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Das Testament

Markgraf Philipp Wilhelm hatte nach dem Testament seines Vaters nicht nur das Schloß Schwedt aus dem mütterlichen Erbe erhalten sollen, sondern die Herrschaft Schwedt als souveränes Fürstentum. In einem Erbrezeß verzichtete er darauf, erhielt aber von seinem Halbbruder Friedrich so viele Vorrechte, daß eine halbsouveräne Herrschaft entstand. (Boer 10)
Das Testament des Großen Kurfürsten hatte schon lange Jahre zuvor der Kurfürstin Dorothea das Leben schwer gemacht. Doch war es auf ihr Betreiben hin zustande gekommen.
Und es hat eine längere Vorgeschichte.

Friedrich Wilhelm und seine erste Frau Louise Henriette hatten 1664 die Teilung des Landes testamentarisch beschlossen, weil in den Nebenlinien der Hohenzollern keine männlichen Erben vorhanden waren. Der zweite Sohn, Prinz Friedrich sollte das Fürstentum Halberstadt erhalten. 1667 wurde nach der geburt des jüngsten Sohnes Ludwig zusätzlich verfügt, daß dieser die Herrschaften Lauenburg und Bütow bekommen sollte.

 

1674 aber verstarb Kurprinz Karl Aemil. Er war im Lager bei Straßburg durch fauliges Wasser einem Fieber erlegen. Der jüngere Bruder Friedrich war nun plötzlich Kurprinz. Zum Mißfallen seines Vaters, der in dem kränklichen Jungen immer nur die zweite Wahl sah.

Friedrich hegte den Verdacht, Karl Aemil sei vergiftet worden, und machte kein Hehl daraus, daß er die Stiefmutter als Schuldige sah. Diese Verdächtigungen erhob er auch, als seine Frau Elisabeth Henriette 1683 an den Blattern starb und sein jüngerer Bruder Ludwig 1687 an Scharlach.
Die Atmosphäre am kurfürstlichen Hof wurde dadurch unerträglich. Zweimal floh Friedrich vom Hof und drohte nicht zurückzukehren.

Schuldlos war der Vater nicht.
Er war verzweifelt über den Tod Karl Aemils, in den er alle seine Hoffnungen gelegt hatte. Um so enger schloß er nun Philipp Wilhelm an sich, der dem Ältesten im Wesen recht ähnlich war, und verfaßte 1680 ein Testament, daß allen nachgeborenen Söhnen eine eigene Nebenherrschaft einräumte. Allerdings, wie er betonte, entzog seine Verfügung dem Kurprinzen nur die Fürstentümer, die er selber dem Staat erworben hatte.
Doch der Kurprinz erfuhr von diesem Testament und auch der neuen Fassung von 1686 erst viel später, wodurch sich seine Empörung gegen den Vater noch steigerte und sein Mißtrauen gegen die Stiefmutter zu Haß entwickelte.

 

Dem Urteil Friedrichs schlossen sich viele Historiker in gemäßigter Form an. Vor allem die beabsichtigte Teilung des Landes wurde ihr zu Last gelegt.
Dorothea hatte sowohl in der väterlichen Dynastie als auch am braunschweigischen Hof die Aufteilung eines Landes in Haupt- und Nebenlinien als üblich kennengelernt. Diese an einigen deutschen Fürstenhöfen gängige Praxis scheint den Kritikern der Kurfürstin und auch dem Kurprinzen unbekannt gewesen zu sein.

Die durch Dorothea beim Kurfürsten erreichte Versorgung ihrer Kinder überstieg keineswegs das vernünftige Maß, wenn auch im Interesse des Landes die von seinem Nachfolger durch den Kaiser sanktionierte Annullierung des väterlichen Testaments als vernunftgemäß betrachtete werden muß.

