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Neptun 100Elisabeth von Bayern Königin von Preußen

Sie war seit der Reformation die erste katholische Schwiegertochter am brandenburgisch-preußischen Hof. Aus Liebe zu ihrem Mann, dem preußischen Kronprinzen, gab sie dem unerbittlichen Drängen des Königs nach und konvertierte.

 

Elisabeth Ludovika Prinzessin von Bayern Königin von Preußen

Geboren am 13. November 1801 in der Münchner Residenz
gestorben am 14. Dezember im Dresdner Reisdenzschloß
bestattet in der Friedenskirche zu Potsdam


Elisabeth Ludovika Prinzessin von Bayern kam am 13. November 1801 als Tochter des bayerischen Kurfürstenpaares Maximilian IV. Joseph (1756-1825) und Caroline (1776-1841) in der Münchner Residenz zur Welt. 1806 wurde Maximilian König „von Napoleons Gnaden“, und Bayern konnte große Gebietszuwächse einstreichen - zum Teil auf Kosten Preußens, das die fränkischen Stammlande der Hohenzollerndynastie verlor.

Im November 1823 heiratete Elisabeth den ältesten Sohn der wohl populärsten Königin und Mutter in der Geschichte des 19. Jahrhunderts, den preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, Sohn der Königin Luise. 1840 folgte dieser als Friedrich Wilhelm IV. seinem Vater, Friedrich Wilhelm III., auf den preußischen Thron: Elisabeth wurde Königin von Preußen.


Jugend in den bayerischen Schlössern

Die Kindheit verbrachte Elisabeth mit zehn Geschwistern - vier aus der ersten Ehe des Vaters - in München, der bayerischen Residenz, und in Nymphenburg, dem liebsten Aufenthaltsort des Vaters. Schloß Nymphenburg war 1664 bis 1675 unter Kurfürst Ferdinand Maria für seine Gemahlin Henriette Adelaide von Savoyen erbaut und unter ihrem Sohn Max Emanuel 1701 auf die heutige Größe erweitert worden.

Während die barocken Repräsentationsräume im Hauptbau unverändert blieben, wurden die königlichen Räume zwischen 1806 und 1808 im französischen Stile des Empire neugestaltet. Das Mobiliar bestand vor allem in Pariser Importen.
Im Erdgeschoß des südlichen Pavillons richtete Max I. Joseph seine Wohnräume ein, die seiner Gattin Caroline lagen im Hauptgeschoß darüber. Die Kinder hatten ihre Räume im zweiten Obergeschoß beider innerer Pavillons. Die königlichen Appartements stellen eines der seltenen so rein erhaltenen Beispiele des Stiles in Deutschland dar. Die Fassade ließ Ludwig I., Sohn und Nachfolger Max Josephs, ab 1826 im Stil des Klassizismus verändern.

 

Das Familienleben verlief in ähnlich ungezwungenen und einfachen Bahnen wie am preußischen Königshof zur Zeit der Königin Luise. Ein wesentlicher Unterschied bestand jedoch in der religiösen Toleranz, die Max Joseph und Caroline pflegten.

Caroline von Baden war 1797 die zweite Frau des bayerischen Kurfürsten und nachmaligen Königs geworden. Sie war wie die erste Frau Max Josephs, Augusta Wilhelmine von Hessen-Darmstadt (1765-1796), protestantischen Glaubens, den sie auch lebenslang beibehielten.
Ausdrücklich hatte Max Joseph wieder eine protestantische Gemahlin gewünscht, um seinem Ziel, religiöse Toleranz in Bayern einzuführen, als persönliches Vorbild voranzugehen. (Schad, Königinnen, 18). Die Kinder wurden in der Konfession des Vaters unterwiesen.

Den Unterricht Elisabeths und ihrer Schwestern übernahm der Protestant und klassische Philologe Friedrich Thiersch. Thiersch, der der katholischen Religion ablehnend gegenüberstand, gab den Prinzessinnen Unterricht in Literatur, Geographie und Geschichte. Die Schülerinnen liebten und verehrten ihren Lehrer, der religiösen Toleranz ihrer Eltern folgten sie nicht.



Wie gelangte eine Katholikin auf den preußischen Thron?

Die Idee stammte vom bayerischen Kronprinzen Ludwig (I.) (1786-1868). Der 15 Jahre ältere Halbbruder Elisabeths profilierte sich in jungen Jahren als Gegner Napoleons und deutscher Patriot. Er träumte von einer politischen Verbindung von Nord- und Süddeutschland und einem einigen Deutschland. Wie konnte man diese Verbindung glaubwürdiger in die Wege leiten als durch die Vereinigung der alten deutschen Dynastien Wittelsbach und Hohenzollern?

