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Wie gelangte eine Katholikin auf den preußischen Thron?

Die Idee stammte vom bayerischen Kronprinzen Ludwig (I.) (1786-1868). Der 15 Jahre ältere Halbbruder Elisabeths profilierte sich in jungen Jahren als Gegner Napoleons und deutscher Patriot. Er träumte von einer politischen Verbindung von Nord- und Süddeutschland und einem einigen Deutschland. Wie konnte man diese Verbindung glaubwürdiger in die Wege leiten als durch die Vereinigung der alten deutschen Dynastien Wittelsbach und Hohenzollern?

Ludwigs politische und religionspolitische Ziele waren jedoch widersprüchlich. Mit seinem späteren preußischen Schwager verband ihn die „romantisch-patriotische Grundstimmung seiner Generation“ und eine echte persönliche Freundschaft, doch neigte er - vor allem in der zweiten Lebenshälfte - der „austrophil-kaiserlich-katholischen Richtung“ zu, wie Heinz Gollwitzer in seiner Ludwig-Biographie schreibt.

Andererseits hegte Ludwig große Bewunderung für Preußen. Dankbarkeit äußerte er gegenüber Friedrich II., der Bayerns Selbständigkeit vor Österreich gerettet habe, und bezeugte als bayerischer König (ab 1825) volle Übereinstimmung mit dem Zollverein, der Bayern, Württemberg und Preußen verband, Österreich jedoch ausschloß.

1818 wandte sich Ludwig an Herzog Georg Friedrich von Mecklenburg-Strelitz und bat, seinen Wunsch, eine seiner Schwestern mit dem preußischen Kronprinzen zu verehelichen, an den preußischen König zu übermitteln. Dafür kam das ältere Zwillingspaar des bayerischen Königspaares, Elisabeth und Marie, in Frage.


Friedrich Wilhelm III. will keine katholische Schwiegertochter

Friedrich Wilhelm III. lehnte ohne Bedenken freundlich, aber bestimmt ab: Eine katholische Königin auf Preußens Thron kam für ihn nicht in Frage. Ludwig antwortete, die Konversion der gewählten Prinzessin stelle kein Problem dar. Seine Schwestern hatte er nicht gefragt! Sie galten ihm trotz einiger Zuneigung vor allem als Tauschpfand für seine politischen Ziele. Und würde diese Heirat nicht das Prestige eines Landes heben, das zwischen Preußen und Österreich bloß als Mittelstaat galt?

Im Sommer 1819 schickte der preußische König Kronprinz Friedrich Wilhelm in Begleitung seines Bruders Wilhelm und seines Cousins Friedrich von Oranien auf die Reise in den Süden.

Friedrich Wilhelm schrieb an seine Schwester Charlotte:

„Morgen bestehe ich eine schreckliche Probe von Contenance. Ich gehe nach Baden mit Fritz und Wilm, um den bayerischen Majestäten nebst sechs Töchtern die Cour zu machen (...) Ich höre täglich soviel Göttliches von dem ersten Zwillingspaar, daß mir die Haare ob der Angst zu Berge stehen.“

Friedrich Wilhelm überstand die Cour. Der ersten Begegnung mit Elisabeth folgte Wochen später eine zweite, von der er seinem Lehrer Ancillon berichtete:

„Noch ist keine Not, aber ich stehe für nichts, wenn ich lange in München bleibe: ein liebliches eirundes anmutiges Antlitz, Augen so klar wie der neapolitanische Himmel, schwarze Brauen, dunkles Haar, dabei ein Anstand, wie ich ihn träumen kann - also Hilfe, Hilfe!“

 

Gemeint war Elisabeth, bei der Friedrich Wilhelm einen ebensolchen Eindruck hinterlassen hatte. Sie gestand ihrer Mutter, „nur in der Verbindung mit ihm das Glück ihres Lebens“ finden zu können, ein Konfessionswechsel jedoch erschien ihr als Meineid. Eltern und Bruder reagierten mit Unverständnis und Empörung. Elisabeth erklärte sich nach quälenden Verhandlungen zu allen Kompromissen bereit, wenn der König die Forderung nach einem Glaubenswechsel fallen ließe. Sie wolle in Berlin am evangelischen Gottesdienst teilnehmen, Kontakte zu Katholiken meiden, auf einen Beichtvater verzichten.