 

Der Tod Friedrich Wilhelms und Dorotheas

Noch vor dem Tod Friedrich Wilhelms söhnte er sich leidlich mit seinem ältesten Sohn aus.
In seinem Testament sprach er seiner Witwe großen Dank aus für „die beständige Liebe und gewünschte Beywohnung, auch getreue Pflegung in Unseren Krankheiten, und daß sie Uns bei Unseren vielen schwehren mühsamen Reysen und marchen mit Ihrer höchsten Ungelegenheit allezeit begleitet und nimmer verlassen, wie nicht minder Ihrer Liebden recht mütterliche Sorgfalt für Unsere sämbtliche Kinder zu Unserer sonderbahren Vergnügung allezeit verspüret." (Pierson 27)

Der neue Kurfürst stieß das Testament des Vaters um, was die Teilung des Landes betraf und stieß auf keinen Widerstand. Man einigte sich gütlich über annehmbare Abfindungen.
Dorothea erhielt vertraglich 30 000 Taler jährlich zu ihrem Wittum dazu und zog sich vom Hof zurück. In dem Vertrag bekundet Friedrich, ihr diese Leistung aufgrund der besonderen Treue, die sie seinem Vater erwiesen habe, vergelten zu wollen.

 

Nicht recht passend zu dieser energischen und willensstarken Frau, die sich nicht scheute, dem Kurfürsten an alle Kriegsschauplätze zu folgen, erscheint ein das Trauergedicht anläßlich des Todes Friedrich Wilhelms 1688. Dort beteuert der ungenannte Dichter, der Nachfolger tröste Brandenburg - der kurfürstlichen Würde bleibt also der Besitz gewahrt -, der Witwe bleibe jedoch bloß die Scham, vor Schmerz nicht sterben können. Sie findet keinen Trost:

Mein Zimmer will ich nun
zum Todes=Tempel machen; In welchem
Ihn und mich mein Jammer soll bewachen.
Wo sein entseeltes Leib in meinen Schmerzen lebt
Und täglich meine Pein mich neben ihn begräbt. [...]
Wo nicht dem Cörper nach
dennoch nach meinem Weh:
Ein lebendiges Grab ist Eure Dorothee.

Die Witwe des Großen Kurfürsten galt nichts mehr ohne ihn.
Dorothea starb am 16./26. August 1689 während eines Aufenthaltes zur Kur in Karlsbad.
Stiefsohn Friedrich ließ ihre Leiche nach Potsdam und dann nach Berlin überführen, wo sie am gleichen Datum wie ein Jahr zuvor der Vater, dem 12. September, beigesetzt wurde.

Ihr Sarkophag gleicht in Form und Pracht dem ihres Gemahls und unterscheidet sich nur im Dekor, das naturgemäß am Sarkophag Friedrich Wilhelms auf Besitz, Würde und Werk des Kurfürsten verweist.
Beide Sarkophage wurden im Auftrag Friedrichs III./I. nach einem Entwurf von Johann Arnold Nering von dem Bildhauer und Architekten Johann Michael Döbel ausgeführt, der nach 1683 ebenfalls den Sarkophag für die erste Frau Friedrichs, Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel, Kurprinzessin von Brandenburg, angefertigt hatte. Sie befinden sich im Berliner Dom.

 

Literatur:

Erika Schachinger: Dorotheenstadt 1673 - 1708. Eine Berliner Vorstadt (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Beiheft 9), Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2001. 138 S.

Einmal Emden - Berlin und zurück 1683 (= Schriften des VGB, Heft 64), Berlin 1989.

Beuys, Barbara: Der Große Kurfürst. Der Mann der Preußen schuf, Reinbek 1979.

Hüttl, Ludwig: Der Große Kurfürst von Brandenburg, München 1984.

Oestreich, Gerhard: Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst, Göttingen 1971.

Henckel, Wilhelm: Geschichte der evangelischen Dorothenstadt-Gemeinde 1687-1937, Berlin 1937.

Piersson, William: Kurfürstin Dorothea, Berlin 1886.

Prutz, Hans: Aus des Großen Kurfürsten letzten Jahren, Berlin 1897.

Goeschel, Karl Friedrich: Dorothea Kurfürstin und Markgräfin zu Brandenburg, Berlin 1842.

 

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