gerlach 150Philipp Gerlach, Architekt des Soldatenkönigs*

Baumeister der Garnisonkirche zu Potsdam

Er baute die Sophienkirche, die Parochialkirche, das Große Friedrichswaisenhaus, die Garnisonkirche in Potsdam, die Garnisonkirche in Berlin und endlich die Friedrichstadt mit den berühmten Stadtplätzen: Das Werk des Barockbaumeisters Philipp Gerlach war groß. Es blieb fast nichts davon. 

 

Philipp Gerlach

Geboren am 24. Juli 1679 Spandau
gestorben am 17. September 1748 Berlin


Lebenslauf und Werküberblick
Barocke Architektur in Brandenburg-Preußen
Das Werk Philipp Gerlachs
    Der Kirchenbau in Berlin
    Philipp Gerlach in Potsdam
    Die Friedrichstadt
Literatur

 

Lebenslauf und Werküberblick

Philipp Gerlach wurde am 24. Juli 1679 in Spandau geboren.
Sein Vater war Zeugwärter in der Festung Spandau und Militärbaumeister Philipp Gerlach d. Ä. Als er 1716 starb, hinterließ er dem Sohn das väterliche Haus. Bis 1709 hatte Philipp Gerlach d. J. dort gewohnt, zog dann an den Molkenmarkt und 1712 auf den Friedrichswerder. 1717 zog er nach Neu-Cölln am Wasser, in die Wallstraße 34.

 

Gerlach trat ins Militär ein, wo man ihn in die Bauverwaltung übernahm, und begann eine Laufbahn als Ingenieuroffizier. 1702 war er bereits Hauptmann und wirkte am Ausbau des Ortes Lietzenburg, das spätere Charlottenburg, mit. 1711 wurde er zum Ingenieur-Major ernannt.
Zunächst arbeitete Gerlach unter der Leitung der kurfürstlich-brandenburgischen Hofbaumeister Johann Friedrich Nilsson Eosander von Göthe (1669-1728/29) und Jean de Bodt (1670-1745), die wie er Ingenieuroffiziere waren, und war dadurch am Bau des Berliner und des Charlottenburger Schlosses beteiligt.

 

Großen Einfluß auf den Baumeister Philipp Gerlach übte der Architekt und Kupferstecher Jean Baptiste Broebes (um 1660 - nach 1720) aus, der seit 1696 als Professor für Baukunst an der Akademie der bildenden Künste zu Berlin lehrte. Er hinterließ im Auftrag König Friedrichs I. eine Prospektsammlung der in und um Berlin gelegenen königlichen Schlösser. Sie stellen weit mehr phantasievolle Entwürfe zu Erweiterungen der vorhandenen Bauten als realistische Ansichten dar. Da die Kupferstiche Broebes' auf den modernen zeitgenössischen Architekturtheorien fußten, waren sie eine unvergleichliche Quelle der Inspiration für alle zu dieser Zeit in Brandenburg-Preußen tätigen Baumeister.

 

Die Werke von Broebes orientieren sich an der klassizistischen Ausprägung des Barocks, wie sie in Frankreich gepflegt wurde. Philipp Gerlach fügte dieser Richtung wesentliche Eigenschaften des niederländischen Barocks hinzu, dessen klare Formen dem Klassizismus nordeuropäischer Prägung frühzeitig den Weg bahnten.

1707 wurde Gerlach als Nachfolger Martin Grünbergs königlicher Baudirektor und Leiter des Bauwesens in Berlin. Martin Grünberg (1655-1706) hatte seinerseits 1695 diese Position von Johann Arnold Nering übernommen. Von ihm stammt die Deutsche Kirche auf dem Gendarmenmarkt (ohne Turmgebäude) in ihrer ursprünglichen Gestalt.
Mit dem Amt des Baudirektors war eine umfangreiche Verwaltungstätigkeit verbunden.
Leitung der Bauaufsicht, Aufstellung der Bebauungspläne, Grenzfestsetzungen, Aufsicht über Festungsanlage der Residenz und die Unterhaltung der Brücken.

 

1720 bestimmte König Friedrich Wilhelm I. Philipp Gerlach zum Oberbaudirektor der königlichen Residenzen und übertrug ihm damit die Verantwortung für das gesamte staatliche Bauwesen einschließlich Brücken- und Festungsbau.
Nach der königlichen Instruktion bestand die Hauptaufgabe darin, Baupläne und Kalkulationen zu erstellen: Gerlach mußte „die zum Bau erforderlichen Zeichnungen und Anschläge nach alle Menage fertigen, damit dieselbe zu forderst approbieret und durch Änderungen der Desseins ex post alle unnötigen Kosten vermieden werden.“ Die erstellten Bauunterlagen nachzuprüfen, diese Aufgabe behielt sich Friedrich Wilhelm I. persönlich vor.
Unterstützt durch die Bauinspektoren legte Gerlach ab 1720 Kataster der märkischen Städte an. 1725 konnte er den ersten Band abschließen, 1731 erfolgte ein zweiter für die Mittelmark. Der letzte beinhaltete das Kataster für die vorpommerschen Städte.

 

Als Mitglied der Baukommission - dieses Amt hatte Gerlach seit 1721 bis zu seinem Abschied 1737 inne - war er maßgeblich an der Berliner Stadterweiterung unter Friedrich Wilhelm I. beteiligt: Ab 1721 in der Friedrichstadt, ab 1732 in der Dorotheenstadt.
Ebenso erstellte er Erweiterungspläne für die Neustadt in Cottbus, für Küstrin und Köslin und Bebauungspläne für Neu-Eberswalde.
Daß Philipp Gerlach an den Stadterweiterungen Potsdams beteiligt war, muss vermutet werden. Zumindest das Kommandantenhaus in der Lindenstraße ist nach seinem Entwurf errichtet worden.

