Flieger über Tempelhof

Der größte Flughafen der Welt und seine Geschichte

 

Tempelritter, Schafe, Bauern, Soldaten: Das Tempelhofer Feld hat viele – Menschen und Tiere - über sich gehen sehen. Exerzieren, marschieren, paradieren ließ sich gut üben auf den lichten Weiten im Süden Berlins. 180 Jahre ist es her, dass der Militärfiskus ein großes Stück Land kaufte, weil die Bauern gegen die Zerstörung ihrer Felder protestierten. Nun konnte in Ruhe manövriert und zugeschaut werden. Anlässe gab es genug für die beliebten Truppenschauen auf dem Tempelhofer Feld.

Abenteuerlicher gestalteten sich die Übungen der Luftschiffer und Ballonfahrer. Die Berliner Bevölkerung belagerte – gesittet – das Feld. Wie bei fast allen technischen Neuerungen stand das Militär auch Pate bei den ersten Flugversuchen, die Arnold Böcklin, der Maler der „Toteninsel" (Nationalgalerie Berlin) auf dem Tempelhofer Feld unternahm, 1883. Aus den luftigen Abenteuern wurde Ernst, aus dem Tempelhofer Feld ein Flugplatz, aber nicht sofort. Der erste Flugplatz entstand in Johannisthal.

 

Frank Schmitz schließt diese Berliner Geschichte in sein Buch ein. Auch dem zweiten Flugplatz in Staaken widmet er sich, so dass sein Buch eine kleine Geschichte der Berliner Luftfahrt wird.

 

Der Flughafen Tempelhof wird ein republikanisches Werk

Leonhard Adler, Stadtbaurat für Verkehrswesen, plädiert für Tempelhof als Standort eines zentralen Berliner Flugplatzes. Tatsächlich erwirbt die Stadt Berlin, zu der Tempelhof seit 1920 gehört, das alte Paradefeld 1922. Ein Wärterhäuschen, zwei Flugzeughallen und Verwaltungs- und Abfertigungshalle – mehr Baracken als Gebäude – sind fertig, als der Flughafen 1923 eröffnet wird.

 

Heinrich Kosina und Paul Mahlberg errichten in den folgenden Jahren die ersten festen Gebäude, sachlich-funktionale Stahlkonstruktionen, die den Architekten großes Lob einbringen. Fritz Bräuning plant das Radiohaus, in dem der Funkverkehr abgewickelt wird. Klaus und Paul Engler erhalten den Auftrag für ein Hauptgebäude, das sie 1929 fertigstellen. Außenbau und Innenausstattung dokumentieren die zeitgenössischen Photographien, ebenso die Entwicklung der Deutschen Luft Hansa (die erst ab 1934 „Lufthansa" geschrieben wird), die 1925 durch die Zusammenlegung der Konkurrenten Junkers Luftverkehr und Aero Lloyd entsteht. Faszinierende Aufnahmen zeigen Männer und Maschinen, die Begeisterung des Publikums auf den Großflugtagen.

 

Im nationalsozialistischen Deutschland wird alles anders. Faschistische Megalomanie ergreift auch den Flughafen Tempelhof. Die nationalsozialistische Führung nutzt die Beliebtheit von Fliegern und Fliegerei. Ernst Sagebiel qualifiziert sich als „Reichsschnellbaumeister" vor allem durch organisatorische Qualitäten. Im Mai 1936 beginnen die Bauarbeiten für den größten Flughafen der Welt, über und unter der Erde. Unterirdische Räume beherbergen Versorgungseinrichtungen und Luftschutzbunker, deren Existenz geheim bleibt. Im Eisenbahntunnel, der sich unter der Abfertigungshalle befindet, werden Jagdflugzeuge produziert, die die Luftwaffe ab 1940 im Zweiten Weltkrieg benutzt.

 

Abenteuerspielplatz, Verkehrsflugplatz, Standort der Rüstungsproduktion:

Keiner dieser Zeitabschnitte in der Geschichte des Flughafens erreicht die Popularität, die Tempelhof im Sommer 1948 erlangt, als Hauptort der Luftbrücke. Friedrich Luft, dessen Radio-Reportage über die deutschen Sender geht, beschreibt sie mit atemloser Stimme. Der Autor des Buches findet sogar ein Photo, das belegt, wie stark der Eindruck der Ereignisse während der Blockade West-Berlins die Bevölkerung prägte: Kinder spielen Luftbrücke, 1948/49.

Am 1. Juni 1950 öffnet sich für West-Berlin in Tempelhof das „Tor zur Welt". Unabhängig von der sowjetischen Kontrolle kann die Berliner Bevölkerung die Stadt verlassen, als die amerikanische Besatzungsmacht einen Teil des Flughafens der deutschen Verwaltung übergibt. Flüchtlingen aus der DDR gibt der Flughafen Tempelhof nun die einzige Möglichkeit, in die Bundesrepublik Deutschland zu gelangen.

Es ist eine lange Geschichte, die Frank Schmitz auf 135 Seiten erzählt, kurzweilig und voller Details. Wie es weitergeht in Tempelhof, lesen Sie im wöchentlichen Tempelhof-Bericht einer bekannten Berliner Tageszeitung.

 

Gerhild H. M. Komander

 

Der Text erschien zuerst im "Berliner Lindenblatt", 2007.

Aktuelle Presseerklärung - Senator Michael Müller zum Volksentscheid 100% THF:
http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/tempelhof/

 

Frank Schmitz: Flughafen Tempelhof. Berlins Tor zur Welt, Berlin: be.bra Verlag 1997. 139 Seiten. Mit zahlreichen Schwarzweißabbildungen

 

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