Ludwigs politische und religionspolitische Ziele waren jedoch widersprüchlich. Mit seinem späteren preußischen Schwager verband ihn die „romantisch-patriotische Grundstimmung seiner Generation“ und eine echte persönliche Freundschaft, doch neigte er - vor allem in der zweiten Lebenshälfte - der „austrophil-kaiserlich-katholischen Richtung“ zu, wie Heinz Gollwitzer in seiner Ludwig-Biographie schreibt.

Andererseits hegte Ludwig große Bewunderung für Preußen. Dankbarkeit äußerte er gegenüber Friedrich II., der Bayerns Selbständigkeit vor Österreich gerettet habe, und bezeugte als bayerischer König (ab 1825) volle Übereinstimmung mit dem Zollverein, der Bayern, Württemberg und Preußen verband, Österreich jedoch ausschloß.

1818 wandte sich Ludwig an Herzog Georg Friedrich von Mecklenburg-Strelitz und bat, seinen Wunsch, eine seiner Schwestern mit dem preußischen Kronprinzen zu verehelichen, an den preußischen König zu übermitteln. Dafür kam das ältere Zwillingspaar des bayerischen Königspaares, Elisabeth und Marie, in Frage.


Friedrich Wilhelm III. will keine katholische Schwiegertochter

Friedrich Wilhelm III. lehnte ohne Bedenken freundlich, aber bestimmt ab: Eine katholische Königin auf Preußens Thron kam für ihn nicht in Frage. Ludwig antwortete, die Konversion der gewählten Prinzessin stelle kein Problem dar. Seine Schwestern hatte er nicht gefragt! Sie galten ihm trotz einiger Zuneigung vor allem als Tauschpfand für seine politischen Ziele. Und würde diese Heirat nicht das Prestige eines Landes heben, das zwischen Preußen und Österreich bloß als Mittelstaat galt?

Im Sommer 1819 schickte der preußische König Kronprinz Friedrich Wilhelm in Begleitung seines Bruders Wilhelm und seines Cousins Friedrich von Oranien auf die Reise in den Süden.

Friedrich Wilhelm schrieb an seine Schwester Charlotte:

„Morgen bestehe ich eine schreckliche Probe von Contenance. Ich gehe nach Baden mit Fritz und Wilm, um den bayerischen Majestäten nebst sechs Töchtern die Cour zu machen (...) Ich höre täglich soviel Göttliches von dem ersten Zwillingspaar, daß mir die Haare ob der Angst zu Berge stehen.“

Friedrich Wilhelm überstand die Cour. Der ersten Begegnung mit Elisabeth folgte Wochen später eine zweite, von der er seinem Lehrer Ancillon berichtete:

„Noch ist keine Not, aber ich stehe für nichts, wenn ich lange in München bleibe: ein liebliches eirundes anmutiges Antlitz, Augen so klar wie der neapolitanische Himmel, schwarze Brauen, dunkles Haar, dabei ein Anstand, wie ich ihn träumen kann - also Hilfe, Hilfe!“

 

Gemeint war Elisabeth, bei der Friedrich Wilhelm einen ebensolchen Eindruck hinterlassen hatte. Sie gestand ihrer Mutter, „nur in der Verbindung mit ihm das Glück ihres Lebens“ finden zu können, ein Konfessionswechsel jedoch erschien ihr als Meineid. Eltern und Bruder reagierten mit Unverständnis und Empörung. Elisabeth erklärte sich nach quälenden Verhandlungen zu allen Kompromissen bereit, wenn der König die Forderung nach einem Glaubenswechsel fallen ließe. Sie wolle in Berlin am evangelischen Gottesdienst teilnehmen, Kontakte zu Katholiken meiden, auf einen Beichtvater verzichten.

Aber Friedrich Wilhelm III. berief sich auf das Hausgesetz Friedrich Wilhelms I., das katholische Schwiegertöchter am preußischen Hof nicht zuließ und riet seinem Sohn zum Rückzug. Der Kronprinz respektierte sowohl Elisabeths Gewissensnot als auch die Beharrlichkeit seines Vaters.