Der Ausbau der brandenburgischen Städte geschah im Rahmen der Peuplierungspoltik der preußischen Könige. Friedrich Wilhelm I. betrieb diese besonders intensiv. Der Wohnungsbau lag ihm deshalb besonders am Herzen.
Für den Oberbaudirektor bedeuteten die oft ungeduldig erhobenen Forderungen des Königs ein beträchtliches Maß an Arbeit. Natürlich konnte er nicht jeden Bauplan selbst entwerfen und zeichnen, doch genehmigen, das heißt auch prüfen, mußte er sie alle.

 

Darüber hinaus sind in den Jahren zwischen 1707 und 1732 nicht weniger als elf Kirchenbauten in Berlin und Potsdam unter der Leitung Philipp Gerlachs entstanden, acht davon nach seinem Entwurf - darunter die Garnisonkirchen in Berlin und Potsdam und die Sophienkirche in Berlin.

Wie Gerlach es bei dieser Arbeitsbelastung schaffte, in den dreißiger Jahren auch noch zu dem gefragtesten Privatarchitekten in Berlin zu werden, erscheint rätselhaft. Neben einigen unauffälligen Bürgerhäusern, die er außerhalb seines Hofamtes errichtete, sind acht repräsentative Stadthäuser für Angehörige des Großbürgertums und des Adels nach seinen Plänen entstanden: das Palais Montargues/Vernezobre, Palais Marschall, Haus Splitgerber und andere.
Wiederum im Auftrag des Königs erbaute Philipp Gerlach 1731/34 das Kronprinzenpalais in der Straße Unter den Linden und 1734/35 das Kollegienhaus / Kammergericht (heute Empfangsgebäude des Jüdischen Museums).


Barocke Architektur in Brandenburg-Preußen

Leben und Wirken des Baumeisters Philipp Gerlach fielen in die Epoche der Kunst, die wir als Barock bezeichnen.
Woran denken wir, wenn wir uns Werke barocker Architektur vorstellen? An die Sophienkirche im Herzen von Berlin? Sicherlich nicht. Denn - das ist in jeder Definition nachzulesen - barocke Architektur bedeutet Bewegung.


Wilfried Hansmann schreibt über den barocken Kirchenbau: „Barocke Sakralarchitektur im deutlichen Unterschied zur Sakralarchitektur der Renaissance wird mit St. Peter in Rom geboren.“ Michelangelo ist es, der 1546 den Auftakt gibt.
Beschrieben wird hier jedoch ausschließlich der katholische Kirchenbau. Der protestantische Kirchenbau wird gar nicht erwähnt. Er fehlt in den Handbüchern zur Architektur des Barocks.

 

Die Kunst Michelangelos und seiner römischen Nachfolger ist es, die das Werk des Bildhauers Andreas Schlüter prägt. Sie bildet das Äquivalent zur politischen Entwicklung in Brandenburg-Preußen, der Krönung des Kurfürsten Friedrich III. (Friedrich I.) zum ersten König in Preußen.
Auf der anderen Seite das französische Element, das durch zahlreiche französisch geschulte Künstler, die an den kurfürstlich-königlichen Hof gerufen werden, vertreten ist. Niederländische Einflüsse, die unter dem Großen Kurfürsten die Ausrichtung der Künste bestimmt hatten, bleiben bestehen.

 

Unter der Regierung Friedrich Wilhelms I. wurde in allen künstlerischen Bereichen wieder auf die Kunst der Niederlande zurückgegriffen. Warum?
Die schlichte, elegante Architektur des kalvinistischen Landes entsprach den religiösen, wirtschaftlichen und künstlerischen Maximen des Königs, der die Bautätigkeit in seinem Land, sowohl die profane als auch die sakrale, nicht nur förderte, sondern auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild formte. Wurde im Städtebau vor allem auf Wirtschaftlichkeit geachtet, fanden im Sakralbau die religionspolitischen Ansichten des Landesherrn ihren sichtbaren Ausdruck.

 

Den wesentlichen Zug dieser Architektur, eine zumeist klassizistische Zurückhaltung, übernahm auch sein Sohn und Nachfolger Friedrich II. Allerdings war Friedrich II. in seinen architektonischen Ansichten ein Eklektiker, der sich mal auf französische, mal auf italienische, dann wieder auf niederländische und englische Vorbilder bezog. Die Fassaden der Wohnhäuser in Potsdam, die während seiner Regierungszeit auf seinen Befehl entstanden, unterscheiden sich kaum von den stattlichen Bauten, die Friedrich Wilhelm I. zum Beispiel am Stadtkanal errichten ließ.


Das Werk Philipp Gerlachs

Das umfangreiche Werk Philipp Gerlachs, das zwischen 1705 und 1739 entstand, hatte also zwei Grundlagen: die klassische französische Architektur und die niederländische in ihrer brandenburgischen Variante - geprägt durch die beiden Konfessionen der protestantischen Religion und den starken Willen eines merkantilistisch denkenden Königs.

 

Der Kirchenbau Philipp Gerlachs in Berlin

1697 hatte Kurfürst Friedrich III. (Friedrich I.) das Große Friedrichshospital und Waisenhaus gestiftet, das seinen Platz an der Stralauer Straße erhalten sollte. Martin Grünberg erhielt zu seinem Bau die Abbruchstein des Stralauer Tores und des damals noch vorhandenen Pulverturmes. Nach dem Tod Grünbergs setzte Gerlach das Werk ab 1707 fort:
Er schließt den Bau mit dem Ostflügel an der Neuen Friedrichstraße (Littenstraße) zur Vierflügelanlage.
Die linke Hälfte des am Spreeufer gelegenen (dort stärkere Einbuchtung als heute) Ostflügels - links des Turmes - baut er bis 1716 als Kirche aus und fügt 1726 einen Turm an. Der schlichte Kirchenraum, ein Saal von 12,24 x 22 Metern, an drei Seiten mit Holzemporen eingefaßt, fügte sich also fast unmerklich in den Gebäudekomplex ein.
Fast.

