Und dann fiel auf einmal der Himmel runter. Inge Müller. Die Biographie

Eine (alte) Rezension zum Buch von Ines Geipel zum 50. Todestag der Schriftstellerin Inge Müller

 

Da ist mir viel entgangen, in all den Jahren, in denen ich nie ein Gedicht von Inge Müller las. Der umgekehrte Weg geht auch: Erst die Biographie, dann das Werk.

 

Das Werk? Erst zwanzig Jahre nach ihrem Tod erschien eine erste Ausgabe ihrer Lyrik, die sie als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen ausweist. Eine neue Ausgabe legte der Aufbau Verlag 2002 vor: Das ich nicht ersticke am Leisesein. Gesammelte Texte (500 S.).

 

Inge Müller wird 1925 geboren. Ihren Tod - 1966 - richtet sie selbst ein.
Dazwischen Kinderlandverschickung, Reichsarbeitsdienst, Bomben auf Berlin, Luftwaffendienst, Schlacht um Berlin, Kapitulation - „übriggeblieben zufällig“, schrieb Inge Müller in einem späteren Gedicht. Erste Ehe, Kindsgeburt, zweite Ehe, Kinderrevuetexte, Politik, dritte Ehe, Schreiben "mit einer einzigen Hand", neue Begegnung, Selbstmordversuche, Lyrik, Tod.

 

Ein Lebenslauf wie andere auch?

 

Ja, viele Frauen ihrer Generation erlebten gleiche Lebenssituationen. Nein? Inge Müller ist „erstickt am Leisesein“. Erstaunlich, wie die Biographin Ines Geipel minutiös den Alltag von Inge und Heiner Müller rekonstruiert und den langsamen Verfall „der angestrebten Symbiose“ des Schriftstellerpaares beschreibt.
Inge Müller zieht sich in sich zurück, will die Kriegserlebnisse, später den Mauerbau wegschreiben entgegen der geforderten sozialistischen Nationalliteratur. Es gelingt nicht, sie vereinsamt, und niemand nimmt davon Notiz. Ihre schriftstellerische Auftragsarbeit ist derweil erfolgreich, Heiner Müller eifersüchtig. Ihren letzten Auftrag stellt Inge Müller nicht fertig. Die Staatssicherheit wertet ihren Selbstmord als Protest gegen die Kulturpolitik der SED.

 

„In der DDR galt sie (nach ihrem Tod) als die andere Seite einer lkone“, schreibt Ines Geipel, „die Frau im Schatten von Heiner Müller.“ Dass das für ihr Werk nicht gilt, ist das Verdienst von Richard Pietraß, der 1985 erstmals Gedichte von Inge Müller herausgab, und Ines Geipel, die 1996 eine Werkausgabe redigierte und jetzt die Biographie der Lyrikerin schrieb.

 

Das Buch:

Ines Geipel: Und dann fiel auf einmal der Himmel runter. Inge Müller. Die Biographie, Berlin: Henschel Verlag 2002. Mit 50 Schwarzweißabbildungen. 255 S.   

 

Literatur:

Inge Müller: Wenn ich schon sterben muß. Texte von Richard Pietraß 1984.
Gepostet von Redaktion am Okt 12th, 2010 in Müller, Inge, Pietraß, Richard, Rezensionen
http://www.planetlyrik.de/inge-muller-wenn-ich-schon-sterben-mus/2010/10/ - abgerufen am 24. April 2016

 

Das Veto der Witwe. Ein kritisches Gedicht Wolf Biermanns über das Dichterpaar Inge und Heiner Müller droht privater Zensur zum Opfer zu fallen.
Der Spiegel, 10. Juni 1996, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8933790.html - abgerufen am 24. April 2016

 

Sonja Hilzinger. Das Leben fängt heute an. Inge Müller, Berlin: Aufbau Verlag 2005. 302 S.

 

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