Fundstücke der Berliner Geschichte

„Det is’n Sauwetter! Da könnte man zwee draus machen!“

Von Zahlen und von Zeitbegriffen

 

Der Berliner erzählt: Eens, zwee, dreie, viere, fünfe, sechse, sieben, achte, neune, zehne, elwe, zwelfe, dreizehn, virrzehn, fufzehn, sechzehn, siebzehn, achtzehn, neunzehn, zwanzij, eenunzwanzij, zweeunzwanzij, dreiunzwanzij, vierunzwanzij, fünfunzwanzij, sechsunzwanzij, sieb’nunzwanzij, achtunzwanzij, neununzwanzij, dreißij, virrzij, fufzij, sechzij, siebzij, achtzij, neinzij, hundert, dausend, ’ne, Milliohn, ’ne Milljarde.

 

Wer mit einem Chauffeur oder mit einem Kleinhändler abrechnet, muß achtgeben auf Abkürzungen. Der Berliner ist zwar liebenswürdig, aber er setzt voraus, daß jeder seine Abkürzungen versteht und sagt nicht „Eine Mark und fünfzig Pfennig“. Kurz und bündig sagt er: „Eensfuffzij!" Der Fremde muß sehen, wie er das versteht.

Die Zahlen werden vom Berliner nicht nur beim Rechnen verwendet. Er benutzt sie in mancherlei Gesprächen. Einen hochgewachsenen Menschen nennt er „’ne lange Eens“. Bei schlechtem Wetter ruft er: „Det is’n Sauwetter! Da könnte man zwee draus machen!“ Fragt man jemand zu neugierig nach der Wohnung, dann antwortet der Berliner: „Drei Treppen hoch im Keller!“ Eine Frau, die nicht gern ihr Alter angeben will, wird geneckt: „Zwischen siebzehn und siebzig!“ Wer übermäßig schmeichelt, bekommt zu hören: „Sie sind’n falscher Fuffzijer!“ (ein unechtes Geldstück).

 

So dient jede Zahl zu einer oder gar mehreren Redensarten.

Bei der richtigen Zeitbestimmung wendet der Berliner, wie das im Kapitel „Vom Tonfall“ schon geschildert ist, gern alte Wortstellungen an. „Um Uhrer eenßen!“ bedeutet: „Um ein Uhr.“ „Vor’n Jahrenser zehne!“ „Vor zehn Jahren“. Doch wird diese Wendung nur bei unbestimmten Zahlenangaben gebraucht.

Der Berliner, sonst so genau, sagt nicht „Drei Viertel nach Vier“, Dreiviertel fünf!“ sagt er. Ein Viertel nach fünf aber ist „Viertel sechs!“ Ein Besuch kommt pünktlich um vier – nicht vier Uhr. Wer um Uhre vieren kommt, ist nicht pünktlich, sondern kommt ungefähr um vier Uhr. Wenn jemand während der Mittagszeit kommt, dann heißt das „unter Mittag“: Wird er die ganze Mittagszeit hindurch erwartet, dann heißt das „über Mittag“. Und kommt jemand genau um 12 Uhr, dann heißt das „uff Mittag“.

 

Aus:
Hans Ostwald: Was nicht im Wörterbuch steht. Berlinerisch, mit vielen Zeichnungen von Heinrich Zille, Karl Arnold und Rudolf Großmann, München: R. Piper & Co. Verlag 1932, S. 68-69

 

Der Text erschien zuerst im "Berliner Lindenblatt", Juli 2007.

 

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