Hohe Rundbogenfenster über zwei Geschosse ließen von außen den Kirchensaal ahnen. Das Portal der Kirche saß in der Mitte der fünf Achsen. Als Abschluß folgte ein Halbgeschoss mit rechteckigen Fenstern wie in der rechten Flügelhälfte. Obenauf saß ein Walmdach. Es war der erste Kirchenbau Gerlachs und sicherlich der unscheinbarste, wenn man vom Turm absieht, der das Gebiet an der Stralauer Straße städtebauliche aufwertete.

 

Auch der Turm fügte sich dem bestehendem weitgehend ein:
Sein rustiziertes Sockelgeschoß, das nur durch einen spitzen Mittelgiebel betont wurde, schloss in der Traufhöhe des Hauses ab. Die Portalachse folgte in ihrer Gliederung der des rechten Flügels: Tür und zwei Fenster.
Ein schlankeres Turmgeschoß, mit einer Pilastergliederung an den Ecken, verjüngte den Turm nach oben hin. Dann setzte über einem kräftigen Gesims ein Glockenschoss mit offenen Säulenstellungen auf. Sie leiteten in ihrer Stellung übereck zum Rund der halbkuppeligen Abdeckung über, auf der wiederum ein kleiner spitzer Turmaufsatz mit Wetterfahne als Abschluß diente.

 

Zwei Besonderheiten gegenüber dem bis dahin vertrauten Bild des Kirchenbaus fallen auf:
1. Es wird ein sogenannter Quersaal mit hölzernen Emporen errichtet.
2. Die Kirche erhält erst in der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. einen Turm. Er war ursprünglich nicht geplant.

Der Bautyp „turmloser Quersaal mit Emporen“ ist nur vor dem Hintergrund der spezifisch brandenburgischen Kirchengeschichte zu verstehen.
Der deutsche Protestantismus hatte erst nach dem Dreißigjährigen Krieg zu eigenen Lösungen in der Architektur gefunden. Neue Anforderungen an die Ausstattung seiner Kirchen mußten nun in neuen Bauten umgesetzt werden: Der Altardienst wurde zugunsten der dominierenden Rolle der Predigt zurückgedrängt. Die Versammlung der Gemeinde um den Prediger verlangte Gemeinsamkeit im Räumlichen und Konzentration auf Ort der Verkündigung, woraus die Zentralisierung der Raumform, die Anlage von Emporen und ein festes Gemeindegestühl um die Kanzel resultierten.

 

In den Schloßkapellen protestantischer Fürstensitze hatte sich der Quersaal seit dem 16. Jahrhundert als die geeignetste Form für einen Kirchenraum etabliert (Schloßkirche Torgau) und avancierte zum häufigsten Bautyp, insbesondere in Brandenburg. Hier allerdings - bedingt durch die Zerstörungen des Krieges - erst Ende des 17. Jahrhunderts: vorher war an kirchliche Neubauten nicht zu denken.
In Brandenburg gab es gegenüber anderen Ländern n o c h eine Besonderheit: Die Landesherren gehörten seit Kurfürst Johann Sigismund (1613) der calvinistischen Konfession an, während die Bevölkerung - entgegen dem „Cuius regio, eius religio“ (wessen das Land, dessen die Religion) des Augsburger Religionsfriedens (25.9.1555) - lutherisch bleiben durfte.
So stritten seitdem Kalvinisten und Lutheraner in der Mark miteinander, gegen Erlasse und Verbote der um Annäherung und Wiedervereinigung der beiden Konfessionen bemühten Kurfürsten und Könige.

 

Friedrich III. /I. ließ 1694 das „Gewissenhafte Glaubensbekenntnis“ verfassen, mit dem er die Verbrüderung der beiden rivalisierenden Bekenntnisse anstrebte. Als sogenannte Simultan- oder Unionskirchen entstanden die Deutsche Kirche auf dem Gendarmenmarkt und später die Jerusalemkirche an der Lindenstraße. Lutheraner und Kalvinisten sollten in  e i n e r  Kirche ihren Gottesdienst abhalten, um sich einander anzunähern.

Erst mit Daniel Ernst Jablonski (1660-1741, Domprediger) und Philipp Jakob Spener (1635-1705, Prediger an St. Nikolai) fand Friedrich III./I. Theologen, einen Calvinisten und einen Lutheraner, die den Wunsch der Annäherung beider protestantischer Konfessionen teilten. Spener etablierte eine neue Frömmigkeit in der Mark Brandenburg: den Pietismus. Seine ausgleichende Persönlichkeit wirkte friedensstiftend. Immer mehr angesehene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bekannten sich im Sinne Speners zu einer aktiven Religionspflege, die letztlich zu diakonischer und missionarischer Tätigkeit führte.

 

Spener brauchte in seiner Predigt keine Kunst zur Darstellung, er bezog sich direkt auf die Menschen und ihr Handeln. So empfahl er auch den Verzicht auf jegliche Auszierung der Kirchen. Das bedeutete einen großen, einen wesentlichen Schritt der Annäherung zwischen Kalvinisten und Lutheranern, so daß die Ausstattung der Simultankirchen in den folgenden Jahrzehnten ohne Schwierigkeiten hergerichtet werden konnte.