Harsche Kritik an der Sturheit des preußischen Königs übte Friedrich Thiersch, der entschiedene Protestant und Lehrer Elisabeths. Sein Freund Jacobs brachte die Sache auf den Punkt:

„Was für ein närrisches Wesen ist das? Man läßt eine Tochter die griechisch-katholische Religion annehmen [gemeint war die älteste Tochter Charlotte, die spätere Zarin Alexandra Feodorowna] und verlangt, daß die Schwiegertochter die römisch-katholische ablegen soll! und diese Zumutung macht man einer Familie, in welcher die gemischten Heirathen herrschen (...). Der preußische Ruhm scheint auf allen Punkten zurückzuweichen.“

Zu welchen Formulierungen Jacobs wohl gegriffen hat, als er erfuhr, daß Friedrich Wilhelm III. 1824 die katholische Gräfin Auguste von Harrach zur zweiten Gemahlin nahm?

 

Prinz Wilhelm fordert Toleranz

Prinz Wilhelm (I.) äußerte seinen Unmut über den Vater und seine politischen Bedenken im April 1823 gegenüber seiner Schwester Charlotte:

„Preußen hat stets ein so hohes Beispiel der Toleranz gegeben unter allen Regierungen. Und nun in dem aufgeklärten 19. Jahrhundert, wo fast die Hälfte unserer Untertanen katholisch sind [Zugewinn der Rheinlande], sollen 2 (sic!) Herzen getrennt werden aus Intoleranz, und weil das Herkommen und durchaus kein Hausgesetz dagegen ist. Welch einen Eindruck soll dies auf jenen Teil der Untertanen machen? die (sic!) noch dazu größtenteils neu erworben sind.

Die Ansicht, welche man jetzt so oft hört: Preußen sei das Haupt der evangelischen Kirche [diese vertrat der König], kann ich nicht passieren lassen. Unser Haus und Staat sind mir die größten unter den evangelischen Fürsten und Reichen, aber dies ist zufällig. Ein Kirchenoberhaupt muß ganz unabhängig von großem oder kleinem Länderbesitz sein, wenn man sich ein dergleichen Oberhaupt denken wollte.“

Friedrich Wilhelm III. sah sich nicht nur als Oberhaupt der Protestanten, sondern auch als Schutzherr der Glaubensfreiheit und erkannte seinen eigenen Widerspruch nicht. Tatsächlich übte er mit der Forderung an Elisabeth Glaubenszwang aus.
Seit 1815 beschäftigte er sich mit Plänen, die lutherische und calvinistische Konfession in einer evangelischen Kirche zu vereinen. In einer Agende für die uniierte Kirche legte er gar die Ausstattung der Kirchen in allen Einzelheiten fest - im Widerspruch zum Allgemeinen Preußischen Landrecht, das ausdrücklich die Ausgestaltung der Kirchenräumen den Gemeinden zugestand.

 

Seine Schwägerin Marianne erkannte, daß hier „eine eindeutig in den Bereich des Gewissens gehörende Entscheidung durch die Autorität des Königs und des Staates zwar nicht befohlen, aber doch durchgedrückt werden sollte.“

Amalie von Baden, Tante des preußischen Königs, brachte noch einmal Bewegung in die Heiratsangelegenheit und erreichte, daß Elisabeth dem König schrieb, sie werde zu einem späteren Zeitpunkt konvertieren. Endlich konnten daraufhin im Sommer 1823 die Vorbereitungen zur Eheschließung beginnen.

Friedrich Wilhelm III. gab ihr ein Jahr Frist zur Konversion. Der Gedanke an den bevorstehenden Glaubenswechsel ließ Elisabeth erkranken, berichtete ihr Lehrer Thiersch einem Freund. Sie hatte bei den kirchlichen Feiern im Dom zu erscheinen, während ihr der Besuch der St. Hedwigs-Kirche und anderer katholischer Kirchen untersagt war. Schließlich verbot der König auch die Teilnahme an den Kirchgängen der königlichen Familie.

 

Elf Jahre währte der Kampf Elisabeths! Am 5. Mai 1830 trat sie zum protestantischen Bekenntnis über. Wochen vor der Konversion Elisabeths beobachtete Prinz Wilhelm besorgt, daß Elisabeth krank war, Blut spukte, und deutete dies als Ausdruck ihres inneren Kampfes, der sie physisch krank mache.

Auch Kaplan Fischer von St. Hedwig sah den Glaubenswechsel Elisabeths sehr kritisch: Durch die Isolierung von der katholischen Kirche „konnte und wollte [sie] nicht mehr in der Kirche bleiben als ein abgestorbenes Glied und brach förmlich mit der Kirche, um sich selbst aus einer quälenden Lage zu retten.“ Elisabeth selbst beteuerte, daß sie den Übertritt zum evangelischen Glauben ganz und gar aus freien Schritten und Überzeugung vollzog.

