AnnaAmalieAnna Amalie, ein Leben mit der Musik

- Sie war eine auffallende Schönheit und ihrer Boshaftigkeit wegen gefürchtet. Die wertvolle Musik-Sammlung der passionierten Komponistin mit der Partitur der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach wurde zu einem Ausgangspunkt der beginnenden Bach-Pflege im Zeitalter der Aufklärung.

 

Anna Amalie Prinzessin von Preußen, Äbtissin von Quedlinburg

Geboren am 9. November 1723 in Berlin
gestorben am 30. März 1787 in Berlin
bestattet in der Gruft im Dom zu Berlin

 

Die Musik

1998 erschien im Frauenkalender von Luise Pusch ein Artikel von Eva Rieger zum 275. Geburtstag einer der Frauen in Berlin, der preußischen Prinzessin Anna Amalie, der ganz und gar die Musikerin hervorhob und die einzige Legende ihres Lebens – Trenck – in den Hintergrund verbannte.

 

„Als vor 20 Jahren die ersten Schallplatten mit Werken von Frauen erschienen, enthielt die erste Kassette Woman's Work aus den USA auch vier Märsche einer gewissen Anna Amalie, Prinzessin von Preußen. Die jüngste Schwester Friedrichs des Großen verbrachte fast ihr gesamtes Leben [in Berlin] - die Musik blieb ihre (vielleicht) einzige Liebe und beherrschte ihren Alltag. Als 17-Jährige nahm sie Cembalo- und Klavierunterricht, mit 21 Jahren begann sie zu komponieren.

Der Wunsch sich weiterzubilden blieb, und sie lernte noch das Orgel- und Geigenspiel. Mit 35 Jahren - seit 1758 - studierte sie Kontrapunkttechnik bei dem Bach-Schüler Johann Philipp Kirnberger. Mangels anderer Impulse wurde der Einfluß des konservativen Kirnberger so bestimmend, daß sie sich vorrangig mit älteren Komponisten befaßte. Es ist jedoch ein Irrtum, sie als eine ausschließliche Verfechterin des Alten zu bezeichnen.

So schrieb sie ihrem Lehrer 1783: „In allen Sachen ist eine edle Simplizität weit schwerer und dauerhafter als das aufgehäufte Schulwissen." Damit gab sie sich als Anhängerin der vorromantischen Richtung zu erkennen, die die Barockmusik ablöste. Anna Amalie komponierte eine Kantate, Choräle, Lieder und Kammermusik. Die Märsche sind eher als eine kompositorische Übung, denn als gezielte Militärmusik anzusehen (man hatte gerade den Gleichschritt eingeführt). Unter anderem vertonte Amalie Gedichte des Berliner Lyrikers Karl Wilhelm Ramlers, darunter „Tod Jesu"."

 

Seit 1740 trug Amalie eine Musikaliensammlung zusammen, die als „Amalien-Bibliothek" an die Preußische Staatsbibliothek (Staatsbibliothek zu Berlin) gelangte. Sie bewunderte die Musik Johann Sebastian Bachs und sammelte im großen Stil seine Manuskripte. Ihre wertvolle Sammlung, die auch die Partituren der Brandenburgischen Konzerte, der Matthäuspassion und der h-Moll-Messe enthält, wurde zum Ausgangspunkt der beginnenden Bach-Pflege im Zeitalter der Aufklärung. Unter Carl Friedrich Zelter wurde die Berliner Sing-Akademie seit 1800 ein führendes Institut zur Pflege älterer geistlicher Musik, insbesondere der Musik Johann Sebastian Bachs. Deren Mittelpunkt bildete der von Amalie zusammengetragene Schatz.

Außer den Werken Johann Sebastian Bachs enthält die Sammlung auch Arbeiten von Christian Philipp Emanuel Bach, Georg Friedrich Händel, Johann Adolf Hasse und der Brüder Carl Heinrich und Johann Gottlieb Graun. Amalies Sammlung gelangte nach ihrem Tod an das Joachimsthaler Gymnasium in Berlin und von dort 1914 als Leihgabe an die Preußische Staatsbibliothek.

Die Traktate und Bücher über Musik wurden im Zweiten Weltkrieg ausgelagert und sind verlorengegangen, die Notenblätter von unschätzbarem Wert blieben erhalten. Nach Kriegsende wurde die Bibliothek in eine Ost- und einen Westberliner Teil aufgespalten; erst in den neunziger Jahren konnte sie zusammengeführt werden.