 

Friedrich Wilhelm I. wandte sich offen dem Pietismus zu und gab ihm dadurch politische Kraft. Er hatte 1713 August Hermann Francke (1663-1727) kennengelernt, dessen strenge, sittliche Lebensauffassung auch ihn zu einem engagierten Unionspolitiker werden ließ. Er verlangte gegenseitige Duldung von Calvinisten und Lutheranern. Unabhängig von den Konfessionen wurde eine ganze Bevölkerung auf die Tugenden des Pietismus eingeschworen. Wolfgang Venohr nennt das „eine pädagogische Revolution“: Friedrich Wilhelm I. habe aus einem Haufen von Menschen aus vieler Herren Länder ein gemeinverbindliches Staatsbürgertum geschaffen. In Brandenburg-Preußen ordnete sich die Kirche freiwillig dem Staat unter und fand darin nur Befürworter.
Der König besuchte Gottesdienste beider Konfessionen und nannte sich selbst schlicht einen Christen.
Kaum ein König hat so viele Kirchenbauten direkt veranlaßt.

 

Dem Pietismus gesellten sich Mitte des 18. Jahrhunderts Aufklärung und Rationalismus hinzu. Sie veränderten das kirchliche Leben des Protestantismus im 18. Jahrhundert grundlegend, und Berlin war ein Mittelpunkt dieser geistigen Bewegungen. Das spiegelten - bis zu ihrer Zerstörung - auch die Berliner Kirchenbauten wider.
Die architekturtheoretische Grundlage verfasste erstmals Leonhard Christoph Sturm (1669-1719), Mathematiker und Architekturtheoretiker, 1702 bis 1711 Architekturprofessor an der brandenburgischen Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Sturm legte schriftlich nieder, was der gängigen Praxis entsprach. Er diskutierte die Grundrißformen der Kirchen und erläuterte die Varianten des Zentralbaus, die Anforderungen im Gottesdienst der protestantischen Konfessionen am besten erfüllte.

Für die Sophienkirche ist kein Baumeistername überliefert. Es liegt nahe, ihn in Philipp Gerlach zu vermuten, da er seit 1707 das Amt des königlichen Baudirektors bekleidete und große Ähnlichkeit mit der von Gerlach errichteten zweiten Garnisonkirche in Berlin besteht.

 

1711 waren die Bürger der Spandauer Vorstadt an Magistrat und Königin herangetreten, um Unterstützung für den Bau einer Kirche zu erhalten.
Königin Sophie gab 4 000 Taler und verlangte dafür das Patronats- und Präsentationsrecht für sich und einen von ihr bestimmten Nachfolger.

Wollte sie das Luthertum stärken? Sie stand Spener und Francke nahe, die als Pietisten die Konfessionsquerelen als gegenstandslos abzustreifen begannen und ein übergreifendes Glaubensverständnis anstrebten.
Jedenfalls legte sie am 11. Juni 1712, dem Geburtstag des Königs, den Grundstein zur Kirche in der Spandauer Vorstadt. Am 3. Januar 1713 zeigten die Bürger dem Magistrat an, daß mit dem Bau begonnen worden war.

 

Ein Quersaal wurde errichtet, von allen vier Seiten zugänglich. Der in seiner Schlichtheit profan anmutende Saal von 39 x 21,3 Metern wirkte durch die flache Holzdecke recht niedrig.

Sieben hohe Rundbogenfenster, von Zeitgenossen als „moderne gotische Fenster“ beschrieben - das mittlere etwas niedriger, um darunter dem einfachen Holzportal Platz zu geben. Die Schmalseiten im Osten und Westen erhielten über drei hohen Fenstern ebenso schlichte Giebel unter einem Satteldach. Das Glockengeläut hing im Vordergiebel im Dachstuhl.

Die Ausstattung dominierten der Kanzelaltar, der an der südlichen Längsseite stand, und die Orgel ihm gegenüber im Norden.
Der Altar stand abgerückt, um den Prediger  h i n t e r  den Altar treten zu lassen, damit er der Gemeinde im Gestühl und in den Emporen das Gesicht zuwandte. Diese Praxis wurde durch Friedrich Wilhelm I. anläßlich der Einweihung der neuen Petrikirche in einem Reglement festgelegt.

 

Der zwei Jahrzehnte später errichtete, siebzig Meter hohe Turm der Sophienkirche ist der einzige barocke Kirchturm, der in Berlin erhalten blieb. E i n e  Ursache dafür ist das Material: Er ist aus Stein bis auf die Haube.
Er wurde 1732-34 Turm auf Anordnung Friedrich Wilhelms I. von Johann Friedrich Grael (1707-1740) an der Westseite des Kirchenraumes angefügt.

Das Werk Graels orientiert sich an der Architektur Gerlachs (Garnisonkirche Potsdam) und zitiert mit dem zwiebelhaubenartigen Aufsatz den Turmaufsatz der Dresdner Frauenkirche. Der Einfluss der Dresdner Architektur auf den Berliner Barock erklärt sich aus der seit 1728 besiegelten Freundschaft zwischen Friedrich Wilhelm I. und August dem Starken.

Es spricht für die Anpassungsfähigkeit dieses Bautyps an die Siedlungsgestalt der Umgebung, daß der Gesamteindruck dadurch nicht beeinträchtigt wurde. Der Turm behielt bis in die Gegenwart seine Funktion als städtebauliche Dominante, wie sie sich der König vorgestellt hatte.
Das Kircheninnere wurde 1892 vollkommen neu gestaltet. Der Quersaal musste zugunsten der Längsausrichtung des Raumes, in den sogar eine Apsis eingebaut wurde, weichen.

 

1720 erhielt Gerlach den königlichen Auftrag, die durch eine Pulverexplosion zerstörte Kirche der Berliner Garnison wieder zu errichten. Auf Wunsch des Königs folgte Gerlach nicht dem kreuzförmigen Grundriß der abgetragenen Kirche, sondern entwarf wiederum einen Quersaal. Der Neubau erhielt nicht nur keinen Turm, sondern auch nicht einmal einen Dachreiter, wie ihn die erste Garnisonkirche - übrigens die erste Preußens überhaupt - getragen hatte.