Die Bindung an den Katholizismus scheint für Elisabeth vor allem eine Bindung an ihre Familie und die bayerische Heimat gewesen bedeutet zu haben. Die Trennung von den Geschwistern, denen übrigens der Glaubenswechsel Elisabeths sehr peinlich war, und der geliebten Umgebung war ihr sehr schwer gefallen. Alljährliche Reisen an den Hof ihrer Zwillingsschwester Amalie in Dresden sowie nach München und Tegernsee bezeugen diese lebenslange Anhänglichkeit.


Zur Hochzeit ein lyrischer Myrtenstrauß

Am 16. November 1823 fand die Trauung nach katholischem Ritus per procurationem in der Münchner Hofkapelle statt. Das heißt, der Bräutigam wurde durch seinen künftigen Schwager, den jüngeren Halbbruder Karl, bei der Zeremonie vertreten. Am 20. des Monats reiste die Braut mit ihrem Gefolge ab. Der feierliche Einzug Elisabeths am 28. November 1823 in Berlin ist in einem Augenzeugenbericht nachzulesen. Paul Habermann machte den Text ausfindig und kommentierte ihn 1991 in den „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins“. Am 29. November vollzog Bischof Eylert die Trauung nach protestantischem Ritus in der Kapelle des Berliner Schlosses.

Unter dem Titel „Lyrischer Myrtenstrauß“ bewahrt die Staatsbibliothek zu Berlin einen Sammelband mit Huldigungs-Gedichten zur Vermählung Elisabeths von Bayern mit Friedrich Wilhelm von Preußen. Dort ist der Religionskonflikt, in dem sich die unzeitgemäße Politik des preußischen Königs widerspiegelt, vergessen - die Idee Ludwigs, eine Verbrüderung Bayerns und Preußens herbeizuführen, nicht.

Heil dir beglüktes Vaterland,
Du einest mit der Liebe Band
Dir Königsthrone fern und nah,
Du Segensland Bavaria!

Zwei edle Völker theilen sich
In deine Fürstin brüderlich,
Sie sieht mit gleichem Liebesblik
Der Baiern und der Brennen* Glük.     

Hinweg der Trennung herben Schmerz,
Ihr schlägt ein edles deutsches Herz;
Das ist dem neuen Vaterland,
Das bleibt der Heimath zugewandt,

Wenn Sie, mit jedem Reiz geschmükt,
Des Nordens großes Volk entzükt,
Wenn jubelnd hallt Borussia:
Es ist dein Kind, Bavaria!

Hymne eines unbekannten Verfassers

*Brandenburger



Familie und familiäre Beziehungen

Die Heirat des preußischen Kronprinzen mit der bayerischen Königstochter Elisabeth schuf eine enge Bindung zwischen zwei deutschen Fürstengeschlechtern, den Hohenzollern und Wittelsbachern. Darüber hinaus entstand ein politischer Zusammenhalt monarchischer Prägung zwischen Preußen und Bayern, der, zumindest zu Lebzeiten Friedrich Wilhelms, in den politisch unruhigen vierziger und fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts mit Hilfe der familiären Beziehungen manche Konfrontation verhindern konnte.

Friedrich Wilhelm IV. und Elisabeth pflegten die weitreichenden Verbindungen ihrer Familien sehr. Wie wichtig diese Beziehungen auch für das persönliche Glück sein konnten, zeigt die Heiratsgeschichte des Paares. Warum vermittelte der Herzog von Mecklenburg-Strelitz in der Heiratssache? Er war der Schwager Friedrich Wilhelms III. und der Onkel von Therese, Ludwigs Frau.
Warum griff Amalie von Baden in die festgefahrene Angelegenheit ein? Sie war die Großmutter Elisabeths. Daß die Fürstenhäuser Europas eng miteinander verwandt und verschwägert waren, ist bekannt. Da aber die Genealogie in der Regel nur die männliche Seite betrachtet, ist die enge Verwandtschaft der zu Lebzeiten Elisabeths wichtigen Personen am Berliner Hof und in ihrem weiteren Umkreis noch nie herausgestellt worden.