Anna Amalies Ruhm beruht heute mehr auf der Musiksammlung als auf ihren Kompositionen. Wäre sie als Bruder Friedrichs des Großen statt als Schwester geboren worden, hätten ihr weitaus mehr Freiräume zur künstlerischen Entfaltung zur Verfügung gestanden. 1783 schrieb die sechzigjährige Schülerin an ihren Lehrer: „Der Zuhörer muß nicht kaltblütig werden, man muß ihn beständig aufmuntern: und hierin besteht die ganze und vornehmste Kunst des Komponierens."

 

Die Schwester Friedrichs II.

Das Confidenztafelzimmer in der 1745 eingerichteten Wohnung Friedrichs II. im Berliner Schloß war mit den Bildnissen mehrerer Frauen in Berlin, nämlich seiner Schwestern Amalie, Luise und Ulrike geschmückt. Ob sie eigens für diesen Zweck angefertigt worden waren, ist nicht bekannt. Die Bezeichnung des Bildes der Prinzessin Amalie als Amazone findet sich schon bei Nicolai 1779. Es ist die erste Erwähnung des Bildes.

Der Dreispitz als Bestandteil eines Jagdkostüms und die Maske weisen auf das Rollenspiel der Prinzessin - im Hintergrund außerdem Männer und Frauen, einer davon mit venezianischer Maske. Amalie wendet sich dem Bruder, dem Betrachter, zu. Der Hofmaler Antoine Pesne bevorzugte um 1745 das Motiv der Maskerade im Porträt. Aufgrund dessen erfolgte die Datierung. (Kat. München 1993, S. 169)

 

Die Charakterisierungen der jüngsten Schwester Friedrichs II. fallen sehr unterschiedlich aus. Die ZeitgenossInnen lobten einerseits ihre auffallende Schönheit unter den Frauen in Berlin, ihre Anmut und Klugheit, andererseits war sie ihrer Boshaftigkeit wegen, vor der niemand sicher sein konnte, gefürchtet. Die geschwisterlichen Beziehungen wurden davon wenig berührt. Vorlieben und Abneigungen gab es ohnehin.

Obwohl etwa Prinz Heinrich und Amalie einander angeblich zutiefst verabscheuten, richtete er ihr in Rheinsberg zu ihrem Besuch 1762 eigens einige Räume zu ihrem Gebrauch neu ein, die noch besichtigt werden können. Je älter sie wurde, desto spitzer wurde ihre Zunge. Sie ähnelte in ihrem Charakter, sagte man, am meisten von allen zehn Geschwistern Friedrichs II. Stets ungebrochen voll des Lobes war man aber über ihre musikalische Arbeit.

In der Literatur gibt es auch andere Urteile.
Der Brockhaus beispielsweise führt Amalie unter: „Vornamen, Herrscherinnen: Preußen: 4) Amalie, Prinzessin, * Berlin 9.11.1723, + ebenda 30.3.1787; Schwester Friedrichs des Großen; Äbtissin von Quedlinburg. Bekannt wurde sie besonders durch ihre Beziehung zu Friedrich Freiherr von der Trenck."
Von Musik, einer Musikaliensammlung, der Bach-Pflege ist hier keine Rede.

Alles in allem war Amalie eine höchst eigenwillige Person, mit der auch Friedrich II. in bestimmten Hinsichten seine liebe Not hatte. Sie drängte sich nicht ums Heiraten. Manch reizvolle Partie, wie den Großfürsten Peter von Rußland oder den französischen Thronfolger, wurde von Friedrich abgelehnt. Die schwedische Bewerbung wiederum wies Amalie von sich, da sie nicht zum Luthertum übertreten wollte.

 

Trenck

Die Historiker streiten darüber, ob Anna Amalie eine Liebesaffäre mit dem Baron Friedrich von Trenck hatte, einem Jugendfreund Friedrichs des Großen. Vieles spricht dafür. Trenck, der in seinen Memoiren von einer „hohen Dame aus Berlin" spricht, die ihn liebte, wurde vom Monarchen jahrelang eingekerkert. Nach Aussagen der Zeitgenossin Sophie Marie Gräfin Voß wurde Amalie nach der Affäre mit Trenck „von Kummer und frühzeitiger Kränklichkeit verdüstert." Die Geschichte ist ebenso möglich wie auch nicht.