Auf einem hohen Sockel erhebt sich das Obergeschoss mit hohen Rundbogenfenstern, gedeckt von einem mächtigen Walmdach. Die Mitte jeder Front wird durch einen Risalit betont, der an den Längsseiten übergiebelt wird. Ecklisenen akzentuieren den Baukörper. Elf Achsen zählen die Längsseiten, drei die Breitseiten. Durch große Türen betrat man die Kirche von allen Seiten.
Über den Türen brachte Gerlach Medaillons an: ein zur Sonne auffliegender Adler mit Blitz und Donnerkeil in den Krallen und dem königlichem Motto: „Non soli cedit“. Eine Kartusche unter dem Südgiebel zeigte Königskrone, Kriegsgerät und die Initialen Friedrich Wilhelms I. An der mittleren Tür der Hauptfassade (Südseite = Front zur Spandauer Straße) benannte eine Inschrift den Bau als: „Garnisonkirche 1722“.

 

Der Innenraum war ein quer gelegter Rechtecksaal, weiß getüncht, mit zwei Reihen von je fünf gemauerten Stützpfeilern, die den Raum in drei Schiffe unterteilten. Eine hölzerne Flachdecke schloß ihn ab. Zwischen Stützpfeilern lagerten umlaufende Emporen auf schlanken Eichenholzsäulen.
Insgesamt war die Garnisonkirche ein schlichtes, klar gegliedertes Gebäude.
Sie ist ein klassisches Beispiel der von Sturm inaugurierten Einrichtung.

Johann Friedrich Walther, Organist an der Garnisonkirche, schrieb 1736: „daß seit der Reformation und also in Zeit von zwey hundert Jahren, keine so schöne, große und helle Kirche, in der Chur Mark Brandenburg erbauet worden.“
Die Ausstattung beherrschten Kanzelaltar und Orgel. Den Kanzelaltar entwarf Philipp Gerlach: die Autorschaft wurde durch die Wiederentdeckung des Manuskriptes von Walther durch Kündiger / Weigert geklärt. Walther nennt auf einer Zeichnung Gerlach als Urheber. Aus Eichenholz, in weißer Ölfarbe gefaßt, stand er frei zwischen zwei Pfeilern in der Mitte der Nordwand, links und rechts von Predigerstuhl flankiert.

 

Der Kanzelfuß war geziert mit Harnisch, Visier und Helmbusch, der Kanzelkorb mit fünf Reliefbildern, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament darstellen. Der reich geschnitzte Schalldeckel erhielt mittig eine Kartusche mit Krone, königlichen Initialen vor Wolken, über denen eine Sonne strahlte. Auf einem Schriftband, durch Wolken gezogen, erschien abermals das königliche Motto: „Non soli cedit“ und ein Adler schwang sich aus den Wolken zur Sonne empor.

Als Altar diente ein einfacher Tisch vor der Kanzel. Der Taufstein befand sich etwa in Raummitte. Gegenüber des Kanzelaltars richtete man die Königliche Loge ein, die nur zwei Fuß weiter in den Raum hinein ragte als die Emporen.
Wie in Potsdam existierte hier als einziges Ausstattungsstück ein Holzstuhl, ohne Sitzkissen, ohne Armlehnen.

 

Die 1724 aufgestellte neue Orgel von Joachim Wagner bekräftigte in der Gestaltung des Prospektes das ikonographische Programm der Kirche: das preußische Königtum, der königliche Stifter und Kirchenpatron (!) wurden wiederum mit dem zur Sonne strebenden Adler und dem königlichen Motto beschworen. Unübersehbar wies der Schmuck das Gebäude als Militärkiche aus. Die Orgel der alten Garnisonkirche hatte die Explosion des Pulverturmes am Spandauer Tor überstanden, doch erschien sie in dem wesentlich größeren Neubau der Kirche zu klein. Sie war ein Werk des Arp Schnitger Schülers Michael Röder und wurde 1724 in der neu erbauten Potsdamer Nikolaikirche eingebaut.

Röder hatte eine bis dahin nicht übliche Gestaltung des Orgelprospektes erdacht: ertönten die Klänge der Orgel, bewegten sich Figuren dazu, einzelne bedienten sogar Instrumente, deren Töne sich in das Orgelspiel einfügten. Die kunstvolle ikonographische Ausgestaltung inspirierte andere Orgelbauer.
Die paukenschlagenden Engel wurden von Wagner in seinen Prospekt übernommen. Die Pauken dazu schenkte das Wartenslebensche Reiter-Regiment aus seinem Bestand.
Barbara Kündiger weist darauf hin, daß sich in der Marienkirche zu Angermünde noch eine Wagner-Orgel befindet, in der eine vergleichbare Mechanik noch intakt ist.

 

Noch während des Baus der Sophienkirche 1713 hatte Philipp Gerlach die Ausführung des Turmes der Parochialkirche nach dem Entwurf von Jean de Bodt übernommen. Das Kirchenschiff hatte Martin Grünberg erbaut, wobei er den Entwurf von Johann Arnold Nering, der kurz nach Baubeginn verstorben war, nach eigenen Ideen veränderte.

Der Grundriss der Parochialkirche zeigt eine kreuzförmige Vierkonchenanlage, an deren Westseite eine selbständige Vorhalle mit stattlichem Turm stand. Dem Zentralbau wurde eine Turmfassade angefügt, wie sie für Longitudinalbauten typisch war. Es wurde die erste Turmfront in Berlin seit dem Mittelalter und stand damit am Anfang einer Entwicklung, die Friedrich Wilhelm I. in Gang setzte. Für den Turm schenkte der König der französisch-reformierten Gemeinde das Glockenspiel, das einst für den Schlüterschen Münzturm bestimmt gewesen war.