Die vergessene Königin als familiäres Bindeglied

Eine ganz und gar unscheinbare Person aus dem Hause Hessen-Darmstadt stellt eine dynastische Beziehung her, die alle Familien der einander ebenbürtigen Frauen am brandenburgischen Hof zur Zeit Elisabeths verwandtschaftlich miteinander verbindet:
Friederike Luise von Hessen-Darmstadt Königin von Preußen, Großmutter des Kronprinzen Friedrich Wilhelm.
Friederike Luise war eine von vier Schwestern aus dem Hause Hessen-Darmstadt, deren Vater sowohl der Urgroßvater war von

- Kronprinz Friedrich Wilhelm und seinen Geschwistern
- Elisabeth von Bayern und ihren Schwestern
- Marie und Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach
als auch von
- Marie von Preußen Königin von Bayern.

Der Großvater dieser vier hessischen Schwestern war sowohl der Urgroßvater der Königin Luise als auch König Ludwigs I. von Bayern.

Karoline von Hessen-Darmstadt heiratete nach Hessen-Homburg. Sie wurde die Mutter von Marianne von Preußen und damit Großmutter der Prinzessin Marie.
Amalie von Hessen-Darmstadt heiratete nach Baden. Sie wurde die Mutter von Königin Caroline von Bayern und Großmutter von Elisabeth und ihren Schwestern.
Luise Auguste heiratete nach Sachsen-Weimar-Eisenach. Sie wurde die Mutter von Herzog Karl Friedrich und die Großmutter von Augusta, der späteren Deutschen Kaiserin, und ihrer Schwester und Schwägerin Marie. - Die Mutter der Weimarer Schwestern war die Großfürstin Maria Pawlowna, ihrerseits Schwester der Zaren Alexander I. und Nikolaus I.

In unserer Zeit ist es üblich, die Verwandtschaft bis in die dritte Generation zu verfolgen. Doch wer kennt noch Herkunft und Namen der Urgroßeltern? Nun, für uns spielt das auch keine Rolle. Wer von uns hat schon einen Thron zu vergeben oder zu beanspruchen?
Für Elisabeth und ihre Umgebung war diese Frage durchaus von Bedeutung.

 

Als die Kronprinzessin nach mehrjähriger Ehe weder Kinder geboren hatte, noch sich Anzeichen einer Schwangerschaft gezeigt hatten, mußte sich ihr Schwager Prinz Wilhelm aus dynastischen Gründen von seiner nicht standesgemäßen Jugendliebe Elisa Radziwill trennen.
Er würde möglicherweise die Thronfolge nach seinem Bruder antreten müssen. Und sofort meldete die Zarinmutter Maria Feodorowna (Sophie von Württemberg, verheiratet mit Paul) Ansprüche an für ihre Urenkel aus der Ehe von Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach mit dem Prinzen Karl von Preußen.

Denn die Kinder aus einer nicht standesgemäßen Ehe Wilhelms würden nicht erbfolgeberechtigt sein. Vielleicht liegt hier der Grund, weshalb Zar Alexander die Bitte, Elisa zu adoptieren, nicht erfüllte. So heiratete Wilhelm 1829 Augusta, die ebenfalls eine Enkelin der Zarinmutter war.

 

Zar Alexander I., der legendäre Freund Königin Luises, war übrigens mit einer Tante Elisabeths verheiratet: Luise Marie von Baden. Da die Ehe kinderlos blieb, bestieg sein Bruder Nikolaus den Thron. Der knüpfte die jüngste Verbindung zur Hohenzollern-Dynastie, indem er Prinzessin Charlotte von Preußen heiratete.

Sowohl Elisabeth als auch Friedrich Wilhelm besaßen die engste Freundschaft unter ihren Geschwistern. Für Friedrich Wilhelm war es Charlotte im fernen St. Petersburg, für Elisabeth ihre Zwillingsschwester Amalie in Dresden. Die Briefe an Amalie wurden auf Wunsch Elisabeths nach deren Tod verbrannt, so daß uns die wichtigste Quelle zu ihrem Leben fehlt.

 

Eine Art von Wahlverwandtschaft verband Elisabeths Gemahl seit der Heirat mit Johann von Sachsen, den Amalie 1822 geheiratet hatte. Ein intensiver, für beide Persönlichkeiten aufschlußreicher Briefwechsel zwischen Friedrich Wilhelm und Johann, dem Dante-Übersetzer, zeugt davon (Er reitet in Dresden vor der Semper-Oper). Mit ihm brach Friedrich Wilhelm 1828 zu der ersehnten Italienreise auf und verbrachte seinen 33. Geburtstag in Florenz - ohne Elisabeth.