Aber Friedrich Wilhelm III. berief sich auf das Hausgesetz Friedrich Wilhelms I., das katholische Schwiegertöchter am preußischen Hof nicht zuließ und riet seinem Sohn zum Rückzug. Der Kronprinz respektierte sowohl Elisabeths Gewissensnot als auch die Beharrlichkeit seines Vaters.

Harsche Kritik an der Sturheit des preußischen Königs übte Friedrich Thiersch, der entschiedene Protestant und Lehrer Elisabeths. Sein Freund Jacobs brachte die Sache auf den Punkt:

„Was für ein närrisches Wesen ist das? Man läßt eine Tochter die griechisch-katholische Religion annehmen [gemeint war die älteste Tochter Charlotte, die spätere Zarin Alexandra Feodorowna] und verlangt, daß die Schwiegertochter die römisch-katholische ablegen soll! und diese Zumutung macht man einer Familie, in welcher die gemischten Heirathen herrschen (...). Der preußische Ruhm scheint auf allen Punkten zurückzuweichen.“

Zu welchen Formulierungen Jacobs wohl gegriffen hat, als er erfuhr, daß Friedrich Wilhelm III. 1824 die katholische Gräfin Auguste von Harrach zur zweiten Gemahlin nahm?

 

Prinz Wilhelm fordert Toleranz

Prinz Wilhelm (I.) äußerte seinen Unmut über den Vater und seine politischen Bedenken im April 1823 gegenüber seiner Schwester Charlotte:

„Preußen hat stets ein so hohes Beispiel der Toleranz gegeben unter allen Regierungen. Und nun in dem aufgeklärten 19. Jahrhundert, wo fast die Hälfte unserer Untertanen katholisch sind [Zugewinn der Rheinlande], sollen 2 (sic!) Herzen getrennt werden aus Intoleranz, und weil das Herkommen und durchaus kein Hausgesetz dagegen ist. Welch einen Eindruck soll dies auf jenen Teil der Untertanen machen? die (sic!) noch dazu größtenteils neu erworben sind.

Die Ansicht, welche man jetzt so oft hört: Preußen sei das Haupt der evangelischen Kirche [diese vertrat der König], kann ich nicht passieren lassen. Unser Haus und Staat sind mir die größten unter den evangelischen Fürsten und Reichen, aber dies ist zufällig. Ein Kirchenoberhaupt muß ganz unabhängig von großem oder kleinem Länderbesitz sein, wenn man sich ein dergleichen Oberhaupt denken wollte.“

Friedrich Wilhelm III. sah sich nicht nur als Oberhaupt der Protestanten, sondern auch als Schutzherr der Glaubensfreiheit und erkannte seinen eigenen Widerspruch nicht. Tatsächlich übte er mit der Forderung an Elisabeth Glaubenszwang aus.
Seit 1815 beschäftigte er sich mit Plänen, die lutherische und calvinistische Konfession in einer evangelischen Kirche zu vereinen. In einer Agende für die uniierte Kirche legte er gar die Ausstattung der Kirchen in allen Einzelheiten fest - im Widerspruch zum Allgemeinen Preußischen Landrecht, das ausdrücklich die Ausgestaltung der Kirchenräumen den Gemeinden zugestand.

 

Seine Schwägerin Marianne erkannte, daß hier „eine eindeutig in den Bereich des Gewissens gehörende Entscheidung durch die Autorität des Königs und des Staates zwar nicht befohlen, aber doch durchgedrückt werden sollte.“

Amalie von Baden, Tante des preußischen Königs, brachte noch einmal Bewegung in die Heiratsangelegenheit und erreichte, daß Elisabeth dem König schrieb, sie werde zu einem späteren Zeitpunkt konvertieren. Endlich konnten daraufhin im Sommer 1823 die Vorbereitungen zur Eheschließung beginnen.