 

Der Turmunterbau Gerlachs paßt sich der Traufhöhe des Kirchenschiffs von Grünberg an, unterstreicht aber durch die zweigeschossige Gliederung in den Fenstern die äußere Eigenständigkeit des Turmes. Über dem Mittelteil mit dem Portal erhebt sich langgestreckt der Turm in drei Stockwerken, einem geschlossenen und dem offenen Glockengeschoß sowie der Bekrönung, die in einem zierlichen Obelisken besteht. Auch dieser Turmbau wird seiner Funktion als städtebauliche Dominante - wie zuvor der Turm der Waisenhauskirche und später der Sophienkirche - gerecht.

Nering und Grünberg hatten in den Entwürfen für die Parochialkirche die Zentralbauidee verwirklicht, die als zweite Möglichkeit - neben dem Quersaal - für den Bau einer protestantischen Kirche bestand. Sie spiegelt den fruchtbaren Einfluss niederländischer Baukunst in Norddeutschland wider.
Philipp Gerlach führte diese Adaption fort und orientierte sich mit seinem Turmbau - wie schon für die Waisenhauskirche - ebenfalls an Beispielen barocker niederländischer Architektur.

 

Die Dorotheenstädtische Kirche, der erste Kirchenbau in Berlin seit dem Mittelalter, war der erste Zentralbau auf dem Grundriß eines griechischen Kreuzes. Mit niedrigen Einbauten in den Winkeln der Kreuzarme und polygonalem Abschluß des zum Chor bestimmten Flügels wies sie sich als lutherische Kirche aus.
Sie wurde später durch die lutherischen Konfession angehörende Kurfürstin Dorothea als Simultankirche bestimmt, durch Zuzug der Hugenotten in die Dorotheenstadt. Der äußerst schlichte Außenbau folgt im Grundriß - mit Ausnahme des Chorpolygons - dem Typus der von Hendrik de Keyser erbauten Osterkerk in Amsterdam.

Mit der Ausdehnung der Friedrichstadt wurde auch der alte Fachwerkbau der Jerusalemer Kirche von der Ausdehnung der Residenzstadt erfaßt. Für die Vorstadtkirchen - außerhalb der Stadtmauer - waren Holz und Fachwerk als Material vorgeschrieben, um im Fall einer Belagerung die Bauten schnell abbrennen und wieder aufbauen zu können. Das baufällige Gebäude genügte der anwachsenden Bevölkerung schon lange nicht mehr.

Es befand sich an der Einmündung der Jerusalemer Straße in die Lindenstraße, jenseits der Kochstraße.

 

Philipp Gerlach errichtete hier einen neuen Bau auf dem Grundriß eines griechischen Kreuzes, mit den Längsmaßen von 31 x 36,3 Metern. Vor dem Kirchenschiff ließ Gerlach aus einem breiten Vorbau den Turm 72 Meter hochwachsen und in einer Obeliskenspitze, ähnlich der Spitze der Parochialkirche, jedoch schlichter, enden. Ein anderer Entwurf wurde vom König abgelehnt.

Ein Sonnensymbol mit einem Pelikan und den königlichen Initialen bildeten den Abschluss. Im Innenraum standen Altar und Kanzel mit dem Rücken gegen den Turm in der Mitte des Raumes. Bereits 1747 mußte die Turmspitze wegen Fäulnis der Holzkonstruktion abgetragen werden. 1878/79 umgebaut, wurde die Kirche im Zweiten Weltkrieg zerstört und die Ruine 1961 gesprengt.


Philipp Gerlach in Potsdam  

In Potsdam ließ Friedrich Wilhelm I. 1721 die baufällige Katharinenkirche abreißen und durch einen Neubau ersetzen. Der Architekt ist Philipp Gerlach, der ein Jahr zuvor hier die erste Kirche für die Garnison erbaut hatte: einen einstöckigen Bau aus Fachwerk!

Aber die Stadtpfarrkirche erhielt eine aufwendigere Gestalt. Abermals auf dem Grundriss eines griechischen Kreuzes errichtet Gerlach die Kirche, spart jedoch den nördlichen Kreuzarm für den Turm aus, so daß der Kirchenraum eine T-Form erhält. Hohe Rundbogenfenster gliederten die Fassade, deren Strebepfeiler an den Außenwänden darauf hinweisen, daß die Kirche gewölbt und nicht flach gedeckt war.
Der schlanke Turm von fast 85 Metern Höhe wird weithin zum ersten Wahrzeichen der Stadt. Die Kirche wird in St. Nikolai umbenannt.

 

Gerlachs bedeutendster Sakralbau, zugleich der bekannteste der preußischen Geschichte im 18. Jahrhundert, ist die 1731/32 in kurzer Zeit erbaute Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam. Sie ersetzte die von ihm selbst errichtete, 1722 geweihte erste Garnisonkirche. Dieser Bau war jedoch nicht genügend gegründet und bereits baufällig.
Vermutlich auf Wunsch des Königs errichtete Gerlach seinen letzten Kirchenbau wieder als einen Quersaal.
1732 konnte die Kirche eingeweiht werden, erst 1735 wurde der 90 Meter hohe Turm vollendet. Er trat aus der Flucht der Breiten Straße heraus und ließ doch den Blick auf das Stadtschloss frei. Gemeinsam mit der 1725 von Pierre de Gayette errichteten Heiliggeistkirche am östlichen Stadtrand und der Nikolaikirche im Herzen der Stadt besaß Potsdam nun drei herausragende Kirchenbauten, deren Turmsilhouetten das Stadtbild weit sichtbar prägten.