Eine starke Affinität entwickelte sich zwischen Elisabeths Halbbruder Ludwig, seit 1825 König von Bayern, und Friedrich Wilhelm IV. Sie teilten die romantische Stimmung, die altdeutsche Verklärung und die Begeisterung für den Philhellenismus. Gleichwohl kritisierten sie sehr offen die jeweilige Kirchenpolitik ihres Landes.

Friedrich Wilhelm setzte nach den Kirchenkämpfen der dreißiger Jahre als König alles an eine Aussöhnung mit den katholischen Untertanen im Rheinland und in Polen. Ludwig unterstützte ihn dabei. Er vermittelte zwischen dem preußischen König und der römischen Kurie und trug so wesentlich zur Integration der rheinländischen Katholiken in den preußischen Staat bei. Es wäre lohnenswert, die gegenseitige Beeinflussung der beiden Könige in künstlerischer Hinsicht zu betrachten. Denn auch hier herrschte große Übereinstimmung.

Für die Nähe zwischen Ludwig und Friedrich Wilhelm stehen beispielhaft die Beteiligung preußischer Künstler am Projekt der Walhalla und die Förderung Ludwigs für des preußischen Königs Nationaldenkmal: die Vollendung des Kölner Domes. Friedrich Wilhelm nannte Ludwig „den deutschen König in Bayern“.



Leben - und Rückzug - am preußischen Hof

Elisabeths Empfang am königlich-preußischen Hof war überaus herzlich. Den widerspenstigen König nahm sie durch Anmut und Charakter für sich ein. Außer der ältesten Schwester ihres Gemahls, Charlotte, akzeptierten alle Familienmitglieder die Rolle Elisabeths als Kronprinzessin und die damit verbundene führende Stellung am Hof.

Ihr Schwager Wilhelm beschreibt sie im Dezember 1823 Luise Radziwill:

„Meine Schwägerin gewinne ich täglich lieber; sie hat eine so angenehme Heiterkeit, mit so vielem Ernst verbunden, wobei man so ganz den richtigen Takt bemerken kann. (...) Sie paßt so ganz in unsre Familie, in der sie sich sehr gefällt und zu Hause findet; aber sie denkt nie ohne Rührung an die Heimat der Ihrigen, was sie uns nur theurer machen kann, da es soviel Gemüt verrät!“

Monate später bemerkte Wilhelm, „daß Elisabeth im ganzen stiller ist, als man vielleicht glaubte.“ Doch zog er Elisabeth und den Bruder bezüglich seiner Herzensangelegenheit Elisa ins Vertrauen und auch später, als es um die Heirat mit Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach ging, zu der ihn Elisabeth ermunterte.

Die zur Fürstin von Liegnitz erhobene zweite Ehefrau des Königs schrieb 1827:

„Der Kronprinz und die Kronprinzessin lieben sich zärtlich, sind also viel mit sich selbst beschäftigt, er ist seelengut und mitunter sehr lustig, sie sehr still und man muß ihr etwas entgegenkommen“.

 

Dabei hatte die Fürstin selbst den schwersten Stand am Hofe. Denn sie war nicht ebenbürtig war und erfuhr auch von der Kronprinzessin weder Erleichterung noch Zuwendung. Doch befahl der patriarchalische Gatte beziehungsweise Schwiegervater, daß Elisabeth während seiner Abwesenheit mit der Fürstin Liegnitz in Charlottenburg in deren Gemächern, die in der Wohnung Friedrichs II. eingerichtet worden waren, zu speisen habe.

Eine vertrauensvolle Bindung entwickelte Elisabeth zur Prinzessin Marianne, der Schwägerin des Königs und einstigen Gefährtin der Königin Luise, die sie auch bat, sie bei ihrem Konfessionswechsel zu begleiten. So begrüßte Elisabeth den Plan einer Hochzeit von Mariannes Tochter Marie mit ihrem Neffen Maximilian von Bayern. Daß es zwischen diesen beiden Frauen kein Gefühl der Konkurrenz gab, zeigt die Begebenheit, daß bei der Hochzeit Maries 1842 Marianne und Elisabeth die Krone auf deren Haupt befestigten. Dieser Akt war das Recht der ersten Dame des Hofes, die Elisabeth war. Sie teilte es gern mit der Mutter der Braut.