 

Äbtissin in Quedlinburg

Das Kanonissenstift Quedlinburg wurde 936 von Königin Mathilde, der Witwe König Heinrichs I., als reichsunmittelbares Stift eingerichtet. Das Ehepaar liegt auch in der Stiftskirche begraben. Die „Quitlingaburg" begünstigte die Vereinigung der zu ihren Füßen liegenden Siedlungen zu einer Stadt. Das die Stadtherrschaft ausübende Stift bestand nach der Reformation als evangelisches weltliches Stift weiter, kam 1698 unter die Schutzvogtei der Kurfürsten von Brandenburg und wurde 1803 Preußen angegliedert.

Der König schuf keinen Ausgleich, als er ihr die Wahl zur Äbtissin von Quedlinburg ermöglichte. Eine geringe Versorgung verschaffte er ihr damit, mehr nicht. Amalie machte keinen Versuch, bei den Leuten beliebt zu werden. Sie blieb in Berlin wohnen und versuchte, mit den Einkünften ihre Schulden abzuzahlen. Im Winter bewohnte Amalie ein Palais Unter den Linden, am Platz der heutigen russischen Botschaft, im Sommer das spätere Palais Prinz Albrecht in der Wilhelmstraße.

Die Einkünfte der Äbtissin waren mäßig, beschränkten sich auf eine Apanage für die Prinzessin und auf die Bezüge der Abtei Quedlinburg, von der Amalie allerdings auch ihren Unterhaltsverpflichtungen für die Bediensteten und Beamten nachkommen mußte. Ihren Amtspflichten kam Amalie recht gewissenhaft nach. Sie sorgte für eine gute Besetzung der Kirchen- und Schulämter und schränkte die allzu große Zahl der Feiertage ein.

Wie Amalies Geschwister zu ihrer neuen Stellung standen, zeigt ein Brief, den die Herzogin Charlotte aus Braunschweig anläßlich der Inthronisation ihrer jüngeren Schwester, zu der sie eingeladen worden war, am 11. März 1756 an Friedrich schrieb: „Ich werde mir ein Vergnügen daraus machen, an dieser Hochzeit, wo Jesus Christus der Bräutigam ist, teilzunehmen, und ich werde nicht ermangeln, meinem neuen Schwager die gebührende Ehre zu erweisen und meine Schwester zu bitten, daß sie mich seiner Gnade empfiehlt."
Ihre schwedische Nichte Sophie Albertine folgte ihr als letzte Äbtissin von Quedlinburg im Amt. Sie wurde 1767 vom Kapitel zur Koadjutorin des Stiftes gewählt.

 

Ein wunderlicher Charakter

Nach längerer Krankheit starb die Äbtissin von Quedlinburg fast erblindet und mit gelähmten Händen und wurde im Dom zu Berlin beerdigt. Die beiden Palais vererbte sie dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm (III.) und seinem Bruder Ludwig, für die sie nie ein Interesse gezeigt hatte. Ihr Kapital, Bibliothek und die Musikaliensammlung hinterließ sie verschiedenen Armenschulen und Gymnasien.

Die Fürstin Luise Radziwill, Tochter des Lieblingsbruders Ferdinand und Schwester des berühmten Prinzen Louis Ferdinand, beklagte das ungerechte Testament der Tante. „Mit einem Wort: Ihr Tod, Ihr Testament und sogar die Art und Weise, wie sie die Hoffnungen ihrer Erben vernichtete, zeugten von ihrem wunderlichen Charakter."
1998 hätte man an den 275. Geburtstag der Prinzessin Amalie von Preußen erinnern können. Doch dieser Jahrestag ging fast ohne Erwähnung vorüber. Der Artikel im Frauenkalender blieb der einzige.

 

Literatur:

Tobias Debuch: Anna Amalia von Preussen (1723-1787). Prinzessin und Musikerin, Berlin: Logos Verlag Berlin 2001. 151 Seiten.

Die Orgel der Prinzessin Anna Amalie von Preussen in der Kirche Zur Frohen Botschaft in Berlin-Karlshorst / von Stefan Behrens und Uwe Pape, Berlin: Pape 1995

 

Hinweis: Tobias Debuch widmete eine andere Arbeit einem weiteren musikalischen Mitglied der Hohenzollernfamilie.
Tobias Debuch: Prinz Louis Ferdinand von Preußen (1772-1806) als Musiker im soziokulturellen Umfeld seiner Zeit, Berlin: Logos Verlag Berlin 2001. 277 Seiten.

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