt worden war.

Das Drachenhaus ist das einzige Beispiel direkten Einflusses europäischer Chinoiserie auf jene in Brandenburg-Preußen. Sowohl Chambers Pagode in Kew als auch die Ta-Ho-Pagode in der Nähe von Kanton wirkten vorbildlich. Beide Bauten waren von Chambers veröffentlicht worden.

 

Der König formt die Chinamode

Das friderizianische Rokoko hat auch in seiner chinoisen Spielart eine starke Eigenart bewahrt. Dazu trugen Künstler wie Friedrich Wilhelm Höder und Thomas Huber wesentlich bei. Künstler, die neben Pesne, Nahl und Hoppenhaupt als unbekannte Größen dastehen. Aus der Billigung dieser eigenwilligen Deutungen der Chinoiserie durch Friedrich II. läßt sich schließen, daß der König an einer engen Anlehnung an die europäische Chinoiserie kein Interesse hatte.

Friedrich II. hatte sich für eine kurze Zeit der deutsch-österreichischen Vorliebe für Chinoiserien angeschlossen. Mitte der fünfziger Jahre neigte er sich den neuen künstlerischen Ideen zu, die mit dem Klassizismus aus England kamen. Das Neue Palais und zahlreiche Stadbauten zeigen deutlich den Einfluß des englischen Palladianismus.

Ein herausragendes Interesse an der Chinoiserie hatte Friedrich II. nicht. Für die Chinamode ist das Chinesische Haus ein wichtiges Beispiel. In der Gesamtheit der friderizianischen Kunst und Architektur spielte es wie im Leben des Königs nur eine untergeordnete Rolle. Das Drachenhaus war von vornherein eine singuläre Parkkulisse.

 

Gerhild H. M. Komander

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