 

Ihrer Rolle am preußischen Hof - zunächst als Kronprinzessin, ab 1840 als Königin - wurde Elisabeth nicht gerecht. Sie entzog sich der Öffentlichkeit und dem höfischen Leben, wo sie konnte - vielfach durch Krankheit -, und frühzeitig auch mehr und mehr der großen Familie ihres Mannes.
Friedrich Wilhelm IV. teilte mit seiner Frau die Vorliebe für eine private Atmosphäre. Doch suchte er Gesellschaft und geistigen Austausch, scharte um sich einen kleinen erlesenen Kreis, dessen Mitglieder sich frei von der Hofetikette in Sanssouci und Charlottenhof bewegen und mitteilen durften.

1840 erwarb Friedrich Wilhelm IV. als Sommersitz das Schloß Erdmannsdorf in Schlesien, das ein Treffpunkt der königlichen Familie wurde. Hier trafen sie mit Amalie und Johann von Sachsen, Königin Caroline und Sophie von Österreich zusammen.
Wilhelm und Augusta aber fehlten. Konträre politische Meinungen entfremdeten die Brüder und ließen Nähe zwischen den beiden Frauen nicht zu. Zudem vermochte Elisabeth der Konkurrenz mit der intelligenten und selbstbewußten, im höfischen Umgang auf das Beste geschulten Augusta Elisabeth nicht standzuhalten.

Preußen hatte von 1810 bis 1840 keine Königin gehabt.
Marianne von Preußen hatte diese Lücke bis 1823 stellvertretend ausgefüllt und ihre Position ohne Bedauern an Elisabeth abgetreten. Elisabeth jedoch überwand nie ihre Schüchternheit und bewegte sich in fremder Gesellschaft äußerst verlegen. Die aufgrund ihrer Kinderlosigkeit zur Kronprinzessin aufgestiegene Augusta hatte einen Sohn und Thronfolger. Elisabeth war ohne Kinder bedeutungslos geworden.


Königin ohne Publikum

Trotz ihres überdurchschnittlichen Einsatzes für wohltätige Zwecke erwarb sie sich in der Bevölkerung keine Popularität. Man kannte die erste Dame am Hofe in der Öffentlichkeit im Grunde gar nicht!
Eine andere Ursache war sicherlich die extrem konservative politische Haltung Elisabeths, die das liberale Bürgertum nur belächelte. Sie empörte sich über den Thronverzicht ihres Bruders, Ludwigs I., 1848, aber nicht über die brutale Niederschlagung des Dekabristenaufstandes durch Nikolaus I. bei dessen Regierungsantritt 1825. Sie war ebenso eine politische Gegnerin ihrer liberalen Schwägerin Augusta wie Bismarcks und verschloß sich jeder politischen Neuerung.

Elisabeth stand immer an der Seite ihres Mannes und zu dessen Haltung vom Gottesgnadentum der Könige, die selbst konservative Preußen nicht mehr verstanden. Ihre unbedingte Loyalität zur preußischen Politik vertrat sie auch gegen die Meinung ihrer Schwestern. Friedrich Wilhelms IV. Festhalten am Gottesgnadentum der Herrscher irritierte die Mehrheit der Zeitgenossen. Schon zu Ende des 17. Jahrhunderts hatte Samuel Pufendorf, der Historiograph des Großen Kurfürsten, den Fürsten auf ihren Einwand, die Macht der Regierenden komme direkt von Gott, entgegnet, diese These sei lächerlich und kein Herrscher würde sie selbst glauben.

 

Den Ereignissen der Revolution von 1848 stand Elisabeth vollkommen hilflos gegenüber. Sie bewunderte ihre energische Schwester Sophie, die in Wien die Gunst der Stunde nutzte, für die Absetzung Kaiser Ferdinands sorgte und ihren Sohn Franz Joseph auf den Thron brachte. Das höfische Leben erlosch vollends, denn das königliche Paar zog sich aufgrund der Erlebnisse in Berlin nach Potsdam zurück.

Doch gänzlich ohne politischen Einfluß war auch Elisabeth nicht. Wenn sie ihn auch nicht in der konkreten Art forderte, wie es Augusta tat, bestärkte sie den König doch immer in der konservativsten Richtung und nahm stets an den Gesprächen der Kamarilla, den persönlichen Beratern Friedrich Wilhelms, teil.

In der engen Bindung zu ihren Geschwistern förderte Elisabeth die politischen Kontakte, die den Frieden zwischen Preußen und Österreich in konfliktreichen Zeiten erhielten. So kam es dazu, daß ihr Neffe, der junge Kaiser Franz Joseph, sich auf den Weg nach Berlin machte. Das von seiner Mutter Sophie erstrebte Heiratsprojekt mit Preußen lehnte Friedrich Wilhelm jedoch ab.