 

Kanzel und Gruft ließ der König farbenprächtig, in reichen Barockformen nach dem Entwurf von Christian Friedrich Feldmann ausführen. Vielleicht war Philipp Gerlach zu sehr mit anderen Aufgaben, so dem Ausbau der Berliner Friedrichstadt, beschäftigt. Unter der Marmorkanzel in der Mitte der nördlichen Längswand ließ sich Friedrich Wilhelm I. eine Gruft einrichten, in der er bestattet werden wollte. Gegen seinen Willen wurde hier auch Friedrich II. neben dem Vater beigesetzt.

Vor der ebenerdigen Gruft wurde der einfache, hölzerne Altartisch des Vorgängerbaus aufgestellt.
Eine neue Orgel von Joachim Wagner ersetzte die alte, ebenfalls von Wagner, die an die Jerusalemer Kirche zu Berlin verschenkt wurde. Links und rechts des Altars ließ der König die Figuren Mars und Bellona von Johann Georg Glume plazieren. Sie kamen in das Stadtschloß, nachdem 1816 die im Kampf gegen die napoleonischen Truppen erbeuteten Fahnen hier angebracht wurden.
Vielfältige Umgestaltungen im 19. und 20. Jahrhundert musste der Bau Philipp Gerlachs über sich ergehen lassen, bis er in der Nacht des 14. April 1945 durch Bomben schwer beschädigt und seine Ruine 1968 gesprengt wurde.


Die Friedrichstadt

Zu dem bekannten Bild von Dismar Degen schreibt Hermann Heckmann (S. 267 f.):
„Tatsächlich zeigt der von Dismas Dägen um 1735 gemalte Blick in die Friedrichstraße eine erschreckende Monotonie: einheitliches Mansarddach und durchgehend gleiche Traufhöhe von zwei geschossen, auf gelber Putzfläche weiß abgesetzte Pilaster und Lisenen, Brüstungsdekor und Portal- und Fenstergewände. Die Fassaden verkörpern geradezu die Uniformierung des trivialen Bauwesens durch Friedrich Wilhelm I.“
Das stimmt nicht.

 

Längst hat die jüngere Forschung bestätigt, daß unter der Regierung Friedrich Wilhelms I. eine hochentwickelte, vorbildliche Verwaltung und moderne städteplanerische Methoden entwickelt wurden. Die Autoren des Buches „Mathematisches Calcul und Sinn für Ästhetik. Die preußische Bauverwaltung 1770-1848“ beschreiben ausführlich auch die Zeit Friedrich Wilhelms I.

Erst im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde der Städtebau in Brandenburg-Preußen nach den verheerenden Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges „zielgerichtet und mit territorialer Breitenwirkung“ betrieben. Für den landesweiten Stadterneuerungsprozess, der das mittelalterliche Antlitz der Städte in ein zeitgemäßes wandelte, bildeten die Jahre um 1720 „eine richtungsweisende Zäsur“. (Jaeckel, Calcul S. 11)

 

Die „kennzeichnenden stadtplanerischen Methoden“ bezeichnete man mit den Begriffen „Retablissement“ und „Etablissement“. Retablissement steht für Wiederaufbau, Gesundung und Verbesserung eines zerstörten und vernachlässigten Stadtgefüges. Etablissement meint die „Gründung und bauliche Einrichtung von neuen Siedlungen“ in Verbindung mit Ansiedlungen von handwerklichen und gewerblichen Unternehmungen „nach mustergültigen städtebaulichen Prinzipien“. Hierher gehört zum Beispiel die Kolonisation Brandenburg-Preußens durch Glaubensflüchtlinge. (Jaeckel, Calcul S. 11)

Unter König Friedrich I. hatte man zwar der Fortentwicklung der Städte schon größere Aufmerksamkeit geschenkt, „aber es fehlte das nötige Bewußtsein für beständige Vorkehrungen sowie solide wirtschaftliche, finanzielle und rechtliche Fundamentierung dauerhaft wirksamer Instrumentarien.“ (Jaeckel, Calcul S. 14)

 

Friedrich Wilhelm I. entließ bekanntlich zu seinem Regierungsantritt den Hofstaat seines Vaters und veranlaßte damit auch die Auswanderung qualifizierter Handwerker und Künstler. Auf den „Leerstand und die unterlassene Instandsetzung“ vieler Bürgerhäuser aufmerksam gemacht, reagierte der König mit einem „dezidiert merkantilistisch gegründeten Ausbau Berlins“ und aller Städte seines Landes, „der nicht vorrangig von Bedürfnissen wie denen einer luxuriösen Hofhaltung, sondern von den spezifisch inneren Notwendigkeiten städtischer Wirtschaftsentwicklung bestimmt wurde“. (Jaeckel, Calcul S. 14)

In diesem Zusammenhang sind auch der Ausbau und die Erweiterung der Friedrichstadt ab 1721 zu sehen. Sie fußen auf den Verordnungen zum Städtebau, die der König in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts erließ: „Dauerhaftigkeit und Funktionstüchtigkeit durch eine hochwertige Bauqualität“ sowie Vorrang von Feuerschutz und hygienischen Bedingungen waren ihre Grundlagen.

 

Stets hielt Friedrich Wilhelm I. die Mitglieder der Baukommission, der Gerlach angehörte, zu höchster Ökonomie an. So stellt das Bauen auf der Friedrichstadt erste Versuche dar, „durch Normierung sowohl bei den zu errichtenden Häusern als auch bei der administrativen Organisation der Bauabläufe durch eine Baukommission den "Anbau" der Friedrichstadt zu rationalisieren.“

„Bauen wie auf der Friedrichstadt“ verlangte Friedrich Wilhelm I. auch für andere Städte des Landes. Die erfolgreiche Reorganisation der staatlichen Verwaltung und die straff-einheitliche Ausgestaltung der Wohnhäuser gab der Friedrichstadt Modellcharakter, die vorbildlich keineswegs nur in Brandenburg wirkte.
Um die neuen Stadtteile zu bevölkern, warb der König Glaubensflüchtlinge aus Böhmen und Salzburg und Handwerker aus vielen anderen Ländern an.