Friedrich Wilhelm III. gab ihr ein Jahr Frist zur Konversion. Der Gedanke an den bevorstehenden Glaubenswechsel ließ Elisabeth erkranken, berichtete ihr Lehrer Thiersch einem Freund. Sie hatte bei den kirchlichen Feiern im Dom zu erscheinen, während ihr der Besuch der St. Hedwigs-Kirche und anderer katholischer Kirchen untersagt war. Schließlich verbot der König auch die Teilnahme an den Kirchgängen der königlichen Familie.

 

Elf Jahre währte der Kampf Elisabeths! Am 5. Mai 1830 trat sie zum protestantischen Bekenntnis über. Wochen vor der Konversion Elisabeths beobachtete Prinz Wilhelm besorgt, daß Elisabeth krank war, Blut spukte, und deutete dies als Ausdruck ihres inneren Kampfes, der sie physisch krank mache.

Auch Kaplan Fischer von St. Hedwig sah den Glaubenswechsel Elisabeths sehr kritisch: Durch die Isolierung von der katholischen Kirche „konnte und wollte [sie] nicht mehr in der Kirche bleiben als ein abgestorbenes Glied und brach förmlich mit der Kirche, um sich selbst aus einer quälenden Lage zu retten.“ Elisabeth selbst beteuerte, daß sie den Übertritt zum evangelischen Glauben ganz und gar aus freien Schritten und Überzeugung vollzog.

Die Bindung an den Katholizismus scheint für Elisabeth vor allem eine Bindung an ihre Familie und die bayerische Heimat gewesen bedeutet zu haben. Die Trennung von den Geschwistern, denen übrigens der Glaubenswechsel Elisabeths sehr peinlich war, und der geliebten Umgebung war ihr sehr schwer gefallen. Alljährliche Reisen an den Hof ihrer Zwillingsschwester Amalie in Dresden sowie nach München und Tegernsee bezeugen diese lebenslange Anhänglichkeit.


Zur Hochzeit ein lyrischer Myrtenstrauß

Am 16. November 1823 fand die Trauung nach katholischem Ritus per procurationem in der Münchner Hofkapelle statt. Das heißt, der Bräutigam wurde durch seinen künftigen Schwager, den jüngeren Halbbruder Karl, bei der Zeremonie vertreten. Am 20. des Monats reiste die Braut mit ihrem Gefolge ab. Der feierliche Einzug Elisabeths am 28. November 1823 in Berlin ist in einem Augenzeugenbericht nachzulesen. Paul Habermann machte den Text ausfindig und kommentierte ihn 1991 in den „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins“. Am 29. November vollzog Bischof Eylert die Trauung nach protestantischem Ritus in der Kapelle des Berliner Schlosses.

Unter dem Titel „Lyrischer Myrtenstrauß“ bewahrt die Staatsbibliothek zu Berlin einen Sammelband mit Huldigungs-Gedichten zur Vermählung Elisabeths von Bayern mit Friedrich Wilhelm von Preußen. Dort ist der Religionskonflikt, in dem sich die unzeitgemäße Politik des preußischen Königs widerspiegelt, vergessen - die Idee Ludwigs, eine Verbrüderung Bayerns und Preußens herbeizuführen, nicht.

Heil dir beglüktes Vaterland,
Du einest mit der Liebe Band
Dir Königsthrone fern und nah,
Du Segensland Bavaria!

Zwei edle Völker theilen sich
In deine Fürstin brüderlich,
Sie sieht mit gleichem Liebesblik
Der Baiern und der Brennen* Glük.     

Hinweg der Trennung herben Schmerz,
Ihr schlägt ein edles deutsches Herz;
Das ist dem neuen Vaterland,
Das bleibt der Heimath zugewandt,

Wenn Sie, mit jedem Reiz geschmükt,
Des Nordens großes Volk entzükt,
Wenn jubelnd hallt Borussia:
Es ist dein Kind, Bavaria!

Hymne eines unbekannten Verfassers

*Brandenburger

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