 

Die Erkrankung Friedrich Wilhelms IV. , die erstmals im Sommer 1856 auftrat, zeigte allen, worum sich Elisabeths Leben drehte: um ihren Gemahl. Sie ließ ihn nicht mehr aus den Augen und verzichtete auf ihre Reisen nach Dresden und an den Tegernsee. Nach dem zweiten Schlaganfall des Königs 1857 trug man Elisabeth die Regentschaft an. Natürlich lehnte sie ab, unterstützte aber die Übernahme der stellvertretenden Regierung durch ihren Schwager Wilhelm. Sie war es auch, die Friedrich Wilhelm die Urkunde zur offiziellen Einsetzung Wilhelms als Regenten zur Unterschrift vorlegte. Der spätere Kronprinz Friedrich nennt in seinem Tagebuch die Situation der Krankheit des Monarchen „Geheimnistuerei“.

Bis zuletzt hielt Elisabeth an der Königswürde ihres Gatten fest, pflegte ihn aufopfernd und versuchte, die Familie über seinen gesundheitlichen Zustand im Unklaren zu lassen. Friedrich und seine Frau Victoria brüskierte sie oft. Unverhohlen demonstrierte sie ihre Ablehnung der Ehe Friedrichs mit der englischen Prinzessin.

Am 2. Januar 1861 starb Friedrich Wilhelm IV. Seinem Nachfolger, Wilhelm I., sagte die Königin, ihr Beruf sei nun zu Ende, sie habe nur für ihn gelebt. Sie nahm es wörtlich, zog sich auf ihre Witwensitze Charlottenburg und Sanssouci zurück und erbat sich die Anrede „Königinwitwe“. Ihre Trauerkleider legte sie bis zu ihrem Tod nicht mehr ab.

 

Am 9. Januar 1862 vermerkt Kronprinz Friedrich in seinem Tagebuch:

„Heute ist Tante Elise zum 1. Mal seit Juni 1859 nach Berlin hereingekommen und hat meiner Mutter den ersten Besuch gemacht, seitdem Mama Königin ist; also nach Ablauf eines ganzen Jahres!!! - Königinwitwe besuchte Tante Marie [von Bayern], aber Vicky besuchte sie nicht, trotzdem sie seit dem Tode von Schwiegerpapa Vicky noch nicht wiedergesehen!“

Friedrich bemühte sich seinen Aufzeichnungen zufolge mit vielen Besuchen um Elisabeth. Näher gekommen sind sie sich nicht. Die Königinwitwe lebte, abgesehen von den Besuchen in Dresden, allein. 1863 notiert Friedrich, daß Elisabeth kaum noch laufen könne. Dennoch reiste sie 1873 nach Dresden, als sie die Nachricht vom Tod ihres Schwager Johann von Sachsen am 29. Oktober erhielt, um der Schwester beizustehen.

Dort erkrankte Elisabeth und starb am 14. Dezember.
Wilhelm I., der noch am 27. November des Jahres im Andenken an den Einzug seiner Schwägerin vor fünfzig Jahren in Berlin alle öffentlichen Gebäude hatte beflaggen lassen, ließ sie nach Sanssouci überführen, wo sie an derselben Stelle wie dreizehn Jahre zuvor sein Bruder im Schlafzimmer Friedrichs II. aufgebahrt wurde.


Literatur:

Thomas Stamm-Kuhlmann: König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm IV. der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992

Martha Schad: Bayerns Königinnen, Regensburg 1992

Paul Habermann: Ein Augenzeugenbericht über den Einzug der Kronprinzessin Elisabeth im November 1823, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 87, 1991, H. 4, S. 452-455

Walter Bußmann: Zwischen Preußen und Deutschland. Friedrich Wilhelm IV., Berlin 1990

Briefe Kaiser Wilhelms I. an Fürstin Luise Radziwill Prinzessin von Preußen 1817 bis 1829. Jugendbekenntnisse des alten Kaisers, hg. von Kurt Jagow, Leipzig 1939

Kaiser Friedrich III. Tagebücher von 1848 - 1866, hg. von Heinrich Otto Meisner, Leipzig 1929

Johann Georg Herzog zu Sachsen: Der Übertritt der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen zum Protestantismus (= Jahrbuch der Görres-Gesellschaft), Köln 1920

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