 

Philipp Gerlach, der die Leitung der Erweiterung der Friedrichstadt innehatte, und Oberst Christian Reinhold von Derschau oblag der Gesamtentwurf einschließlich der Schmuckplätze.
Drei große Torplätze entlang der Stadtgrenze setzten sie gezielt als Effekte ein. Sie dienten in einem sehr einheitlichen Straßenraster der Inszenierung des Stadtraumes, entsprechend den städtebaulichen Vorstellungen des Barock. An den Anfangs- und Endpunkten der großer Achsen, Friedrichstraße, Leipziger Straße und Unter den Linden, wurden Plätze geschaffen, die die Wirkung der Torbauten steigerten: Die Straßenflucht weitet sich plötzlich zu einem breiteren Platz, der in einem Stadttor endet.

Es entstanden das Rondell (Hallesches Tor), Achteck (Leipziger Platz) und das Viereck (Pariser Platz).
Bereits ab 1605 waren in Paris runde, achteckige und rechteckige Grundmuster für Plätze entstanden: Place des Victoires, Vendôme und Royale. Weitere Beispiele gibt es in Rom.
In Berlin hat nur der Pariser Platz den Charakter des 18. Jahrhunderts bewahren können: den sichtbaren Übergang von kompakter Stadt zu offener Landschaft.
Architekt der Plätze einschließlich ihrer Bebauung mit zweigeschossigen Stadthäusern war Philipp Gerlach.


Besondere Aufmerksamkeit verdient ein weiterer Platz innerhalb der Friedrichstadt: der Wilhelmplatz. Hier plante Philipp Gerlach sowohl die Platzanlage als auch mehrere Palais', von denen keines erhalten ist. Auch die vorbeiführende Wilhelmstraße wurde auf Befehl (!) des Königs durch wohlhabende Bürger und Adlige mit aufwendigen Stadthäusern regelrecht geschmückt.

1735/36 errichtet Gerlach mit dem Baukondukteur Horst das Palais für den Etats- und Kriegsminister Samuel von Marschall an der Friedrichstraße. Die Gartenanlage erstreckt sich bis an die nahegelegene Leipziger Straße. Mittel- und Seitenrisalite, die auch auf der Gartenseite hervortreten, geben dem Palais des Ministers ein schloßartiges Aussehen.
Dem König gefiel das Gebäude nicht.
Eine Chronik berichtet: „Anno 1736. Den 10. May kamen Sr. Königl. Majestät der König und die Königin von Potsdam allhier an und bekam selbigen Tages der Ober Baumeister und Geheime Rath Gerlach eine Wache von 8 Musquetires in seinem hause, wegen des übel gerathenen Baues von des Geheimen Etats Ministri von Marschals palais in der Wilhelms-Straße.“

 

Ein Jahr zuvor hatte Gerlach das Kollegienhaus in der Lindenstraße errichtet, das spätere Kammergericht, dann Berlin-Museum, heute Teil des Jüdischen Museums.
Es ist das einzige größere Profangebäude aus der Zeit Friedrich Wilhelms I. und aus dem Werk Gerlachs, das in Berlin erhalten blieb. Eine stattliche Dreiflügelanlage, deren Hof von der Lindenstraße abgewandt ist. In der strengen Gliederung der Fassade zeichnen sich die zwei Achsen breiten Flügel ab.
Die Mittelachse mit dem Portal und einem Balkon darüber ist durch Pilaster eingefaßt und wird bekrönt von einem Dreiecksgiebel mit Wappenkartusche.
Rechts und links vom Giebel lagern Justitia und Caritas.

1711 charakterisierte Paul Jakob Marperger in seiner „Historie und Leben der berühmtesten Europäischen Baumeister, Hamburg 1711“ (Nachdruck Leipzig 1975) den Baumeister Philipp Gerlach als „sehr habilen Mann, (...) der noch biß diese Stund höchsten Fleisses dahin trachtet / wie er diese Residentz Stadt an stattlichen und prächtigen Gebäuden je länger je mehr renommirter machen / und der anwachsenden populasitaet auch ihre Commoditaet verschaffen möchte / wie dann unter seinem Directorio nicht allein viel publique Stadt Gebäude biß anhero aufgebauet und theils verbessert / auch vor Holtzen, die sie zuvor waren / Steinern aufgeführet / sondern auch der Fuß des Walls rund herumb umb die Stadt mit commoden Egalen und überaus zierlichen Häusern bebauet worden.“

Literatur:

Barbara Kündiger und Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht. 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, Berlin 2004

Mathematisches Calcul und Sinn für Ästhetik. Die preußische Bauverwaltung 1770-1848, Ausstellung des Geheimen Staatsarchivs PK, Berlin 2000

Das Collegienhaus vom Jahre 1734 in der Lindenstraße. Sein Erbauer Philipp Gerlach und seine Bauherren (= Veröffentlichungen des Berlin-Museums 1), Berlin 1965

Schwipps, Werner: Die Garnisonkirchen von Berlin und Potsdam, Berlin 1964

Boeckh, Wilhelm: Die Garnisonkirche in Potsdam. Erbaut 1731-35 von Philipp Gerlach d. J., in: Deutsche Kunst 8, 1942.
Naatz, Hermann: Geschichte der Parochialkirche zu Berlin von 1703-1903, Berlin 1903.

* Dieser Text ist die redigierte Fassung eines Vortrages zum 325. Jahrestag des Geburtstages von Philipp Gerlach, gehalten an der URANIA Berlin und anderen Orten.

 

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